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25. PrefeseBenad
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große Mehrzahl der Kollegen rückt schleunigst von Bernhardi ab, diel einem Werke, das sich so weit von den Ueblichkeiten des Theaters
klerikal=antisemitische Majorität des Parlaments schäumt, ders entfernt, daß es Geist in Handlung umsetzt, und das doch so viele
Kultusminister, der ursprünglich für Bernhardi eintreten wollte (wir theatralisch anspruchsvollste Rollen und Röllchen enthält. Denn“
Bernhardi“.“)
sind nämlich in Oesterreich, wo trotz alledem solch ein ursprünglicher eigentlich hat jeder Mitspieler, vom Vertreter des Bernhardi ange¬
Wille immerhin denkbar ist!), fällt prompt auf die Gegenseite, es fangen bis zu dem des Medizin=Kandidaten, einen scharf geprägten
mit starker Hand Pro=gibt eine Anklage auf Störung einer gottesdienstlichen Handlung und Charakterkopf auszusetzen. Daß diese Forderung nicht durchgängig
tskämpfe anrührt, eine Bernhardi muß auf zwei Monate ins Gefängnis. Das heißt, eigent= erfüllt wurde, darf nicht Wunder nehmen. Deutlich aber war die
keine Amüsierkomödie lich muß er nicht, aber er will keine Berufung einlegen, weil straffe Hand der Regie im Tempo und in den Steigerungen des
ernsten Komödien des er so rasch wie möglich wieder — Arzt sein möchte und nicht länger Spiels zu spüren, desgleichen das sehr erfreuliche Bestreben, das
ttelalter, die reinsten Mittelpunkt einer Sensations=Affäre. Und dann? Dann ist das äußere Bühnenbild geschmackvoll zu gestalten. So war ein in Farbe
den Unduldsamen, den Stück zu Ende, denn selbst zu einer Abrechnung Bernhardis mit und Linie prachtvoll zusammengestimmtes Interieur bei Herrn Pro¬
nhang, den Geschäfts= seinen Feinden kommt es nicht, weil dieser Mann sich zu hoch über fessor Berrhardi zu sehen. Nur freilich paßte es nicht recht zu seinem!
brennen, mit der Zeit ihnen stehen fühlt. Wohl winkt ihm eine ausreichende Genugtuung. Besitzer und — zur Vorschrift des Dichters. Der will ein ruhiges,
eiterhaufen lohen nicht aber sehr gegen seinen Willen. Die beste findet er in sich selbst. Wo= schlichtes, ärztliches Ordinationszimmer mit Gelehrten=Photographien?
d die Betätigung nach bei anzumerken ist, daß nur ganz starke Geister solche Siege zu er= an den Wänden, indes der freigebige Direktor=Regisseur mit poin¬
die Möglichkeit bietet, fechten vermögen. Menschen von Mittelwuchs würden an Bernharzis tillistischen Landschaften, zarten Blumenstücken und hochmodernen
tswegen, da das Recht Schicksal zerbrechen.
Möbeln das Auge erfreute.
hört.
Diese merkwürdige „Komödie“ spielt nur zwischen Männern, von
Im Mittelpunkt der Aufführung, die nach jedem Aktschluß den
ichneter Arzt und ein Liebesgeschichten ist darin nicht die Rede und keine einzige Verlobung stürmischen Beifall des sehr gut besuchten Hauses auslöste, stand,
Torheit begangen; als steht am Ende, schon aus Mangel an irgend welchem weiblichem so wie es sich gehört, der Darsteller des Bernhardi, Herr Pfanz, ein
fühnt er diese Torheit Material. Und doch ist das Werk voll von guter Theatralik. Die ruhiger, überlegener, völlig mätzchenfreier Schauspieler, der die Wir¬
ist ein Querkopf, der Kunst Schnitzlers, Charaktere mit wenigen Strichen haarscharf zu kungen zu finden weiß, indem er sie scheinbar vernachlässigt. Neben
l, ohne Schielen nach umreißen, findet sich hier zu reinster Virtuosität gesteigert. Welch ihm standen die Herren Gorter, Johow, Barna, Knaack,
für richtig und sittlich ein bis ins kleinste Detail wahres Massenbild aus der Welt der Halpern, Glasemann, Froon fest und sicher zu ihren
ine unbestrittene medi= Medizin! Aber wahrhaftig, es ist ein reiner Zufall, daß nur die Rollen. Herr Marlitz, ein alter Bekannter, hätte sich vielleicht
en privaten Kranken=Medizin ihre Vertreter auf die Bretter entsendet. Die Mitglieder mit einer bürgerlichen Professur begnügen und die Minister=Exzellenz
r den lieben Kollegen anderer Fakultäten haben deswegen noch lange kein Recht, sich glück= Herrn Gorter überlassen sollen, hauptsächlich aus Gründen der
macht ihm die Neider lich zu preisen, daß sie nicht sind, wie jene. Uebrigens, ein Nichtmedie äußeren Repräsentation. Für den streitbaren Pfarrer schien Herr?
es ein Fall, der dieses ziner ist doch zur Stelle: eben jener Pfarter, den Bernhardi von der Kustermann meinem Geschmack, der gewiß den theatralischen
Ding liegt sterbend in Schwelle des Krankenzimmers wies. Schnitzler hat in ihm — wohl Farbenauftrag nicht liebt, doch um eine Schattierung zu nüchtern,
#ngslosen Zustand keineum auf die Gegner versöhnlich zu wirken (Resultat: Verbot des zu zurückhaltend im Ausdruck des „inneren Gefühls“. Eine samose
ins Leben zurückkehren Stückes in Oesterreich!) — das Ideal eines katholischen Theologen Episode, die des „anarchistischen“ Ministerial=Hofrats, hatte einen
ester gerufen, erscheint gezeichnet. Nur zu leicht könnte die deutlich merkbare Absicht ver= samosen Episodisten in Herrn Machold gefunden, der sonst die
Religion zu spenden. stimmen. Aber Schnitzler gestaltet die Aussprache zwischen dem schweren Helden spielt, heute aber mit liebenswürdigster, öster¬
auf solche Weise der Materialisten Bernhardi und seinem geistigen=geistlichen Duellanten reichischer Gemütlichkeit die drolligen Dreistigkeiten und Weisheiten
ird und hindert darulssso fein und tief, hebt sie so nahe an die Grenze der höchsten Mensch= des Herrn Hofrats ausstreute. Das Merkwürdigste an dieser für
Priester an der Aus lichkeits=Erkenntnisse, findet Worte von so zartem und doch männ= reichsdeutsche Hörer verblüffenden Figur ist, daß in Oesterreich wirk¬
Kragen“ — prophezeit, lich starkem Taktgefühl, daß gerade diese Szene (von den richtigen lich solche Hofräte wachsen. Der Dr. Max Burkhard war einer von
tig mit der Macht der Gegenspielern dargelegt) das schönste Erlebnis des an schönen Er= ihnen und er hat auch vermutlich Herrn Schnitzler zu seinem Winkler
e behält Recht.
lebnissen reichen Abends bedeutet.
Modell gestanden.
Erich Freund.
aufs herrlichste. Die
Die Regie des Herrn Dr. Meyer stand mit ihrem ganz jungen
(„Allerlei Neues“ befindet sich in der dritten Beilage.) —
unerprobten Ensemble vor einer absonderlich schweren Lufgabe. vor