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25. Professor Bernharar
e

sich wohl überhaupt garnicht auf der Bühne, sondern
allzu scharfe, neu bereichert, das heißt nochh
in seinen Novellen geben. Der „Bernhardi“ ist sogar
pessimistischer gemacht.
*
„Professor Bernhardi“.
gewissermaßen ein Tendenzstück und noch dazu
höchstwahrscheinlich einem persönlichen Erlebnis sei¬
Den Einzelheiten dieses dramatischen?
Komödie in 5 Akten von Arthur Schnitzler. Erst¬
nes Verfassers, der selbst Arzt und Jude ist, nach¬
zu folgen, verbinde ich damit am besten gleig
aufführung im Deutschen Theater. Spielleitung.
geschrieben. Aber der „Bernhardi“ ist das Letzte an
die Besprechung der Aufführung selbst.
Julius Arnfeld.
typisierter Charakterzeichnung. Und außerdem be¬
Der erste Akt brachte den Zusammenstoß zu
Der letztvergangene Sonnabend dürfte von be¬
handelt er ein Problem, — weniger allgemeinwich¬
Arzt und Priester in einem schmalen Rau
sonderer Bedeutung für das Theaterleben Hannovers
tig als so anregend aufgestellt, daß es in jeder Men¬
Krankenhauses, kühl und klar gegeben, ganz da
gewesen sein: das Deutsche Theater, bisher durch
schenseele, in jedem Menschenverstand eine Folge von
füm der traurigen Atmosphäre atmend.
allerlei Schwierigkeiten aus nicht eigener Schuld be¬
durch sich selbst fruchtbaren Gedanken auslösen muß.
Arnfeld hatte als Professor Bernhardi die
hindert, führte nach einem nicht ungefährlichen Vor¬
Professor Bernhardi, der Leiter des Elisabeth¬
Schnitzlers angedeutet. Seine Darstellung stat
geplänkel den entscheidenden Schlag. Es brachte das
Krankenhauses ein fast berühmter Arzt, dabei Jude
der Höhe seiner besten Leistungen. Die b
ungemein interessante Werk eines modernen und
im „christlichen“ Staat, hat eine Patientin, die nur
Ruhe eines großen Menschen gab, vereint mis
wertvollen Dichters trotz großer Eigenart in einer
kanten Andeutungen der Eigenheiten des bedeu
noch wenige Minuten leben kann und doch von die¬
größte Achtung fordernden Weise heraus. Es lockte
Mediziners, eine imponierende Persönlichkeit.
sem Schicksal nichts ahnt. Der Priester kommt, um
endlich einmal wieder — die wenig wertvolle Saison
der Sterbenden die letzte Oelung zu erteilen. Der
Geistlichen verkörperte Herr Falke. Von
des letzten Jahres hatte mit immer neuen Mitteln
Kraft des Deutschen Theaters dürfen wir vi
Arzt aber weiß, daß die Exscheinung des von der
das Publikum gescheucht — den glücklicherweise doch
Kirche Gesandten schon genügen wird, um seine
warten. Die glänzende Erscheinung des Schd
zahlreichen Kreis künstlerisch interessierter Hanno¬
lers hatte sich für diesmal in das ernste G
Schutzbefohlene auf's Furchtbarste zu erschrecken, —
veraner in das Haus an der Reuterstraße. Es
ihr den seligen Frieden ihrer letzten Minute zu rau¬
des Dieners der Kirche gefügt. Das weiche
zwang diese nach den letzten Vorgängen sicher recht
bar sehr modulationsfähige Organ verhielt ###
ben. So hält er kraft seiner Befugnis als Arzt den
kritische Zuschauerschaft zu dauernd gesteigertem
eine starke innerliche Glut. In dem ganzen
Priester zurück, und das Mädchen stirbt, nach dem
Beifall. Kurz; es bewies klar den Wert seines Da¬
Dogma ihrer Kirche schwer am Wichtigsten geschädigt.
schen gab sich ein schöner, liebenswerter Fanat
seins und die Berechtigung schöner Hoffnungen.
Der Konflikt liegt klar, und wer der Tat des Pro¬
dessen Schwäche, die ja seine größte Kraft be
fessor Bernhardi auf Schritt und Tritt aus ihren in¬
man ehren muß. Neben diesen beiden Gestalt
Die letzte
Schnitzlers „Professor Bernhardi“ ..
nersten Beweggründen heraus folgte, zweifelt keinen
gann sich bereits jetzt auf der Bühne eine
dramatische Arbeit des österreichischen Dichters, den
Reihe origineller Medizinercharaktere zu
Augenblick diesem wahren, starken Menschen volles
die Hannoveraner schon gut kennen und für den sie
Recht zu seinem Verstoß gegen einen von ihm nicht
Da ist der Streber mit den parlamentarische
immer etwas übrig gatten, so vollkommen fern seine
Trotzdem liegt
geglaubten Glauben zuzugestehen.
bindungen, gegeben durch Hugo Klafft mit
differenzierte, zugespigte, psychologisch ganz tiefgra¬
ebenso klar auf der Hand, daß der Geistliche eine Re¬
lichkeit und doch künstlerischer Zurückhaltung
bende Art, verbunden mit einer gewissen kühlen Le¬
kommt schiefen Hauptes mit der Brille auf der
ligionsstörung empfinden muß und daß ihm alle
bensverachtung und auch jener feinen liebenswürdi¬
Menschen seiner Anschauung, zumal sie den eigent¬
spitze der Nervenarzt Cyprian hereingefegt vo
gen, im Grunde aber schwächlichen Sentimentalität
lichen Vorgang nur aus der Ferne berichtet erhalten,
Kronert köstlich charakterisiert. Max Car
des etwas dekadenten Wieners — so vollkommen fern
schon nach dem kurzem Hiersein offenbare Beli
darin folgen werden. Mischt sich noch Antisemitis¬
diese Art gerade dem bodenfesten einfachen und
mus hinein und kommen die spezifisch wienerischen
genießt, stellt einen Dr. Löwenstein, Dozent fü
robust gesunden Wesen des Niedersachsen ist. Sollte
Verhältnisse dazu, die Schnitzler schildert (und die
derkrankheiten hin, dessen bieder betontes Jud
darin so etwas wie eine beimliche Liebe für das Ge¬
übrigens einige Zeit zurückliegen), dann ist die wü¬
Gelegenheit zu freundlichsten Scherzen gibt, d
gensätzliche liegen? Das farbenschillernde, pikante,
tende Hetze gegen den überzeugungstreuen Arzt ge¬
aber eine tiefe, echte Menschlichkeit verrät.
immer wieder lockende und — nie ganz befriedigende
geben, und Professor Bernhardi würde auf dem
Conradi, ein junger, recht beachtenswerter
Femininum anzuschauen, behagt der fremdartig an¬
steller, gibt den Dr. Adler, einen offenen, el
Scheiterhaufen enden, wenn diese Strafart nicht
gereizten Männlichkeit?
doch schon aufgegeben wäre. Bernhardi bekommt nur
Ein bühnenmäßig kaum dagewesenes Experiment
zwei Monate Gefängnis und auch diese eigentlich
Dein Sohn Barnhardies zeial Hans Mitkers
ist dieser „Bernhardi“. Ein Theaterstück ohne Frau¬
nur, weil in dem ihm gemachten Prozeß die günsti¬
eine sehr jugendliche Kraft von liebenswürdig
enrollen — nur ein einziges, weibliches Wesen läßt
scheinung und schon jetzt vornehm verständigem
gen Zeugen ihre Aussagen vorsichtig zurückhalten,
sich am Anfang für Minuten blicken — aber mit einer
Einen ganz üblen Schleicher und Opportunitä
andere die ihrige belastend übertreiben, so daß —
Garde von sage und schreibe zwanzig Mannsfiguren!
nach den Erfahrungen alter Juristen nichts Seltenes
schen macht Alfred Krüger aus seinem Kand
Ra
Zwanzig, von denen mindestens fünfzehn durchaus
der tatsächliche Vorgang völlig entstellt wird.
Dies so etwa die Erscheinungen des ersten
peinliches, lebensechtes Charakterspiel verlangen!
Professor Bernhardi hat dem allen gegenüber nur
denen als einzige Dame Maria Marno
Und trotz dieser fehlenden Weiblichkeit — ein Spötter
einen Wunsch: den nach Ruhe und neuer, menschen¬
Krankenschwester hübsch und fein assistiert.
meint: deswegen — packt die Komödie vom ersten
heilender Arbeit. Er steht über der ganzen Angele¬
der zweite Akt bringt in deduktiver Entwil
Augenblick bis zum letzten, sie spannt, sie belustigt,
genheit. Er verbietet sogar jedes Rechismittel, ob¬
der dramatischen Konstruktion die nächsten Folg
sie gibt lang ausschwingende Stimmungen, sie kitzelt
wohl nachträglich der Hauptbelastungszeuge reuig
Tat Bernhardis. Die Hetze gegen ihn setzt an.
den Verstand. Alles in klug erfundener Symphonie.
umfällt. Das üble Erlebnis wird den Menschen und
Erscheinungen mischen sich ins Spiel. So ein
Ich sage: klug erfunden. Ich halte den Bern¬
Arzt Bernhardi um keines Haares Breite von dem
tinernder Frauenarzt, dessen glänzende Figur
hardi“ nicht für einen Höhepunkt des Dichters
Wege seiner Ueberzeugungen abgebracht haben. Piel¬
Reichardt lebensecht vorführt, und
Schnitzler, dessen elementarste, reinste Aeußerungen, leicht hat es nur seine Menschenkenntnis, die schon Studienfreund Bernhardis, jetzt Unterrichtsm