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S
25. PrBernhandi
OI2 191
Illustriertes Wiener Egirablatt, Wg¬
„Professor Hernhardi“ im Deutschen Volks¬
theater.
Gestern hatten wir zum ersten Male in Wien
Artur Sfünsaktige Komödie vom
„Pkofessor Bernhardi“, dem redlichsten
Arzte, der den aufrichtigen Mannesmut hat, dem
Priester den Zutritt zu einer ahnungslosen Sterbenden
zu wehren und sie ohne die Tröstungen des Glaubens
hinüberträumen zu lassen. Böswillige Entstellung.
hämische Mißdentung des Tatsächlichen briugen
das Opfer seiner ehrlichen Ueberzeugung, den
unpathetischen Märtyrer seines Pflichtgefühls vor
Gericht und ins Gesängnis. Niedertracht, Neid,
Strebertum üben an ihm ihre verwerflichen Künste.
Schnitzler hat hier ein Aerztestück geschrieben.
ein durchaus maskulines. Er kennt das medi inische
Metier von Grund aus. Urlebendige Typen aus der
Praxis stellt er hin; sie streifen die Karikatur,
verbleiben aber immer lebensmöglich, stehen
mitten in glaubhafter Wirtlichkeit. Mit größter
Kunst hat der Dichter sein Thema nach allen Seiten
hin vielfach gewendet, es immer in neue Be= und
Durchleuchtungen gerückt. Standesfragen werden zu
Kulturfragen, erweitern, erheben sich zu Menschheits¬
proviemen. Dabei wird das Stück bei aller wirk¬
samen, äußerst kunstvollen Hochführung doch immer
luftiger und anmutiger, steigt unbeschwert ins Freie
und Heitere auf zu einer subeimen Ironie.
Die Zensur — unseligen Angedenkens — wollte
das merlwürdige Werk selbstverständlich um keinen
Preis der Bühne freigeben — nun mag es getros
aufgeführt und beklatcht werden. Direktor Bernau
spielte selbst den Bernhardi und zeigte sich als wohl¬
geübter Darsteller, dem es bloß an Wärme des Tones
manchmal gebricht. Glänzende Typen stellten hier
die Herren: Homm a, Götz Kutschera.
Askonas,
(prachtvoll wie immer!). Fürth, Klitsch (eine
Art Devrient vom Weghuber=Park), Edthofer,
Onno (sein und würdig auf gefährlichem Posten),
Weiß, Golthaber und Stein. Die Kömödie
wurde mit einmütigem Beifall begrüßt, das Spiel
oft durch demonstrative Zustimmung Anterbrochen,
der Dichter ungezählte Male herausgrsubelt.
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Rundschau.
Roman“ der dem Förderer junger Talente, zu begnügen. Wenn man sich aber schon
bereit finden läßt, im Theater auf das Schau¬
Johann Freiherrn v. Chlumetzky, gewidmet
spiel zu verzichten, dann müssen die Vor¬
ist. Es ist ein Frauenschicksal, das sich vor
träge doch wenigstens so gewählt sein, daß
uns entrollt: die norddeutsche Frau Eva
sie irgendwie verwandt sindmit der dramati¬
Nikolsen steht zwischen dem temperamentvollen
schen Kunst, zumal in einem Hause von dem
Künstler aus österreichischem Adelsgeschlecht
weit ausladenden Prunk des Burgtheaters,
— man denkt bei dem mondänen Frauen¬
wo das gesprochene Wort ohne die Hilfe
maler an den Freiherrn v. Reznidek — und
der Gebärdensprache nur auf den festlichen
den braven Jugendfreund aus der Heimat.
Schwingen volltönender Pathetik zur Geltung
Diese Frau Eva ist aber doch ein wenig
kommt und wo einzig die beseelende Kraft
zu sehr Tugendspiegel, nicht immer geht es
der Frau Medelsky Teilnahme für zarte
bei den norddeutschen Damen, die sich im
lyrische Ergüsse zu erzwingen vermag. Darauf
Münchner Fasching von der heimischen Lang¬
scheint nun bei der Zusammenstellung der
weile erholen, so geradewegs auf Verlobung
Vortragsordnung nicht genügend Bedacht
und Ehe aus. Daß es bei Frau Eva nicht
genommen worden zu sein, und es war eine
soweit kommt, daran ist die leidige Geld¬
harte Zumutung an die Geduld der Zuhörer¬
frage schuld. Wenn es auch der Verfasserin
schaft, Herrn Korff Brentanos dramatisch
leider nicht völlig gelungen ist, dieses Motiv
wenig bewegte Geschichte „Vom braven
wesentlich zu vertiefen, die Typen aus der
Kasperl und dem schönen Annerl“ trotz ihrer
Welt des Café Stephanie und der Münchner
fünfviertelstündigen Dauer vorlesen zu lassen
Redouten — auch der Frühling im Eng¬
oder Frau Wohlgemuth mit dem Vortrag
lischen Garten und bein „Aumeister“ sind
von „Phantasus“, dem schwächsten lyrischen
stimmungsvoll geschildert. In diesen lebens¬
Gedichte Tiecks, und Fräulein Mayer mit
vollen Schilderungen liegt die Stärke der
der undankbaren Rezitation von Novalis'
Begabung Hermine Hanels, die sich noch er¬
„Hymnen an die Nacht“ zu bemühen. Noch
freulich entwickeln dürfte.
einige solcher Fehlgriffe, und es hat nicht
nur die Romantik versungen und vertan,
Wiener Bühnen.
sondern auch der pädagogische Ehrgeiz des
Die Weihnachts=Tombola der Wiener
Burgtheaters, Zuhörerschaft nur nach streng
Bühnen schien heuer reichlicher beschickt als
literarischen Gesichtspunkten für wohltätige
sonst. Das schien aber nur so, weil durch die
Zwecke zu gewinnen. Es ist ein anderes,
Drosselung der Vergnügungsstätten die
ob man eine Sache für sich im stillen Käm¬
dramatischen Gaben auf die wenigen Tage
merlein liest oder sie sich, umgeben von zer¬
der Spielerlaubnis zusammengedrängt wur¬
streuten Gesichtern, öffentlich vorlesen läßt,
den, so daß es an einem einzigen Abend zu
und selbst Goethe, mit dem wir ungleich
nicht weniger als vier Erstaufführungen und
besser vertraut sind als mit den halb= und
zwei Neuinszenierungen kam. Wieder gab
ganzvergessenen Romantikern, bedarf einer
es mehr Nieten als Treffer. Das gehört je¬
Auswahl auf den Vortragszweck-hin, wenn
doch zum Wesen des Glücksspieles und
er, vorgelesen, in die Ferne wirken soll. In
schließlich ist auch bei den besten Stücken
dem lieblichen Bestreben, seiner Vielseitigkeit
jede Erstaufführung ein Glücksspiel, handle
gerecht zu werden, wurde die Vortrags¬
es sich nun um ein Werk von Arthur
ordnung gar zu lehrhaft. Stücke wie „Meta¬
Schnitzler oder Ludwig Fulda, um die
morphose der Pflanzen" und „Metamor¬
Bühnenbearbeitung eines berühmten Romans
phose der Tiere“ erfordern eine besondere
von Tolstoi oder gar um die Umwandlung
Sammlung, die man sich nicht über¬
einer Prinz Eugen=Operette in ein Sing¬
all abzuringen vermag; denn es ist nicht
spiel, das die Wiener Revolution von 1848
gleich, wo man als Hörer sitzt, in der Urania
zeitgemäß „verherrlicht“ Zudem unternahm
oder im Burgtheater. Gleichwohl gab es
das Burgtheater an den beiden Weih¬
dankbaren Beifall für alle Mitwirkenden.
nachtsfeiertagen den Versuch, zugunsten seines
Das Deutsche Volkstheater konnte
Pensionsvereins Vortragsmatineen einzu¬
den Wienern zur Weihnachtszeit mit einer
bürgern. Der gute Besuch der beiden Ver¬
Frucht aufwarten, die ihnen doppelt be¬
anstaltungen — die erste war Goethe ge¬
gehrenswert schien, weil sie bislang behörd¬
widmet und die zweite wollte der Romantik
lich verboten war, und wenn die Zeichen des
huldigen — erbrachte den Beweis für die
Beifalls nicht trügen, hat es in Arthur
Bereitwilligkeit der Freunde des Burgtheaters,
Schnitzlers Komödie „ProfessorBernhardie
sich im Schauspielhaus auch mit Vorlesungen
endlich den großen Erfolg des Spieljahres
* Eva. Ein Münchner Roman von Hermine Hanel.
gefunden, um den es sich bisher vergeblich
Verlag Parcus & Co. München 1918.
bemüht hatte. Aus den rauschenden Kund¬
Alle drei erschienen bei Georg Müller, München.