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25. BrefessBernhand1
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Leistung, zumal im fünften Akt, bietet auch Herr Klitsch,
geistreiche und dramatisch meisterhafte Art durch fünf Akte
der diesmal auf alle Tenormanieren verzichtet und den
entfaltet. Erst das ungerechtfertigte, auch vom Standpunkt
Kothurn mit dem Lackschuh vertauscht. Er gibt den Minister
religiöser Empfindlichkeiten nicht zu rechtfertigende Verbot
Flint, einen jener Komödianten des Lebens, die Schnitzler
des Dramas hat einen tendenziösen Zug hineingetragen,
so meisterhaft zu entlarven weiß und, was eben das Meister¬
nicht zum Schaden der Wirkung, wie die Aufnahme im
hafte daran ist, mit ihren eigenen Worten. Ein reizendes
Theater erwiesen hat, wohl aber zum Nachteil der Gerechtig¬
Seitenstück hiezu ist der gleichfalls an berühmte Muster
keit. Um diese aber ist es dem Dichter vorzüglich zu tun,
erinnernde wienerische Hofrat Edthofers, einer jener
eben weil er ein Dichter und weil er der Dichter ist, als
anarchistischen Hofräte, die, eine österreichische Spielart des
den wir ihn verehren. An sich hätte ja das Problem zu
Anärchisten, vorzugsweise in den österreichischen Ministerien
einer parteiischen Gestaltung reizen können; man konnte
anzutreffen waren. Seinem Chef, Flint, gegenüber begründet
es im Sinne des Glaubens oder der Aufklärung entwickeln.
Hofrat Winkler diese seine Charakterschattierung damit, daß
Schnitzler tut keines von beiden. Er ist weder Verteidiger
man, seiner Meinung nach, als österreichischer Beamter nur
noch Staatsanwalt, sondern Richter, wie es der Dichter
die Wahl habe, entweder ein Anarchist oder ein Trottel zu
sein soll. Und vor seinem Richterstuhl behält jeder recht,
werden. Der Herr Hofrat liebt überhaupt die starken Aus¬
jeder von seinem Standpunkt, der Priester wie der Arzt.
drücke, und so sagt er auch zu Bernhardi, dem er in
Bezeichnenderweise ist die schönste Szene des Stückes die¬
witzigen Wendungen unrecht gibt, und der ihm erwidert,
jenige, in der diese beiden Vertreter einer im gegebenen
er, der Hofrat, würde an seiner Stelle nicht anders ge¬
Falle unvereinbaren Weltanschauung einander redend gegen¬
handelt haben: „Möglich. Da wär' ich halt — entschuldigen
überstehen und ein Ideenduell, das mit den feinsten akademi¬
schon, Herr Professor — grad' so ein Vicch gewesen wie
schen Wassen ausgekämpft wird, damit beschließen, daß sie,
Sie. Diese burschikose Schlußwendung — das letzte Wort
von Achtung füreinander bezwungen, einander die Hand
in Schnitzlers Drama — befremdet einen Augenblick lang,
reichen. Oder vielmehr: der Priester reicht dem Arzt, der
macht aber gleich darauf durch ihre Urwüchsigkeit lachen,
ihn beleidigt haben soll, als erster die Hand. Was er doch
wie der ganze fünfte Akt, der, als eine Art Scherzo, den
sicherlich nicht täte, wenn „Professor Bernhardi“ ein Tendenz¬
anderen nachfolgt. Man wird Schnitzler im Grunde für diese
stück wäre.
heitere Lösung seines Problems dankbar sein, um so dank¬
Der Priester ist Herr Onno, den Professor spielt Herr
barer, als dieses selbst schlechthin unlösbar ist. Es gibt,
Vernau. Zähmt jener zum erstenmal, sehr zum Vorteil
genau genommen, nur zwei Möglichkeiten, ein unlösbares
der Wirkung, seine Glut, so würde man diesem vielleicht
Problem zu lösen: die eine, daß man daran stirbt, und
etwas mehr Feuer wünschen, zumindest in den Anfangs¬
die andere, daß man darüber lacht. Schnitzler entscheidet sich
akten. Bernau spielt den Bernhardi, offenbar nicht ohne
als ein Wiener für die zweite Methode als die gemütlichere.
Absicht, wie jemand, der sich etwas mühsam und schwer¬
Ibsens „Volksfeind“ ist ein Schauspiel, Schnitzlers „Bern¬
fällig aus einem Sessel erhebt, um sich langsam aufzurichten
hardi“ eine Komödie, deren letzter Akt den Konflikt geist¬
und erst nach einer Weile aufrecht dazustehen. Immerhin,
sprühend zu einem erfrischenden Lachen verdampft. Das ist
im vierten Akt ist er so weit, und von da an steht er
R. A.
seinen Mann in machsendem Maße. Eine sehr erfreuliche das Wienerische daran.