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25. Professer Bernhandi
Leous Schaur-negden
A
enGaares ssursenss Tetroses-aussennerrraöae
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Berliner Börsen Kurier
Abend=Ausgabe
2 4.0All. 1930
Ausschnitt aus der Nummer vom:
liche besucht den Verurteilten, um ihm
Confidencen zu machen. Er hat seine
Theater in der Königgrätzerstraße:
Schuldlosigkeit eingesehen. Er glaubt in
Bernhardis Haltung Vorurteile zu ent¬
Protéssor Bernhardi
decken und zieht sein Geständnis zurück.
Schließlich kommt es zur Aussöhnung der
Ob sich ein Debattierstück Arthur
Meinungskontraste. Die Szene endet mit
Schnitzlers, das Situationen und Farb¬
einem Händedruck. Ihr Sinn, so nahe er
stoff altösterreichischen Verhältnissen ent¬
an eine Philosophie der Menschlichkeit zu
nahm, von Neuem behaupten würde, stand
kommen glaubt, bleibt problematisch. Es
nicht so sicher. Die Besorgnisse wurden
ist ein Spiel mit Worten. Vielleicht hat
durch die Aufführung widerlegt. Das
der Dichter unbewußt an eine Auffüh¬
Thema interessierte, der Aufmarsch wohl¬
rung im alten Burgtheater gedlacht, und
getroffener Charaktere und Strebertypen
an die Mentalität seiner Herren. Diese
ergah Wirkungen. Das Stück behandelt
Szene hätte ruhig wegbleiben können.
die Konflikte eines Klinikers, der einem
Eine dramaturgische Ueberholung des
Geistlichen den Zutritt zum Krankenbett
Werkes wäre überhaupt empfehlenswert.
verweigert. Er will eine ahnungslose Pa¬
Der Hauptkonflikt selber erscheint im
tientin, der nur noch ein paar Lebens¬
Entstchungsstadium gekünstelt. Man
stunden vergönnt sind, vor dem Todes¬
fragt sich, weshalb Prof. Bernhardi dem
schrecken bewahren. Es wird durch die
Geistlichen so schroff begegnet. Es fehlt
Voreiligkeit einer Krankenschwester ver¬
das zwingende Moment. Trotz schütterer
eitelt. Während der Auseinandersetzung
Voraussetzungen kommt es zu Konse¬
zwischen Professor Bernhardi und dem
quenzen. Sie werden lebhaft gezogen. Sie
Pfarrer meldet sich bereits der Tod.
ergeben Charakteristiken von Verhält¬
Diese düstere Tatsache der Verfrühung
nissen und Menschenart. Man sicht Klein¬
gibt dem Arzt recht. Der Zwischenfall
fanatiker des Rechtes, hemmungslose
wird zu Affairen aufgebauscht, die durch
Streber, Schacherer mit Gesinnung und
die Erfüllung parteiischer Wünsche bei¬
Vorteilen. Das Drama entwickelt sich
zulegen wären. Bernhardis Charakter
zur Komödie, die Witz und Temperament
widersetzt sich. Da er Jude ist, kommt as
vereinigt. In einem glänzenden Sitzungs¬
mit Hilfe des Parlamentes zum Prozesse
akt lösen sich Spannung und Laune ab.
wegen Religionsstörung. Der berühmte
Der Zuschauer wird erregt und kann da¬
Kliniker erhält eine Freiheitsstrafe, büßt
bei lachen. Im Abbild des alten Oester¬
sie ab und wird von seinen Anhängern mit
reich werden auch heutige Verhältnisse
Triumph abgeholt. Die Hauptbelastungs¬
getroffen. Anwesende Aerzte behaupten:
zeugin klagt sich nachher des Meineides
genau wie bei uns! Auch was über Par¬
an. Der Kampf ums Recht klingt in ein
lamentarier ausgesagt wird, klingt nicht
happy end aus.
zeitfern. Das Theater spiegelt sich in
Die günstige Aufnahme des Werkes
einer Affaire und das Publikum bestätigt
enthebt nicht der kritischen Revision. Als
ihm die neuerwachte Vorliebe für rhe¬
wortreich und pedantisch in der Charak¬
torische. von Wortduellen geschürte Auf¬
teristik der Hauptgestalt wurde es schon
tritte. Die Bühne, die nach Neuem darbt,
vor Jahren empfunden. Die Vollenergie
dreht sich wieder einmal um ihre Achse.
eines Kampfstückes wird durch diploma¬
Die frische Neuinszenierung Bar¬
tische Versuche gebremst, die Gegensätze
nowskys, der dem Werke schon vor Jah¬
in einer höheren Region der Betrachtung
ren ein Gesicht gab, ist erfolgreich be¬
auszugleichen. Entschiedenheit wird öfter
müht, den rhetorischen Ueberfluß zugun¬
durch die Dialektik umständlicher Sätze
sten der Komödie abzudämpfen. Ein ab¬
vertreten. Im vierten Aufzuge kommt es
zu einer merkwürdigen. Szene. Der.Geist-,I solutes, Pathos kommt nicht auf, cs ist in

den Temperamenten verhaftet. In der 5
Exposition wird einiges versäumt. Die
erste Begegnung Bernhardis mit dem
Geistlichen macht einen flauen Eindruck,
wodurch der Konflikt noch konstruierter
erscheint. Vielleicht lag es hier an der
Premierennervosität. Bis auf ein paar k
dilettantisch störende Typen bietet die
Regie eine Vielzahl von Gestalten auf,
die zur klinischen Atmosphäre passen,
jede Redewendung, jede Episode durcht
physiognomische Merkmale zu decken
wissen. Es geschicht ohno Aufdring-
lichkeit. Ganz vorzüglich spielt Er-K
win Kalser einen jüdischen Hitz-
kopf. Die Gefahren des Jurgons wer-
den von ihm durch Leidenschaft über-
rannt. Man spürt den Fanatiker. Sehrf
viel Spieleifer auch in den Figuren, dieg
von Felix Bressart und Heinz Salfner
aus der üblichen Episodencharakteristik;
lierausgehoben werden. Für Charakteri¬
stiken in anderer Richtung, in welchers
gemütliche Unverbindlichkeit zum Aus¬
druck kommt, wurden Paul Otto und Hör¬
biger angesetzt. Schon ihre Masken sagen
aus. Ihr Ton, das unerbittliche Pflegmag
ihres Spiels erzielen Illusionen der Wirk¬
lichkeit. Es sind Gestalten, die man er¬
lebt.
Mit der Figur Bernhardis erneuert Fritzt
Kortner den Respekt vor seinen künst
lerischen Fähigkeiten. Er spielt ihn mitt
bewundernswert schlichter, auffallend un¬
auffälliger Charakteristik, die sich aufg
glaubhafte Menschenart, auf ein von
Selbstvertrauen erfülltes Naturell kon¬
zentriert. Er ist sparsam in Ausbrüchen,
er distanziert sich zu der erregten Um¬
gebung, er begnügt sich mit Frontalan¬
griffen des Witzes und der überlegenen
Laune. In entscheidenden Momenten
bleibt die Vollkraft einer Kämpfernatur
nicht aus. Sie haben um so mehr Gewicht.
Um dieses geschlossene Spiel entstcht
Spannung. Das Theater wird reicher.
Emil Faktone