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25. Professon Bernhandi
führen. Wie in den meisten seiner Stücke bleibt
ganzer Erfolg und Tragik zugleich es ist, Undank
zu ernten.
Alfred Maderno.
auch hier nur eine gewisse ironische Resignation.
Aerzte polemisieren ...
Auch für seine Zeit konnte dieses Werk keine
Schnitzler: „Professor Bernhardi.“
Entspannung aktueller Krisen bedeuten. Seine
Gestalten jedoch, politische und berufliche Streber
Aus den Berliner Konzertsälen.
Theater in der Königgrätzer Straße.
mit wirkungsvoll abgestuften Temperamenten und
Strawinsky bei Klemperer.
Sobald Schnitzler den Rahmen des erotisch
Repräsentanten typischer Weltanschauungen und
pointierten Konversationsstückes sprengt, sobald
Lebensauffassungen, können in keiner Zeit und
Im vierten der von Otto Klemperer bei Kroll
unter keinem System an Lebensechtheit einbüßen.
er seine Menschen, die er ja immer aufs sorg¬
dirigierten Sinfoniekonzerte wurde Igor Stra¬
Sie bieten in ihrer unübertrefflichen Charakteri¬
winsky lebhaft gefeiert. Er spielte zum ersten¬
fältigste zeichnet, einer Tendenz unterordnet, die
sierung so dankbare Rollen, daß sie bei guter
mal den Solopart seines neuen Capriccios für
nur mit konsequenten Naturen durchzufechten
Besetzung f# die rhetorischen Breiten des Stückes
Klavier und Orchester, spielte ihn elegant, mit
wäre, sobald seine Ironie politisch und philo¬
vollauf entschödigen.
federndem Temperament, so daß das dreisätzige,
sophisch sich bis zur Kritik von Weltanschauungen
scheinbar leicht hingeworfene, in Wirklichkeit aber
Die Aufführung unter der Regie Victor
erhebt, verliert er als Klügler die Balänce des
ziemlich kniffliche Stück, unterhaltsam vorüber¬
Barnowskys verlief in jener echt österreichischen
Geistes, und der dramatische Konflikt ballt sich ihm
zog. Nicht ganz so amüsant war seine voran¬
Atmosphäre, die auch in erregten Momenten
aus der nächstbesten Situation, die er als Rou¬
gehende Ballett=Allegorie „Der Kuß der Fee“, die
immer noch eine gewisse Behaglichkeit aufkommen
un¬
Klemperer mit großer Hingabe den Hörern nahe¬
tinier immer geschickt zu erfinden weiß
läßt; sie zeigte ferner ein Aerztekollegium, wie
zubringen suchte.
Ein ziemlich wässer zes,
bekümmert darum, was aus dem Konflikt selbst
man es sich differenzierter nicht denken könnte.
schwach gewürztes Gericht mit einigen Brocken
wird.
Jede Maske, jede Geste bildete den Ausdruck
Tschaikowsky darin. Dem Gedächtnis dieses
einer, wie auch immer gearteten, durch und durch
In einem Wiener nichtstaatlichen Krankenhaus
Meisters hat Strawinski das Ballett ge¬
betonten Persönlichkeit. Da war Felix Bres¬
fordert der katholische Priester Zutritt zu einer
widmet. Es sei keine Bearbeitung Tschai¬
sarts Dr. Cyprian eine liebevol Erinnerung
kowskys, wie es in der (recht dürftigen) Pro¬
Sterbenden, den ihm der dirigierende Arzt jedoch
an den vergeßlichen Professor der „Fliegenden
grammbucherläuterung heißt, sondern ein „Ex¬
verweigert, weil er der Kranken, die sich des
Blätter“: Georg Schnell's Frauenarzt Dr. Fi¬
periment“.
Nun, Experimente gelingen ja
Ernstes ihres Zustandes nicht bewußt ist, die
litz, gepflegt, selbstgefällig, Emotionen nur aus
manchmal daneben und werden, wie hier, zur
rein persönlichen Interessen fähig. Emil Ma¬
Qual der Todesfurcht ersparen zu müssen glaubt.
Geduldsprobe. Ob die Zuhörer wohl so freund¬
melok, Heinz Salfner, Erwin Kalser und
Der Kenner österreichischer Verhältnisse der
lich Beifall gespendet hätten, wenn ihnen das
Harry Hardt — temperamentvolle Verfechter
Vorkriegszeit kann sich verschiedener Fälle er¬
Stück unter einem anderen Autornamen ge¬
der von ihnen vertretenen Anschauungen. Ganz
innern, in denen es zwischen Kirche und Arzt
Die G=Moll=Sinfonie

boten worden wäre?
schlicht, vielleicht etwas zu bewußt einfach Fritz
zu ähnlichen Konflikten gekommen war, die ihre
von Mozart beschloß den Abend.
Kortners Professor Bernhardi. Ohne Sieger¬
Ursache in der Regel in politischen Gegensätzen
pose im Bewußtsein ethischer Ueberlegenheit, aber
hatten und zumeist auf die gemischtsprachigen
doch zu sehr darauf bedacht, auch in der un¬
Ludwig Heß hat ein Ensemble von zwanzig
Grenzländer beschränkt blieben. Schnitzler über¬
umgänglichen Resignation die Würde und Größe
Gesangssolisten zusammengestellt, um mit ihnen
trägt gewinnen (Einzel-) Fall in den Bereich kon¬
der Persönlichkeit zu wahren. Paul Ottos
allerhand Rares aufzuführen. Der erste Abend,
Minister Flint war das ergötzliche Bild aal¬
fessioneller Gegensätze. Die eigentlichen ethischen
der vor einem großen Zuhörerkreis in der Sing¬
glatten, nach außen hin untadeligen Strebertums,
akademie stattfand, brachte deutsche, russische und
Beweggründe des Arztes werden von politischen
Paul Hörbigers Hofrat die Verkörperung
italienische Volkslieder und volkstümliche Ge¬
und persönlichen Feinden umgedeutet zu grund¬
einer Lebensweisheit, die trotz Vermeidung der
sänge ohne Begleitung. Es braucht kaum aus¬
sätzlicher Gegnerschaft gegen die christliche Reli¬
drücklich versichert zu werden, daß der ausge¬
letzten Konsequenzen auch ans Ziel gelanat, näm¬
gion. Eine Gerichtsverhandlung kinter der Szene
zeichnete Musiker (und gewandte Dirigent!) Lud¬
lich an die Grenze des gesellschaftlich Möglichen,
führt zur Verurteilung des Arztes wegen Reli¬
die auch vor problematischen Naturen nicht zurück¬
wig Heß alles auf das sauberste studiert hatte.
gionsstörung. Schnitzler verläßt den Boden des
Daß Solostimmen, je mehr Eigenprägung sie be¬
weicht. Ernst Stahl=Nachbaur gab den
Theaters, um in ausgesponnenen, wenn auch dra¬
sitzen, in kleinen Gruppierungen nicht recht ver¬
Priester, der den Menschen hin.er Berufspflicht
matisch belebten parlamentarischen Debatten die
schmelzen, ist eine alte Erfahrung, die sich wieder
und Standesvorrecht verbirgt, Rudolf Platte
bestätigte. Einen runden, angenehmen Klang gab
Sache einer höheren Menschlichkeit zu verfechten.
um noch einen Namen aus der Fülle durch¬
indessen (mancherlei Mißgeschick in der Intonation
weg verdienter Mitwirkender zu nennen — den
Trotzdem gelingt es ihm nicht, den Konflikt bis
typischen österreichischen Gschaftelhuber, dessen nicht gerechnet) das ganze Ensemble. Eine Reihe
zu einer wirklich überzeugenden Lösung durchzu¬
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