Faksimile

Text

Tinr Altucetan-
Schnhiees „Piofessor Bernhardi
eines Schauspielers, der die einmal gefundene Auffassung konsequent
durchführt.
Ich sagte schon, es ist eine glanzvolle Aufführung in der eine
Von
ausgezeichnete Leistung neben der anderen steht. Bressarts noble
Felir Hollaender.
Art zu charakterisieren, Kaisers eiserndes Bekennertum. Paul
Ein glänzendes, bis in die letzte Einzelheit ausgefeiltes Spiel
] Ottos unnachahmiiche Haltung verbunden mit dem Ausdrucks¬
erreichte im dritten Akt seinen Gipfel. Was dann im Stück noch
vermögen eines großen Herrn, Hörbigers-saftige Komik. ganz
herausgewachsen aus dem österreichtschen Charme, können gar nicht
folgt, ist unerheblich, ist weder theatralische, noch unbedingte dich¬
terisdh; Notwendigkeit.
genug gepriesen werden. Neben ihnen stehen beinahe gleichwertig die
Liegt wirklich schon ein so großer Zeitraum hinter uns, seit diese
Herren Heinz Salfner. Maximilian Wolf. Harry Hardt.
Komidie zum ersten Male aufgeführt wurde, oder altern die
Rudolf Platte. Emil Mamelok. Georg Schnell. Ernst
Prodleme noch rascher als die Menschen?
Stahl=Nachbaur in seiner Zurückhaltung und Schlichtheit und
Oder ist es überhaupt kein Problem mehr, daß der jüdische
Herbert Grünbaum. Von Rechts wegen müßte man den ganzen
Zettel abschreiben.
Leiter eines katholischen Krankenhauses unmöglich wird, sobald er
neit der Geistlichkeit zusammenstößt?
Barnowsky ist besser denn je in Form — man darf ihn zu
Schnitzlers Professor Bernhardi verweigert aus ärztlichen
dieser Aufführung beg.ückwünschen. Wenn der zweite Teil des
und menschlichen Gründen einem Priester den Zutritt zu einer
Abends ein wenig abflaute, so lag es an der Dichtung — nicht an ihm.
Sterbenden, die sich bereits in der Euphorie befindet. Er möchte ihr
Gesamteindruck: Es ist ein großer Publikumserfo'g, der sich in
den Schlaf in den Tod hinein erleichtern.
starten und echten Beifallskundgebungen äußerte. Regisseure und
Schauspieler dürfen immer wieder erscheinen.
Aus diesem sauberen Verhalten wird ihm von schmutziger Kollegen¬
schaft ein Strick gedreht, nachdem er vorher einen entwürdigenden
Kuhhandel abgelehnt hat
Die Rot der Theaker.
Scheint der Stoff bereits wirklich so abgetragen, daß er für den
Vom Vorsfand des Verbandes der deutschen
theatralischen Bedarf nicht mehr in Frage kommt? Ich für mein
gemeinnützigen Theater geht uns folgende u.ni¬
Tell glaube es nicht. Und schließlch kam es ja dem Dichter nicht
schliessung #u. die in der Mitglieder versammtung des Ver¬
bandes gejaset wurdes
allein darauf an, Rassengegensätze zu zeigen, sondern auch die
Grenzlinie zwischen wissenschaftlichen und religiösen Anschauungen
„Die oft wiederholte Behauptung, daß das Verwaltungspersonal
zu ziehen.
der Theater zu zahlreich sei, und daß durch die Kosten für dieses
Wissenschaft, die vom Christentum kommandiert wird, ist seit Nietz¬
Personal und durch die bureaukratische Schwerfälligkeit des Ver¬
sches Kritik undiskutabel. Der Dichter Schnitzler denkt allerdings
waltungsbetriebs die hohen Theaterdefizite bedingt seien, ist falsch.
Diese unrichtige Behauptung ist meist dadurch entstanden, daß in den:
nicht so unzeitgemäß. Er weiß, daß für die Kleinbürger, die die
Ausgabeübersichten die beamteten Orchestermitglieder und ebenso die
kompakte Majorttät bilden, hlei immer nech ein brennendes Pro¬
festangestell'en Mitglieder des technischen Betriebs in Unkenntnis der
blem vorliegt. Oder er wußte es zum mindesten, als er vor unge.
fähr dreißig Jahren se.n Drama schrieb.
#### den Verldattungsbeamien hinzugerechnet wurden. Aus
genauen statistischen Erhebungen geht ohne weiteres hervor, daß die
Und wenn man den gegenwärtigen Stand der deutschen Literatur
Ursache der schwierigen Lage der Bühnen — abgesehen von den all¬
überschaut, innerhalb dessen es Ehrensache ist, Gesinnungsstücke zu
gemeinen, außerhalb des Theaters liegenden Gründen — neben den
fabrizieren, so darf man unserem Antor nachrühmen, daß er mit
Bezügen der Prominenten in dem außerordentlich starken Anwachsen
geradezu genialem Instinkt die Mode von heute vorausgeahnt hat —
des Aufwands für die Kollektivgruppen der Theaterangestellten
nur mit dem Unterschied, daß hinter seiner Aufrollung von
(Orchester, Chor und technisches Personal) zu suchen ist. Der Aufwand
Tendenzen einer große künstlerische Kraft steht.
hier ür hat sich verdoppelt oder verdrei facht. während die
Sein Männerstück, das von jeder Erotik absieht, kommt aus der
Einnahmen meist nur in bescheidenem Maße haben erhöht werden
Richtung des „Kriel Acosta“. Es arbeitet mit den Begriffen von
können. Bei aller Anerkennung der sozialen Gebotenheiten muß
Humanität und sittlicher Unbeugsamkeit, spielt Reaktion und Dunkel¬
darauf hingewiesen werden, daß eine Erhaltung der Theater nur dann
männertum gegen Fortschritt und Toleranz aus.
möglich ist, wenn hier Besserung geschafsen werden kann, sonst treibt
Wir sind uns darüber klar, daß dies Rezept immer noch seiner
das deutsche Theaterwesen unvermeidlich der Katastrophe entgegen.“
Wirkung sicher ist.
Aber zugleich stellen wir mit Genugtuung fest, daß ein Gesinnungs¬
stück auch dichterische Werte bergen kann. Denn gerechterweise muß
man anerkennen, daß sie in Schnitzlers Spiel vorhanden sind. Er,
der selbst Fachmann ist, will eine ganze Schicht, die er aus dem FF
kennt, unter die Lupe nehmen, wobei er sie freilich schärfer auf ihre
okonomische als wissenschaftliche Einstellung hin untersucht.
Nadol Sontborlane
Gegen die Aerzteschaft hat bekanntlich schon Molière gewütet.
Jede Medizinflasche, jede Pille auf dem Tische seines eingebildeten
Heinrich George gegen Gustav Hartung.
Kranken gibt Kunde davon. Und Bernard Shaws ätzende Komödie
„Der Arzt am Scheideweg“ gibt die Charlatanerie der heutigen
Das Bühnenschiedsgericht verhandelte heute über die
Medizinmänner dem Gelächter preis.
Gagenklage, die Heinrich George gegen den Generalintendanten
So bitteren Trank wie seine Vorgänger verabreicht Schnitzler
Gustav Hartung angestrengt hatte. George forderte die Bezahlung
nicht. Das Thema wird bei ihm eingeengt und verbürgerlicht. Es
von 6500 Mark, die ihm Hartung mit folgender Begründung ver¬
geht nur noch um eine Handvoll armer Spießer, gegen die ein Ueber¬
weigert: Das Deutsche Theater habe sich im November an ihn mit
ragender den Kampf führt.
der Bitte gewendet, den Künstler für Hamsuns „Vom Teufel geholt“
Das ist es: den Menschen in diesem Stücke sehlt der geistige
freizugeben. Er sei diesem Wunsch sofort nachgekommen, und
Horizont. Sie betrachten die Dinge von einem so zugespitzten Ge¬
George müsse daher seine restlichen Gagenansprüche beim Deutschen
sichtswinkel aus, daß schließlich der Beobachter ebenso wie die Be¬
Theater geltend machen. George gab jedrch beim heutigen Termin
obachteten verschwinden.
an, daß er von den Verhandlungen zwischen den Reinhardt=Bühnen
Aber dem theatratischen Spannungsbedürfnis ist auf noble Art
und dem Renaissance=Theater nichts gewußt und auch nie mit dem
Genüge getan, auch wenn der anspruchsvollere Zuschauer heute
Deutschen Theater irgendwelche Verträge abgeschlossen habe. Er
mancherlei Einwände erheben kann. Zudem ist das Ganze in den
lönne sich an diese Bühnen um so weniger mit Gagenforderungen
ersten Akten vorbildlich gearbeitet, weist eine Fülle dichterischer Züge
wenden, als die Rolle in „Vom Teufel geholt“ später nicht von ihm.
auf „nd läßt obendrein erkennen, mit welcher Ueberlegenheit der
sondern von Eugen Klöpfer gespielt worden sei. — Das Gericht schloß
Schnitzler ####r verflessenen Epeche die Bühne beherrschte.
sich dieser Ansicht an und verurteilte Hartung zur Zahlung
Den Bernhardi kvielt Kortner. Er macht die Einfachheit zum
der 6500 Mark.
Prinzip. Er tut es bis zu einem Grade, daß er alles Feierliche in
Ton und Geste ausmerzen möchte. Nach meinem Geschmack geht er
Alexander Michael Szenkar der zuletzt während des Reinhardt¬
in seiner Enthaltsamkeit zu weit. Die Figur wird dank seiner schau¬
Gastspiels „Die Fledermaus“ im Theater am Nollendorsplatz dirigierte,
spielerischen Einsicht moderner, aber zugleich verblaßt sie auch in
wurde zu mehrmaligen Gastspielen an die Volksoper nach
ihren Grundfarben. Bewundernswert bleibt die Diszipliniertheit 1 Budapest eingeladen.