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25 Professer Bernhandi
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zu geben. Aber er gab es nicht, und die zehn Altesten kehrten
um und sagten: Noch nicht, aber fast. Und sie sahen,
daß er sich mit unreinen Dingen abgab, mit der sogenannten
Erotik. Das verdroß sie im Herzen und sie fragten: Siehe, warum gibt
dieser hier, wenn er schon nicht das Lustspiel gibt, nicht wenigstens
das ernste Schauspiel, das seriöse mit den sozialen Problemen, wo
man hineinführen kann die Tochter? Und er gab nicht das Lustspiel,
aber er gab das ernste Schauspiel, das seriöse mit den sozialen
Problemen und sie wollten hineinführen die Tochter, aber die
Zensur erlaubte es nicht. Dieses war Professor Bernhardi. Und sie
sagten: Seine erotischen Probleme haben bei aller Feinheit der
Psychologie nicht immer Wohlgefallen ausgelöst, jetzt aber, wo
er ernst ist und gediegen, wird er verboten? Sitzt Glossy nicht
im Beirat und gibt er nicht preis die Kunst dem Rotstift des Schergen,
der päpstlicher ist als der Papst? Soll es nicht erlaubt sein einen
Spiegel vorzuhalten, so lasset verschwinden Nathan und den Pfarrer
von Kirchfeld und die Perlen von unseren Bühnen. Wieso erblickt
man im Hauptproblem den Stein des Anstoßes, wo es doch einen
Kardinalpunkt der kirchlichen Lehre bildet? Die Kirche scheut
doch selbst nicht die röffentliche Darbietung des Konflikts zwischen
Dies- und Jenseitse, warum erlaubt man ihn nicht als Premiere im
Volkstheater? Ist es gerecht, wenn man auf der Bühne nur erlaubt die
Probleme des Ehebruchs, rals ob unser Liebes- und Eheleben aus lauter
solchen Späßen bestünde-? Der so fragte, war ein hervorragender
Rechtslehrer und er nannte sich so und verschwieg seinen Namen.
Denn die Stimme des Herrn gebot ihm, zu schreiben gegen die
geheime Fehme, wenn auch anonym, und den Satz zu schreiben von
den Gönnern, die zwar ihre schönen Namen gerne in den Dienst
einer humanen Sache stellen, die aber in dem Augenblicke sich
verkriechen, wo sie Männer sein sollene. Dieser hier aber verkroch
sich in dem Augenblick, wo er seinen schönen Namen in den
Dienst der humanen Sache stellen sollte, und tat es anonym, was den
Zweifel ausschloß, daß es ein Universitätsprofessor sei. Ich aber
sage euch, es gibt deren viele. Und keiner von ihnen ist, der
nicht bereit wäre, für die Überzeugung einzutreten, daß Gott die
Welt unmöglich in sechs Tagen erschaffen haben kann. Und
keiner von ihnen ist, der nicht bei der Vorstellung des -Professor
Bernhardie erschüttert wäre, aber unbewegt bei der Vorstellung,
daß vor dem Premierenpublikum des Deutschen Volkstheaters
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vom Sakrament gesprochen wird. Und keiner von ihnen ist,
der nicht bereit wäre, anonym die Behörde anzugreifen, weil sie
die Frage, ob der Priester im Sterbezimmer zu erscheinen habe,
kurzerhand durch die Verfügung eriedigt hat, daß er nicht vor dem
Auswurf der Menschheit zu erscheinen habe. Ich sage euch, es
gibt einen Typus, der verderblicher ist als Hunger, Pest und
Meer. Er nennt sich einen hervorragenden Rechtslehrer oder
eine besondere Seite, er kann ein Historiker sein oder
ein Nervenspezialist oder er muß auch nichts von Frauenleiden
verstehen. Er ist in jedem Falle ein Freidenker und hat einen
warmen Vollbart. Ist man sensibel, so kann man gegen den Typus
nichts unternehmen, weil man als Kindheitseindruck irgendeine
schäbige Maxime aus solchem Mund durchs Leben trägt und sich
noch in reiferem Alter von einem Bart, der sich einst über ein
Gitterbett beugte, gekitzelt fühlt. Ist man brutal, so sieht man in
solchen Attrappen den Feind, bereit, sie überall anzuspringen, wo
sie sich vor Kunst und Leben stellen. Diese Akkoucheure
jeglicher Banalität stehen noch immer mit ihren Umgangsformen
dem Geist im Weg. Viel mag von dieser Vollbärtigkeit im
Professor Bernhardi, im Helden, im Werk und im Dichter stecken,
nur daß hier als ornamentaler Hintergrund noch ein weites
Land dazugehören mag. Der Gedanke aber, der in die starrste
Konsequenz kirchlicher Formen verläuft, kommt von noch weiterem
her. Das Sterbesakrament beginnt noch nicht einmal dort, wo das
Sterbefeuilleton aufhört. Anonyme, aber hervorragende Rechtslehrer
sehen in diesen Dingen eine Gelegenheit, sich in die Mannesbrust
zu werfen, mit dem Voll- und Ganzbart zu protestieren, und sie loben
einen Causeur erst dort, wo er sich endlich auch thematisch in ihren
Horizont begeben hat und zum Leitartikel emporwächst. Denn Gott ist
ihnen etwas, was sich überlebt hat, die Weltanschauung des Vereins
katholisch Geschiedener ist ihnen etwas, was einen Dichter begehrens¬
wert macht, und das Geschlechtsleben, um das sie so sicher
Bescheid wissen wie um die Religion, ist etwas, was man nach
der Arbeit betreibt, aber kein eines ernsten Menschen (der im Leben
steht) würdiges Studium. Schnitzlers erotische Probleme haben nicht ihr
Wohlgefallen ausgelöst. Aber wasdenn auf der Welt sollte Wohlgefallen
auslösen, wenn nicht Schnitzlers erotische Probleme? Beunruhigt
haben sie noch keinen hervorragenden Rechtslehrer, selbst wenn sein
Eheleben aus lauter solchen Späßen wie Ehebruch bestünde. Es