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fes
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seine Situation bedroht erscheinen und mit einer jähen Wendung
entschließt er sich, Bernhardi aufzuopfern. Seine Antwort auf die
Interpellation schließt mit der Ankündigung, daß die Justiz¬
behörde gegen den Arzt eine Untersuchung wegen Religionsstörung
einleiten werde. Die Nachricht hievon dringt unter die eben zu
einer außerordentlichen Sitzung zusammenberufenen Arzte des
Elisabethinums und gibt Ebenwald den ersehnten Anlaß, seinen
Rivalen zum Rücktritt zu zwingen. Der Akt, in dem dies geschieht,
es ist der dritte der Komödie, in dem die beiden Gegner, vom
Chorus der Anhänger — hie Welf, hie Weibling! — umtobt,
aufeinanderstoßen, ist mit außerordentlichem dramatischen Geschick
aufgebaut und gehört zum Wirkungsvollsten, was Schnitzler
geschrieben.
Die Untersuchung führt zur Anklage und der Arzt wird in¬
folge der falschen Zeugenaussage der Schwester Ludmilla zu zwei
Monaten Kerkers verurteilt. Von dem Treiben seiner Gegner
angeekelt, verzichtet er auf weitere Rechtsmittel. In einer wunder¬
schonen und tiefergreifenden Szene, die man wohl als den Angel¬
punkt des ganzen Stückes bezeichnen kann, stellt der Dichter den
Verurteilten dem Urheber seines Unglücks, dem Pfarrer, wieder
gegenüber. Dieser selbst hat während der Gerichtsverhandlung eine
durchaus korrekte, ja zum Befremden seines Kirchenoberen, eine
dem Angeklagten fast freundliche Haltung gezeigt. Nun erscheint
er, einem inneren Drange folgend, bei Bernhardi, um ihm zu¬
nächst das Zugeständnis zu machen, daß auch dieser „als Arzt
vollkommen korrekt gehandelt habe, daß er innerhalb seines
Pflichtenkreises nicht anders handeln konnte, geradeso wie er, der
Pfarrer, innerhalb des seinen“. Aber im Verlaufe der Unter¬
redung wird es ihm — und ebenso Bernhardi — allmählich
offenbar, welch „abgrundtiefe, hoffnungslose“ Kluft, fernab von
jeder persönlichen Feindseligkeit, ihrer beider Art der Weltbetrach¬
tung trenne, den „vermessenen Geist“ des erdwärts zugewandten
Forschers und das „demütige, innere Gefühl“ mit dem der Priester
sich untrüglich und unmittelbar dem Unendlichen verbunden glaubt.
So scharf jedoch von beiden Seiten — und nicht ohne beider¬
die trennende Kluft beleuchtet wird, ein Ver¬
seitige Bitterkeit -
bindendes bleibt, ein schmaler Steg, der sie zueinander führt: das
Gebot der Religion des einen, „auch die zu lieben, die ihn hassen“
und das Gebot der Menschlichkeit des andern, „auch dort zu ver¬
stehen, wo er nicht verstanden werde“. Und so reichen sie sich —
„über den Abgrund hin“ — die Hände.
Mit dieser Szene ist der Höhepunkt des Dramas erreicht,
und der Dichter hätte vielleicht gut getan, mit ihr auch das Werk
zu beschließen. Denn was nun folgt, zumal im fünften Akt, bietet
wohl eine reiche Fülle geistvoller und funkelnd zugeschliffener
Appereus, vermag aber doch unser in den vorangegangenen Szenen
so stark erregtes Interesse nicht mehr voll zu befriedigen. Bern¬
hardi hat seine Strafe abgesessen und ist dadurch, ganz gegen seinen