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24. Das weite Land
Ausschpiltbausiaus Mähren und Schlesien
Brünn.
vom:
gerebiet
V Eine starke schauspielerische Persönlichkeit hat sich in
ganz überraschender Weise bei der Premiere von Artur
Schnitzlers Tragilomödie „Das weite Land“ — die
Buchausgabe des Werkes ist soeben im Verlage von S.
Fischer in Berlin erschienen — in Arnold Korff, dem
Darstellel des Fabrikanten Hofreiter, entpuppt. Einen
Teufeiskerl hat Kainz diesen lebensgierigen, von der
Jugend nur widerwillig Avschied neymenden Hofreiter:
genanut, und er hat noch in den letzten Monaten seines
Lebens an dieser ihm zugedachten Rolle studiert. Fühlte er
eine innere Verwandtschaft mit Hofreiter, der auch von der
Angst gejagt wird, vor der Zeit Abschied nehmen zu müs¬
sen? Es war ganz erstaunlich, wie Korff an und mit dieser
Rolle gewachsen schien! Auch die anderen Darsteller des
Burgtheaters hatten sich des Wiener Dichters mit der
größten Liebe und Hingebung angenommen. Trotzdem und
trotz der Anwesenheit Schnitzlers, der nach jedem Akt meh¬
rere Male für den gespendeten Beifall danken konnte, war
die Stimmung im Hause mehr die einer Enttäuschung, als
die der Begeisterung, die voriges Jahr bei „Medardus“
herrschte. Das Epische der figurenreichen, komplizierten
Handlung, deren Ziel bis zum Schluß nicht abzusehen ist,
verwirrte; die Wiederkehr der hohlen Fabrikanten=, Ban¬
kier=, Gesellschafts= und Tennis=Menschen aus dem „Weg
ins Freie“ machte keine rechte Freude, das ewige Einge¬
schlossenbleiben des Dichters in den ## von „Liebelei“,
„Sterben“ und Duellieren befremdete, und überdies hatten
die schönsten und feinsten Worte des Buches der Bühne
zum Opfer fallen müssen. Es ist ganz merkwürdig, daß
Schnitzler, der im Einakter wie auch im zwei und drei¬
gktigen Schauspiel mit so souveräner Knappheit arbeitet,
edesmal, wenn er an die große Tragödie herangeht, viel
u viele und viel zu zarte, subtile Dinge in die fünf Akte
usammendrängen will, so daß es all seine technische Mei¬
terschaft nicht verhindern kann, daß der Zuschauer die
übersicht und damit die Fähigkeit des Nachfolgens verliert.
Die Bezeichnung „Tragikomödie“ steigert noch die Un¬
icherheit des Lesers und des Zuschauers, der nie weiß, ob
er Dichter, wie es manchmal scheint, mit diesen, von sozia¬
en und metaphysischen Problemen unberührten, nur im
Frotischen das Rätsel des Lebens erblickenden Menschen als¬
Gleicher milempfindet, oder ob er, wie es weniger den
Anschein hat, wie man es aber lieber sähe, diese enge Welt
von Tennis, Automobil, Flirt, Dolomitenhotel, Ehebruch
und Spritztour nach Amerika von einer höheren Warte
aus betrachtet ...
Ausschnitt aus:
Wiener Hausfrauen Zeitung, Wien.
vom:
226
Kleine Theaterplandereien.
Wien, 20. Oktober 1911.
Die erste Sensationspremière im Burgtheater in der jungen
Saison! Schon äußerlich ist sie wahrzunehmen; an den Schaltern der
Kassen hängen die Tafeln „Ausverkauft!“ im Vestibül staut sich eine
festlich toilettierte Menge und Wagen auf Wagen rollt heran, um das
Publikum ##Artur Schnitzlers Premi### bringen. Der Tragikomödie
„Das weite Land“ ging ein guter Ruf voraus, und nun sollte das Werk
zum erstenmal über die Bretter gehen. Sobald der Vorhang sich hebt.
tritt lantlose Stille ein und gespannt folgt man den Vorgängen auf der
Bühne. „Das weite Land“, das ist die Seele, in welcher alles drunter
und drüber geht, welche bald lustig, bald traurig ist, es ist die Seele,
über die zu gebieten wir keine Macht haben. Dies will der Dichter uns
in seinem Werte beweisen. Er zeigt uns einen Fabrikanten, der seine
brave Gattin unheimlich findet, weil sie den Lockungen eines „Dritten“
nicht Gehör geschenkt, und der das nächste Mal den Liebhaber im Duell
erschießt, da die Gattin den ihm verständlicheren Ehebruch wirklich be¬
geht. Rätselhaft ist dieses weite Land der Seele bei ihm wie bei ihr,
rätselhaft auch alle anderen vorkommenden Personen aber vortrefflich
sind sie alle von Schnitzler gezeichnet worden. Dies sowie auch die voll¬
endete Sprache des Werkes entschied den Erfolg des Abends. Die männ¬
liche Hauptrolle lag in den Händen Herrn Korffs, der, da en dieselbe
meisterhaft durchführte, sich dadurch in die erste Reihe der Burgtheater¬
größen einfügte. Lilli Marberg gab die schwierige Rolle der sündig ge¬
wordenen Frau mit tiefer Empfindung, und auch die Damen Devrient=
Reinhold und Bleibtren sowie die übrigen Mitwirkenden sind nur lobend¬
zu erwähnen. Die Sensationspremière endete, wie schon gesagt, mit
starkem Beifall und der Dichter konnte wiederholt für densesben—
danken.
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