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24. basteLand
Frankfurter Zeitung
15 10. 191
Uraufführung von Schnitzlers „Das weite Land“.
h Berlin, 14. Oktbr., 11.40 N. (Priv.=Tel.) Arthur
Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ wurde
im Lessingtheater mit Interesse und Anteilnahme
aufgenommen; ohne daß man von einem rechten Erfolge
sprechen könnte. Das weite Land ist die Seele des Mannes,
in der alle Möglichkeiten beieinander sind. Eine jener bruta¬
len Männergestalten steht im Mittelpunkt des Stückes. Aus
derben Lebemannsinstinkten heraus betrügt er seine Frau
mit einer Geliebten nach der andern. Es ist ihm unverständ¬
lich, ja es stößt ihn ab, daß seine Frau einen seiner Freunde
lieber in den Tod gehen läßt, als daß sie ihm willfährig ge¬
vesen wäre. Und als seine Frau dann doch mit einem an¬
dern die Ehe bricht, fordert er den Liebhaber und knallt ihn
laltblütig nieder.
Das Drama setzt mit feinster Seelenmalerei stimmungs¬
kräftig ein, der dritte Akt aber ergeht sich in Nebensächlich¬
eiten. Die beiden Schlußakte weisen jene kalte psychologische
Rtechenkunst auf, der Schnitzler leicht verfällt. Man kann
agen: Aus seelischer Psychologie wird psychologisches Theater.
die Aufführung des Lessingtheater krankte daran, daß
derr Monnard die Hauptgestalt mit groben Mitteln etwas
ehr absichtlich und unfein gab: sie war im übrigen fein ab¬
jetönt und künstlerisch. Frau Triesch, Frl. Herte¬
), die Herren Reicher, Marr und Stieler boten
rlesene Lerstungen.
Mönigsberger Hartungsshe Zeitung
Mö1 M
Schnitzler-Premiere.
r. Berlin, 14. Oktober. Schnitzlers. Tragik
(weite Land“ die heute wie in Wien, Hamburg und
Orten im Lessingtheater ihre Erstaufführung
erst freundlich, vom dritten Akt ab aber kühl aufgenomm
über alles Lob erhabene Aufführung mit Irene 7
Monard, Emanuel Reicher, Ilka Grüning, der ##
rettete den Abend. „Das weite Land“ ist eine Menschen
ihren Rätseln und Widersprüchen.
Wie uns unser Wiener F.=Korresponden¬
Schnitzlers „Das weite Land“ im Burgtheater lebhaft
lich aufgenommen.
Ausschnitt aus
bg
(ztu - ae 1744
Theater und Kunst.
Lessing=Theater. Zum ersten Male: „Das weite Land“.
Tragikomödie in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
Das weite Land ist die menschliche Seele. Wer vermag in sie
hineinzuschauen, ihren geheimen und geheimsten Regungen nachzu¬
spüren, sie zu ergründen in allen ihren Tiefen? Dieses Problem
behandelt Schnitzler in seinem neuen Werk. Natütlich auf seiner
Weise. In seinem geistvollen Plauderton, der die denkbar größten
Nichtigkeiten hoch heraus zu hehen vermag und der über Probleme
tiefgründigster Natur mit glatter eleganter Leichtigkeit hinweg
gleitet. Er zeichnet wieder mit festen Strichen Menschen aus
jener Welt, in der man sich nicht zu langweilen pflegt. Im Mittel¬
punke seiner Plauderei den verheirateten Wistling, die rohe, ge¬
walttätige Herrnnatur, die skrupellos von Genuß zu Genuß taumelt,
die vor dem brutalsten Eingriff in die Rechte eines andern nicht
zurückschreckt, der selbst des eigenen Freundes Besitz nichts gilt, wenn
es darauf ankommt, sein Ziel zu erreichen. Die Seele ist ein
weites, unerforschtes Land. Denn dieser skrupellose Genußmensch
bäumt sich auf, wenn ihm gleiches mit gleichem vergolten wird.
Er, der tausendmal die Treue lachenden Mundes bricht, greift bei
dem kleinsten Einbruch in seine Rechte zur Waffe und knallt den
anderen nieder. Ists Liebe, gekränkte Eitelkeit, der Gedanke an
die verletzte Ehre? Wer vermag in der Seele des Menschen zu
lesen! Und ihm zur Seite steht das Weib, das ihn liebt, das in der
Hoffnungslosigkit sich ihres Besitzes zu erfreuen, sich wegwirft, ein
Opfer seiner eigenen Gewissenlosigkeit. Hübsch ist das Bild gerade
nicht, nicht klar und rein der Spiegel, in den Schnitzler sein Publi¬
kum hineinschauen läßt. Daß er wahr, mit charakterstischen Strichen
malt, wer könnte das bezweifeln.
Die Aufführung, von Emil Lessing mit seinem
Verständnis für seine Aufgabe, inszeniert, mag Schnitzlers
Absichten recht nahe gekommen sein. Man war auf den richtigen
Ton gestimmt. Die beiden Hauptrollen lagen in den Händen von
Heinz Monnard und Irene Triesch. Beide lösten ihre
Aufgabe restlos. Er, der gewissenlose Lebemann und Verführer,
sie, die Gattin, die sich mit allen Kräften einer ehrlich empfindenden
Natur gegen ihr Schicksal wehrt, bis sie hoffnungslos unterliegte
Hilde Herterich gibt die Halbjungfrau, die dem Zaber,
der Gewalt der Herrennatur unterliegt, mit jener Dosis von
Lüsternheit, die seinen Sieg nicht allzu schwer macht. Hans
Marr, der Freund, der resigniert zurücktritt. Alles andere ist
Staffage, Typen aus der Lebewelt, leichtherzige Offiziere,
schwatzende alte Weiber, Naturburschen, Trottel und bequeme
Ehemänner. Die beiden ersten Akte sind im ganzen genommen
recht langweilig, es wird zu viel gesprochen, man weiß nicht recht,
worauf Schnitzler hinaus will. Mit großer Kunst aber versteht
er dann, die Handlung spannend zu gestalten. Der Beifall war
nach den beiden ersten Akten lau, dann wurde er von Akt zu
3.
Akt wärmer.