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24. Das weite-Land
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Das weite Land. Ein Halbdutzend deutscher Bühnen, Brahms
„Lessingtheater“ darunter und die Wiener Burg, hat Artur Schnitzlers
neue Tragikomödie „Das weite Land“ jetzt aus der Tause gehoben.
Und fast überall stand man respektvoll bei dem Akt, hörte respektvoll
Abermals sind's
zu und aufmerksam und fröstelte ein wenig ...
echte Schnitzlersche Menschen, poselos vom Leben nebeneinander=,
zueinander=, gegeneinandergestellt, alle tragen sie, unverschminkt durch
Sympathie oder Widerwillen, Gesichter voll unausdringlicher, stiller
und rücksichtsloser Wahrhaftigkeit ihres Wesens und Wollens, alle
zugleich sind einheitlich belastet von wienerischer Daseinsatmosphäre.
Es ist kein Stück von der Ehe, kein Stück von zertrümmerten Ehen,
deren hier mehrere trüb vorüberrollen, auch ist's kaum ein Stück vonder
Liebe: vielleicht vom Unbegreiflichen in der Liebe, wenn's die Männer
trifft, und von ihren Zerstörerkräften, die ohne äußere Knallesselte
lautlos tödlich wirken können. Die Figur des reichen eleganten
Wiener Fabrikanten Friedrich Hofreiter, der die Frauen nimmt,
zynisch und liebenswürdig nimmt, wo sie ihn locken, der's nicht be¬
greift, daß sich um der Tugend seiner eignen Frau willen ein
hoffnungsloser Musiker erschoß (wohlgemerkt: die grausame Tugend
— kurz, dieser ganze Hofreiter, der
seiner Frau begreift er nicht),
dann widerspruchsvoll mit seiner lächelnden Moral und plötzlich
eigensinnig verletzt in seiner Gatteneitelkeit einen resigniert erhörten
Liebhaber seiner müden Frau im Duell kaltmacht, ist gar nicht der
wirkliche, innerste Sinn der Schnitzlerschen Tragikomödie. In ihrem
Silhonettenreigen ist er nur ein Bild, ein Bild für sich, an dem die
psychologischen Retusthen reizten, übrigens ganz und gar ein wiene¬
risches Bild: so ein merkwürdiger, rauschgierig durchs Leben treibender
Kerl, der männliche Raublust, Schwachheit, Laune, Hohn, bestrickende
Weichheit, Schmiegsamkeit, fast kindliches Spielverlangen, mord¬
bereiten Haß, spöttelnde Sentimentalität und sentimentale Spott¬
sucht in abenteuerlicher und wienerisch bedingter Nachbarschaft hält.
Freund Anatols schärfer angefaßter, unsympathischerer Vetter
Aber zum Sinn von Schnitzlers Spiel trägt er bloß als Teil im
Ganzen ein Bruchstück bei; dieser amüsante, philosophische Hotel¬
direktor Aigner, der vor Jahren mit seiner Gattin zerfiel und in
seinem Hotel am Völser Weiher galant Eroberung auf Eroberung
häuft, verkündet im Vestibül zwischen Gongschlägen und Flirt¬
bemühung die stille, Schnitzlersche Nachdenklichkeit: „Warum ich sie
Sollt' es
(seine Frau, die Schauspielerin) betrogen habe —?
Ihnen noch nicht aufgefallen sein, was für komplizierte Subjekte
wir Menschen im Grunde sind? So vieles hat zugleich Raum in
Treue und Treulosigkeit ... An¬
uns —! Liebe und Trug ...
betung für die eine und Verlangen nach einer andern oder nach
mehreren. Wir versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so
gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches.
Das Natürliche ... ist das Chaos. Ja — mein guter Hofreiter,
Und so ziehen sie alle vorbei
die Seele ist ein weites Land..
in diesem Stück, der Hoteldirektor und der Lebemann=Fabrikant,
die Alten und die Jungen, die Männer und die Frauen, mit ihren
wilden und unerlaubten Wünschen, die schrunkenlos sind und sich
durchsetzen, todwund machen und verspielen. Sie alle wollen viel¬
leicht ehrlich „Ordnung schaffen“: sie alle irrlichterlieren, völlig um¬
strickt, hilflos getrieben, im weiten Land .. . Und selbst Frau
Genia, die Edle und Reine und Zerbrochene, sagt's hoffnungslos
zuletzt zu einem leidgestreiften, herb gewordnen Freund: „Nehmen
Sie's nicht gar zu schwer. Es wäre doch lächerlich, wenn Sie, ein
Mensch, der das Leben von seiner ernstesten Seite kennt, dergleichen
Spielerei und Spiel wichtig nähmen. Liebessachen sind nichts andres,
Doktor, glauben Sie mir. Und wenn man erst drauf gekommen
ist, sie sehr lustig anzusehen, — und mitzumachen.“ Nachsichtig
steht Artur Schnitzler mitten im Reigen, im Girren und Sichzer¬
fleischen, dennoch ein schwermütiger Zeichner all dieser unverschleiert
erschauten und unversärbt reproduzierten Lebenstatsächlichkeiten.
Sein Drama hat als Bühnenwerk weder in Berlin, noch in der Burg
noch irgendwo seine Hörer leidenschaftlich mitfortgerissen. Die
„Handlung“ sehlte, die „Spannung“ und der eigentliche „Held“:
der versteckt gleitende Ringeltanz des nackten Lebens, der Aufzug
all der wohlerzogenen, in ihren Formen, in ihrem Begehren äußerlich
geräuschlosen, sorgsam geseilten Schnitzlerschen Menschen steht seind¬
lich gegen jede donnernde Emotion. Aber von dem Stück, das
jenseits von Gut und Böse so tapfer gegen die baualen Sympathie¬
bedürfnisse des Publikums geschrieben ward, nahm man doch neben
der Nachdenklichkeit noch den Persönlichkeitsglanz des Dichters mit:
wie er die „tragikomischen" Dinge, die Hermann Bahr etwa zum
Schlusse mehr heiter=komisch, Bernhard Shaw skeptisch=ironisch ge¬
raten, aus scheinbarer Lustigkeit, scheinbarer Komik mit melancholisch
bewegter Betrachtung zu jener weitmenschlichen Tragödie hinüber¬
führt, die sie in Wahrheit sind mit ihren schmerzlich lächelnden,
gefühlsverschämten und gegen den eignen Verstandeswillen macht¬
Karl Fr. Nowak.
losen Liebesopfern.

Belblatt
Redaktion und Expedition: Berlin SW 68
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mit ansehen. Dabei wird die Gelegenhalt benutzt, dem Zuschauer
die innere Einrichtung eines solchen Unkerseebootes vor Augen zu
führen. Die Hebung des gesunkenen Bootes gelingt mit Hilfe
eines Hebeschiffs, und zur Feier der Mettung findet ein Schlußbild
auf dem Panzerkreuzer „von der Tenn“ ein großes Fest statt, bei
dem die Marineabteilung der Berlicker Jugendwehr sich in militäri¬
schen Exerzitien glänzend bewährt.] Hervorzuheben ist vor allen
das dritte Bild „Die Wunder der Ziefsee“ das das Leben auf dem
Meeresgrunde und den Kampß der Taucher mit den Meeres
ungeheuern sehr gut veranschamicht. Die Tänze des Ballettkort#
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Kunst und Wissenschaft
Lessing=Theater
Das weite Land Tragikomödie in fünf Aften von Arthur
Schnitzler.
Schnitzlers melancholische, graziöse Kunst verleugnet sich —
leider — auch in seinen Dramen nicht. Ja, es scheint, als ob ihr
je länger, desto mehr auch in seinen Bühnendichtungen die führende,
alles andere überdeckende Stimme zugeteilt werden soll. Leider!
Denn Schnitzlers Dramen leben dann nur durch feine Stimmungen,
und dieses Leben ist dementsprechend ein zartes, leis blühendes,
das man behutsam pflegen muß. Daran ändert im neuesten Fall
die Tatsache nicht, daß der Dichter einige Lustspiel= beinahe Possen¬
typen hineingestellt hat, so den ewigen Tennisspieler (der mit
seinen stereotypen Bemerkung allmählich auf die Nerven fällt), so im
Dolomitenhotel den todmüden Touristen, der von der Hotelglocke
aus dem Schlaf aufgeschreckt wie vor tausend Teufeln „über die
ganze Bühne“ zur Tür hinaus flüchtet. Dramen Schnitzlers aus
den letzten Jahren heißen „Der einsame Weg“, „Der Ruf des
Lebens", „Das weite Land“ Lyrische Titel, nachdenkliche Titel.
„Das weite Land der Seele“ ist ein verschwimmendes Land, in
dem sich Schnitzlers kontemplative Schilderungen mit ihren feinen
Kanälen verlieren. Er ist der Maler der Zwischenfarben, der##
Dichter der Zwischenspiele und Zwischenstufen, der verwischenden
Grenzen. Und fast immer handelt es sich bei ihm um das Liebes¬
leben. Bei Schnitzler ist „ihr ganzes Weh und Ach von einem
Das Werk ist soeben in S. Fischers Verlag, Berlin, in
Buchform erschienen.