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box 29/1
24. basteLand
Ausschnitt aus:
ORESDNER ANAEIGRR
„Som: 1911
Theater und Mustr
* Arthur Schnitzlers Tragikomödie Das weite Land.
Vien, 14. Okt.-Ju-Bertin und Wien, München, Prag und
noch einigen Stadten wurde heute das neue Werk Arthur
Schnitzlers gleichzeng gespielt. Ich zweifle, ob diese Tragi¬
komödie eine Entwicklung des Dramatikers Schnitzler be¬
deutet. Eher scheint mir dieses Werk zurückzuführen zu
früheren Dichtungen; zum Zwischenspiel und zum Ein¬
samen Weg, dessen tiefgründig nachdenkliche, kompliziert
verinnerlichte Art sich hier wiederfindet. Auch hier handelt
es sich um die Tragik des innerlich Einsamen und Altern¬
den. Der Fabrikant Hofreiter lebt mit seiner jungen Frau
Genia in einer Villa in Baden bei Wien. Der erste Akt
setzt mit einer echt Schnitzlerschen Stimmung ein: die
Hauptfiguren kommen von dem Leichenbegängnis eines be¬
rühmten Pianisten, der sich erschossen hat. Man führt nach¬
denkliche und gleichmütige Gespräche über den Tod und
stellt Vermutungen über die Ursache des Selbstmordes auf.
Man glaubt allgemein, der Pianist habe sich aus un¬
befriedigtem Ehrgeiz das Leben genommen. Nur Hof¬
reiter ahnt einen anderen Grund. In einem Gespräch mit
seiner Frau wird die Ahnung zur Gewißheit. Der Pianist
hat sich aus unglücklicher hoffnungsloser Liebe zu Genia
umgebracht. Sie selbst zeigt ihrem Mann einen Brief, den
der Pianist eine Stunde vor seinem Selbstmord an sie ge¬
richtet hat. In den übrigen Szenen des ersten Aktes
werden die sonstigen Figuren des Stückes eingeführt: eine
Frau Wahl und ihre Tochter Erna, ein junges kluges
Mädchen, eine Schauspielerin und ihr Sohn Otto, ein
junger sympathischer Marinefähnrich. Hauptsächlich wird
aber das Verhältnis der beiden Ehegatten zueinander
charakterisiert. Er betrügt Genia fortwährend und sie er¬
fährt alles. Aber es ist ihr gleich, denn sie denkt nicht daran,
sich zu rächen. Hofreiter jedoch kann den Zwischenfall mit
dem Pianisten nicht vergessen. Es ist ihm ein unerträg¬
licher Gedanke, daß jemand gestorben ist, weil seine Frau
so unerbittlich und tugendhaft war. Er braucht einen Orts¬
wechsel und fährt in die Dolomiten. Dort, in einem Hotel:
am Völser Weiher, spielt der dritte Akt. Hier treffen mit
Ausnahme von Genia alle Figuren des Stückes zusammen,
und Hofreiter begegnet auch Erna, in die er sich verliebt
hat.
In der Nähe des Ortes gibt es einen Turm, den
Aigenturm, von dem vor 15 Jahren ein Freund Hofreiters
abgestürzt ist und seither hat sich niemand mehr getraut, den
Turm zu besteigen. Hofreiter wagt es, und zwar in Ge¬
sellschaft Ernas. Er will sich von seiner Frau scheiden
lassen, um Erna zu heiraten. Sie küssen sich, und sie sagt
ihm, daß er heute nacht ihre Tür offen finden werde. In¬
zwischen hat Hofreiters Frau Genia in Baden mit jenem
Fähnrich ein Verhältnis begonnen. Die Sache kommte
Hofreiter in skandalöser Weise zu Ohren, und obwohl ihm
die Angelegenheit ziemlich gleichgültig ist, muß er sich mit
dem Fähnrich schlagen. Er erschießt ihn im Duell und da¬
mit ist das letzte Band zwischen den Ehegatten zerrissen.
er will verschwinden nach Amerika, irgendwo ins Un¬
bekannte. Er fühlt sich zu alt, er weicht vor der Jugend,
die er in dem Auge des sterbenden Fähnrichs aufblitzen
sah.
Das Stück ist von einer nachdenklichen, resignierten
Stimmung erfüllt, die man im ersten und vierten Akt am
stärksten spürt. Die packendste und dramatischste Szene des
Werkes enthält der fünfte Akt: die Rückkehr Hofreiters vom
Duell und sein Zusammentreffen mit der Mutter des Ge¬
töteten. Am meisten äußerliche Bewegung und Handlung
enthält der dritte Akt, der in dem Dolomitenhotel spielt.
Hier gibt es auch sehr viel episotistisches Füllsel, von dem
manches ziemlich konventionell und lustspielmäßig an¬
mutet. Aber manche dieser Nebenfiguren sind sehr eigen¬
artig, zum Beispiel der philosophische und gebildete Hotel¬
direktor, und er spricht auch das Leitmotiv des Stückes aus:
Die Seeke ist das weite Land.
Ein Brief des Aschylus über #ie Orestie. Der Ber¬
ift: „Wie ichteßer
liner Lokolanzeiger erhält folgende 3
Ausschhitt aus:
vom, 18 10. 191; St. Petersburger Zöitung
piel Sicherheit, Ung
Theater und Mulik.
zeichnen. Einen sehr
Ballett Frl. Bolschalo
Ballett. Giselle; mit Frl. Pawlowa.
Man hat sich von die ser Vorstellung sehr viel versprochen
und ging doch schließlich etwas enttäuscht aus dem
Im Marien¬
Theater heraus. „Giselle“ ist fraglos die Glanzrolle von
den 6. Oltober außer
Frl. Pawlotog und die Ballerina hat in diesem Ballett
der Oper „Boris G
stets wirklich unübertroffene künstlerische Erfolge erzielt;
D. A. Smirnow
es ist daher ganz unverständlich, warum die Dame jetzt
Freitag den 7. O
mit einemmal eine andere Auffassung der Rolle gibt.
Am Donnerst
Als Kulminationspunkt der dramatischen Ezenen in
Vorstellung des 2.
diesem Ballett igilt natürlich die Wahnsinnsszene und
und Ludmila“ zu
gerade an dieser Stelle hat es Frl. Pawlowa stets ver¬
Am 1. Sym
standen die realistische Wiedergabe im Spiel mit der
schen Musik=Gesellsc
Plastik in ein harmonisches Ganzes zu vereinigen, so daß
tung von W. J. Ssa
die an und für sich prachtvollen, aber zu sehr naturali¬
Konzertprogramms den
stischen Töne im Spiel am letzten Abend ganz unver¬
Jahres verstorbenen
ständlich waren. Im Ballett muß die mimische Wieder¬
Johann Svendse
gabe stets plastisch bleiben, insbesondere in solch einem
Andante funèbre“,
Ballett wie „Giselle". „Giselle“ gehört zu den alten
Svendsens gespielt wur
Tanzdichtungen, in denen sich die Handlung und die
phonie „Harold“ von
Helden durch ihre schlichte, naive Auffassung und primi¬
Hermann¬ Meer
tive Psychologie auszeichnen; dem entsprechend müssen
Concertgebouw=Orcheste
auch die krassen Töne der dramatischen Wiedergabe pla¬
stisch abgeschwächt werden. Eine so natürliche Wieder¬
7— „Das weite ###
gabe der Wahnsinnsszene, wie Frl. Pawlowa sie am
on Artbux
letzten Abend gegeben hat, ist hier nicht am Platz, sie
wirkt disharmonisch, denn man wird von der ganzen
Seeeaete
Handlung, von der ganzen schlichten Entonrage absolut
München war der Erso
gar nicht zu dieser Szene vorbereitet und man kann nur von
das Publikum etwas
Herzen wünschen, daß Frl. Pawlowa auch für die Zu¬
Lessing=Theater kam
kunft die „Giselle“ bleibt, die wir stets an ihr be¬
d’éstime, was wohl au
wundert haben. Es erübrigt sich wohl zu sagen, daß in
der Hauptrolle durch
den Tanzpartien auch am letzten Abend Frl. Pawlowa
„Das weite Land“ ist
ganz Hervorragendes geleistet hat und mit ihren duftigen
der Held des Stückes,
eleganten Tänzen einen äußerst günstigen Eindruck hinter¬
lichem Eiser betreibt.
lassen hat.
tion des Anatol=Typus
alternder Anat ol, der d
Im allgemeinen waren diesmal die sonstigen Partien
Drang bald ein Ende h
in der „Giselle“ nicht besonders glänzend besetzt. Frl.
Kräften gegen dieses En
Gerdt ist in der Partie der Königin der Willis entschieden
der besten, die Schnitzle
nicht am Platz; der Dame geht vor allem das Majestä¬
reiter im „weiten Lan
tische gänzlich ab, die Tänze sind zu farblos. Im Tanz
macht, verzehrt sich sein
des Frl. Smirnowa ist viel Akrobatik, aber wenig Eleganz
Liebe zu ihm. Um
und Grazie vorhanden. In dem am Anfang gegebenen
Iwan Kosakoff zurückgen
Einakter „Floras Erwachen“ trat Frl. Will auf. Ob¬
mord veranlaßt; Hofreite
gleich die Partie der Flora zu den ersten größeren Rollen
daß ihre „Tugend“ ein
von Frl. Will, die vor einigen Jahren in dieser Partie
gewesen. Par dépit gib
debütierte, gehört, verbleibt sie bis heutzutage als die fähnrich Otto v. Aigner
beste Leistung der Dame. Im Tanz der Künstlerin ist seine Seelenruhe; einzig,