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24. Das weiteLand
box 29/2
Nordhausen, Rechte; A. Radomacher=Wolfenbüttek, abend hier vorgenommenen Wahl der Wahlmänner
Mad.
Grunden, antelnüstersten Haner
für die nächste Landtagswahl wurden 16 Wahlmän¬
Stunden beschränkt würde. Wer namentlich
mc. Göttingen, 3. Nov. Der aus Andregsberg
ner der Partei Südekum und 14 der Partei v. Stutter¬
starkem Zudrange des Zuhörerpublikums
heim gewählt.
l. H. geflüchtete „Bankier“ und Vertreter der
sauerstoffarme Heißluft im Schwurgerichtssag
so lange eingeatmet hat, für den ist gewiß d
Leere des Unbefriedigtseins gähnt. Und wie das lers, der wieder mal bewiesen hat, daß er fürlernen; anfangs etwas schüchtern, wuchs die Ne#
Zusammenspiel, so die Einzelleistung. Am leich= Moser und Schönthan eigentlich = zu gut istgierde aber sehr bald zu einem Höllenspektal
testen hatten es die Darsteller der amüsanten, lInst¬
spielartigen Episodenfiguren, des übergeschnapp¬
Ein Charatter voller Widersprüche und doch auf heran. Da plötzlich stürzt jemand in den Saal in
ten Schriftstellers Albertus Rohn (Mesmer)
den Grundton des egozentrischen Genießers, des dem Ruse: „Der Herr Abbe kommt!“
vierzigjährigen Lebejünglings abgestimmt. Aeu¬
in der Maske Wolzogens, nur daß ihm dessen
trat sofort Stille ein und wir erhoben uns vo
ßerlich suggestiv durch seine Flottheit wirkend,
Embonpoint fehlte, der Tennisfer Paul Kreindl
den Sitzen. Da trat Franz Liszt in den Sag
die bald etwas bezaubernd Liebenswürdiges, bald
(Robert Lanius), der dienstbeflissen=überlegene
Doch dies war kein Erscheinen wie gewöhnlich
Portier (Heinemann), ein schnanzender Ton¬
etwas Dämonisches hat, und innerlich ach so arm,
einer Probe, das war ein theatralische
leer,
rist (Albert Preuß) und die taube, ewig plap¬
so hohl — eine geradezu glänzende
Aufzug, dessen sich jeder tüchtige Regisseur rüh
Menschenstudie.
pernde Frau Wahl (Sophie Kannée). Schwie¬
men konnte. Das scharfgeschnittene geistvolle An
riger war schon die Aufgabe, die den Damen
litz des Meisters mit den forschenden große
Byrans Scarla, Krizek und den Herren
Und der Erfolg des trotz allem auregenden
Augen, umrahmt von langen weißen Haarsträh
Paris, Schlaeger, Gaedeke, Munkwitz
Abends? Er sei durch folgende Foyergespräche
nen, mit dem unnachahmlichen Ausdrucke vor
und Oppermann zugefallen war. In aufstei¬
am Schlusse der Aufführung gekennzeichnet:
selbstbewußtem Stolze und religiöser Demu
gender Klimax die Schwierigkeit der Rollen be¬
Eine langjährige Abonnentin: „Nau, das war
wirkte wahrhaft faszinierend. In eine schwarze
gäönix!“
urteilt, käme der Marinefähnrich des Herrn
lange, enganschließende Soutane gekleidet,
Schneeweiß,
ein rechter österreichischer
Ein Schalk: Und dann dauerte es auch so
welcher im Rücken eine lange, schmale, schwarz
lange nicht Gnädigste?“
Offizier war, so ein wenig schlampig liebens¬
Falte herniederfiel, schritt er langsam einher, mi
würdig,
bißl kokett, ein guter Sohn
Die Abonnentin: (ennuyiert): „Näd
seiner Rechten hoheitsvoll grüßend. Nach ihm kan
und ein feuriger Liebhaber, dann Herr Ku¬
sein Hofstaat als Staffage, den Eindruck noch er
hr. Selß.
nath,
er einzig anständige, graddenkende
höhend. Zwei hohe Kirchenfürsten traten
Kerl in der ganzen Gesellschaft, dem Edmund
ein, gefolgt von den Trägern der stolzesten Na¬
Kunath auf den Leib geschnitten: herzlich, bieder,
men der Kunst, Wissenschaft und Politik, aber das
Ein Zeitgenosse über Liszis
ohne viel zu reden, ein treuer Freund, und als
Wirkungsvollste war ein bunter Schwarm den
er um sein Glück betrogen wird, kein sentimen¬
holdesten Weiblichkeit in herrlichen
Absonderlichkeiten.
tales Anklagen: nehmt alles nur in allem ein
Roben mit Blumensträußen
Händen.

Mann, der wie ein Lichtblick wirkte in diesem
Der Zug wollte schier kein Ende
Ein Wiener Künstler, der Geiger Professor
Gekribbel dunkler (nicht im kriminalistischen
nehmen, und schien gar nicht die Stimmung mit¬
Bachrich, der noch unter Liszts Direktion im
Sinne) Existenzen, und Paula de Bruyn: Ein
zubringen, um sich an dem Rosenwunder der hei¬
Orchester mitgewirkt hat, erzählt in der „Neuen
keckes Mädel, bei der sich natürliche Starkgeistig¬
ligen Elisabeth in Andacht zu erbauen. Aber auch
Freien Presse“, einige eigentümliche Züge ir
keit mit wienerischer Sinnlichkeit, die begehrende
in der Probe kam nicht die richtige Stimmung.
Liszts Wesen, die eine recht willkommene Ergän¬
Krast eines Weibes, das die Süßigkeit der Lust
Der Meister war an diesem Tage nicht sachlich ge¬
zung zu den vielen Verhimmelungs=Kantaten,
gekostet hat, mit der feelischen und sinnlichen Un¬
nug; er hatte sehr sein zugesvitzte Bemerkungen,
bilden, welche die Jubiläumszeit hervorgebracht
erfahrenheit eines Mädchens paart.
hat. Man höre:
poctische Gleichnisse, witzige Pointen, doch dies
alles war mehr für die Galerie bestimmt und
Kommen wir zur obersten Stufe der Leiter,
„Es drang die Kunde nach Wien, daß Franz förderte eigentlich nicht das Werk.
auf der das Ehepaar Hofreiter steht. Undankbare
Liszt eine „Legende der heiligen Elisabeth“
rief er
einmal einem Orchestermitglied pathetisch zu:
Aufgaben, weil es keine in sich abgeschlossenen
[Budapest zur Aufführung bringen wolle. Eine
„Ach, lieber Herr“ — dabei blickte er zur Saal¬
kleine Schar Wiener Musiker, denen damals noch
Cbaraktere sind, weil sie in ihrem Seelenleben so bei Nennung der Namen Liszt, Wagser und Ber¬
decke empor — „Sie müssen uns bei diesen Takten
verzwickt, so verbogen, so verrenkt sind, und doch lioz ein bißchen wirbelig in den Köpfen wurde,
hier den blauen Himmel eröffnen
wieder dankbar, wenn Kenner und Könner sich
Ihrer Flöte liegt der Schlüssel dazu.“ Und
war sofort entschlossen, dem Werberuf zu folgen,
bald darauf: „Teure Trompete, Ihre Stelle ent¬
ihrer bemächtigen, wenn sich kluges Denken mit lund so zogen wir als Freischärler gen Budavest, hält grüne Bäume, bitte, blasen Sie grüne
gefühlsmäßigem, instinktivem Erfassen eint, und
um bei diesem musikalischen Ereignis „mittun“ zu
das war der Fall, sowohl bei Lotte Horst, die
[Bäume!“ Der Trompeter blickte verlegen ins
können. Wir saßen pünktlich auf unseren Plätzen¬
erst eine liebende, gefolterte Gattin und dann ein
Freie, als wollte er Maß nehmen für die grünen
in dem großen prachtvollen Redoutensaale, den
sich wegwersendes Weib ist, die sich nie vergessende
Bäume, die er blasen sollte. Diese Stelle hatte es
Dame der „guten“ Gesellschaft und doch mit star¬
Meister zur Probe erwartend. Doch Meister Liszt überhaupt dem Meister angetan. Bei den folgen¬

kem Gefühl begabt, das verhalten hervorquillt,
erschien nicht. Auch das akademische Viertel den Proben wiederholte
war schon längst vorüber, doch Meister Liszt
stets dasselbe
[Gleichnis und bei der Aufführung, als diese
und wo sie sich natürlich geben kann, nicht larmo=erschien noch immer nicht. Nach und nach setzten] Stelle wirklich vorzüglich vorgetragen wurde,
pant wird, und noch mehr bei Engen Mar=wir unsere Instrumente an, um aus den füberkam ihn ein solch ekstatisches Entzücken, daß
low, eine der besten Leistungen dieses Kunst= aufliegenden Notenblättern einiges kennan.