Faksimile

Text

24. Das weite Land
box 29/2
M
nach außen ruhig scheinenden Ehe. Da erschießt] Frau betrog, wählt er zum Zeugen.
Feuilleton. 1###
sich der Klaviervirtnose Korsakow und vorbei ist frühere Absicht, den Fähnrich zu sch
das freilich nur scheinbare Einvernehmen der betrachtet ja scheinbar den ganzen
(Nachbruck nur gegen Quellenangabe gestattet.)
Gatten. Friedrich Hofreiter kann es nicht ver¬
nur als ein Spiel, um vor der Auß
Das weite Tand.
stehen, daß Genia den Werbungen Korsakows
als Düpierter dazustehen — erschießt
widerstanden und so diesen, allerdings unbewußt,
Die Seele ist ja ein „weiters Land“
Tragikomödie in 5 Akten von Artur Schnitzler.
in den Tod getrieben hat. Er hätte es ver¬
sich nicht Rechenschaft geben darüber,
(Zur Erstaufführung im Jubiläums=Stadttheater in
standen, daß sie, die ja seiner Meinung nach,
vor sich geht.
Klagenfurt am 17. November 1911.)
zu keiner Treue verpflichtet war, einem anderen,
Das ist allerdings eine „tragischel
„Die Seele. ist ein weites Land.“ Mit
den sie noch dazu ein wenig lieb hatte, sich hin¬
in der scheinbar die gerecht=rächende
diesen Worten, so glaube ich, zeigt der Dichter
gegeben hätte. Daß ein anderer ihrer ehelichen
letzte Wort spricht; das wäre das
den Weg, auf welchem man den Ideen seiner
Treue, die er, der sie doch betrog, gar nicht
Daß aber dieser Akt der gerechten
neuesten dramatischen Schöpfung näherzukommen
verdiente, zum Opfer fallen mußte, entfremdet
gerade von jenen Händen vollzogen
vermag, sie zeigen uns den Standpunkt, von dem
ihm die Gattin noch mehr. Die ganze Umgebung
eigentlich am wenigsten dazu berufen
aus man die Entwicklung der Personen des Stük¬
drückt ihn und mit seinem Freunde Dr. Maurer
ist das — Heitere. Man könnte sich
kes beurteilen kann und soll. Es wäre entschieden
zieht er in die Alpen, um zu genesen. Dr. Maurer
laßt sehen, das ganze Spiel als eine pl
ein sehr schwieriges Unternehmen, aus den geist¬
eilt auf der Liebe Flügeln zum Völser Weiher,
Unkonsequenz, als Unmöglichkeit zu d
reichen Zwiegesprächen der einzelnen Personen
weilt doch dort Erna, die stille Flamme seines
nicht ein Blick auf unser übernervo
und aus ihrer uns zum größten Teil augenblicklich
Herzens; und mit ihm geht Friedriy. Nun ersteht
schaftsleben die ausnahmsweise Mögli
unverstanden bleibenden Handlungsweise die
in Friedrich eine Leidenschaft für Erna, die er
Geschehnisse wenigstens offen ließe.
Grundidee, die dem Werk innewohnt, in einer
einst als Kind auf den Knien gewiegt. Am Aigner¬
Dem Ehepaar Hofreiter gegenübe
kurzen, formelartigen Definition herauszuziehen,
turm, einem der schwierigsten Felsgipfeln, finden
zweites, das Ehepaar Aigner, dessen
um so schwieriger, wenn man hierbei noch dessen
sich ihre Herzen, und getreu dem Grundsatze:
vorhin genannte Marinefähnrich
1
kurze, abgerissene, fast nervöse und teilweise ver¬
„Alles oder nichts!“ wird sie Friedrichs Eigen.
liebt seine Gattin über alles und den
schleierte Redeweise in Betracht zieht.
Unterdessen hintergeht auch Friedrichs Frau
er sie. Und sie? Auch sie liebt ihren
Die Handlung ist, wenn man von einer solchen
ihren Gemahl mit einem Marinefähnrich. Durch
gerade deshalb kann sie den Schmer
überhaupt spricht, sehr einfach und wird nur
Zufall belauscht der unerwartet zurückgekehrte
winden und deshalb trennen sie sich.
durch die psychologische Schilderung und Ent¬
Gatte das Stelldichein. Nun könnte man meinen,
Im ganzen Stücke findet sich e
wicklung der einzelnen Menschen und eine geradezu
jetzt werde eine Annäherung beider Gatten möglichHandlung kaum vor. Erst am Schlusse
vortreffliche Milien= und Gesellschaftsschilderung
sein, lastet doch nun auf beiden gleiche Schuld
Aktes strafft sich die Gestaltung der
zu der Länge von fünf Akten ausgedehnt.
und ist die Ursache der Entfremdung doch aus
ernster Spannung, flaut aber im fü
Der Fabrikant Friedrich Hofreiter lebt mit
dem Wege geräumt. Fast scheint es so, aber
der in seiner Kürze eigentlich nichts
seiner Gattin Genia trotz seines allseits bekannten
es kommt doch anders. Friedrich provoziert den eine Folgerung aus dem Vorhergehen
Liebesverhältnisses — „Herzensschlamperei" nennt
Fähnrich und ein Duell soll den betrügenden und
fort wieder ab.
Dr. Maurer gelegentlich solche Verhältnisse
betrogenen Gatten Genugtuung verschaffen. Und
Man muß sich eben bei Schnitzler
mit der Bankiersgattin Adele Natter, in einer seltsam, Natter, seinen Bankier, den er mit dessen großen Teil der Modernen daran gen