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24. Das weiteLand
eine Reihe moderner Nervenmenschen vor und zur selben Zeit einen starken Beweis ihrer
bu-]„Das weite Land.#
versenlt seinen scharfen, doppelt geschulten Blick streuen Liebe in Händen. Ein junger Klavier¬
ragikomödie in fünf Akten von Arme-Schnnn#n des Arztes und Dichters in die geheimsten Tie=spieler hat sich erschossen, da sie ihn nicht er¬
(Erstaufführung am Jubiläums=Stadttheater al, 17.
Ifen ihrer komplizierten Charaktere, dringt in hörte. Wie unerwartet anders wirkt aber dies
November 1911.)
die verborgensten Falten ihres Innern und Zeichen auf den seltsamen Menschen ein! Er
Ein neuer Schnitzler ist immer eine Festgabe.
scheut auch vor den kühnsten und schwierigsten bewundert nicht ihre unwandelbare Treue, er
Problemen nicht zurück = er „tanzt auf dem sieht vielmehr in ihr die Mörderin seines Freun¬
den Feinschmecker allerdings! Undauch
psychologischen Seile“ um in seiner eigenen des. „Der Gedanke, daß irgend etwas, das doch
ter denen wird sie nicht jedem munden; dem
kutschen im Norden weniger, als dem Öster= Sprache zu reden. Diese Seelenanalyse ist so in Wirklichkeit gar nicht ist — ein Schemen, ein
cher, dem Wiener. Denn nach Österreich, nach frecht ein Zeichen unserer Zeit, die Alberta von Phantom, ein Nichts, wenigstens einem so furcht¬
sien weisen Schnitzlers Gestalten, nicht nur
Puttkamer jüngst die „geheimnislose“ genannt baren Dinge gegenüber wie der Tod — daß
ch ihre Herkunft und den Aufenthaltsort, hat. Aber der Dichter läßt sich bei seiner Se¬
[deine Tugend — einen Menschen in den
lich vie leicht durchklingende Mundart, sondern zierarbeit nicht über die Achsel gucken, er bietet] Tod getrieben hat, das ist mir einfach unheim¬
ch durch die ganze Welt ihres Empfindens uns das fertige Produkt dar und überläßt es lich“ und er wendet sich nun vollständig von ihr
Handelns. So ist es auch in dem letzten dem Einzelnen, sich damit abzufinden, soweit es
ab und stürzt in die Arme der jungen, klugen
kücke, das erst vor einem Monate an siebzehn seinem eigenen Wesen, seiner anpassenden Phan= Erna, die ihn leidenschaftlich liebt und sich ihm
foßstadtbühnen zugleich mit sehr verschiedenem tasie gelingt — er zeigt uns die Oasen im wei¬
willig hingibt. Man hat diese Wendung ange¬
ffolge gegeben wirde und nun auch staunendten Lande der Seele, den Weg dahin müssen
staunt, bekrittelt, als unwahr empfunden —
wir selbst finden.
sch seinen Einzug in die Provinz hält.
wohl nur, weil sie neu und ganz ungewöhnlich
Im vorhinein können wir, wenn uns der
Im Vordergrunde des Interesses stehen derhist, unmöglich ist sie gewiß nicht. Sollte viel¬
stvolle und feinsinnige Poet ladet, sicher sein,
reiche Fabrikant Friedrich Hofreiter und seine leicht ein Hofreiter wie irgend ein philiströser
ßder Abend nicht verloren ist. Wer freilich Frau Genia. Er ist etwa vierzig Jahre alt, ein Held seiner verkannten Gemahlin reumütig und
den „Medardus“ denkt und sich spannende rastloser Geschäftsmann und Erfinder, dabei ein Verzeihung flehend zu Füßen fallen? Derartige
ndlung, szenische Effekte, große dramatische liebenswürdiger Gesellschafter, Sportsmann, egoistische Herrschernaturen haben gar nicht das
krkungen erwartet, der wird nicht auf seine Kunstfreund; aber das alles ist nur Nebensache, Bewußtsein einer Schuld und vertragen nicht,
sten kommen; es ist der alte, stille Schnitzler das macht man, „wenn man Zeit hat“; die daß ein anderer sie überragt. Genia versteht
„Liebelei“ und des „Zwischenspieles“, der Hauptsache sind ihm — und wie er glaubt, allen ihren Mann kaum, sie hört nur das Tatsächliche
s hier entgegentritt. „Tragikomödie“ nennt schaffensstarken Männern — die Frauen. Hier aus seinen Worten und, um es ihm recht zu
sein Werk und der viel mißbrauchte Titel
liegt das eigentliche Betätigungsfeld für seines tun, aus Trotz wohl auch und ein wenig aus
teht hier zu Recht, wir hören wirklich eine
Eroberernatur. Skrupellos betrügt er seine noch
Bedürfnis, nimmt sie einen Liebhaber. Nun
kurige Weise, mit Humor und Ironie vor¬
junge und anziehende Gattin, die ihm doch nichtaber tritt das Seltsamste ein. Wie der Herren¬
ragen.
gleichgiltig ist. Sie weiß darum, liebt ihn aberlmensch, der sich oft und oft seine Früchte in frem¬
Den Inhalt aus den fünf Akten herausschälen,
nicht weniger und wartet vielleicht, wie Frau den Gärten gepflückt hat, den Dieb auf eigenem,
ße nutzlose Arbeit verrichten und dem Werke
Marie in Bahrs „Konzert“, geduldig, bis er zu schlecht behüteten Grund und Boden erblickt, den
brecht tun, denn die Handlung ist allerdings
ihr zurückkehrt. Dazu stände nun gerade der Dieb, den er ja fast selbst zum Stehlen eingeladen
r dürftig und technisch mangelhaft heraus¬
Weg offen, denn Friedrich ist seiner bisherigen hat, schießt er ihn nieder. Hier können wir nicht
rbeitet, aber nicht darauf kommt es hier an, Liebelei mit der oberflächlichen Frau seines mehr ganz mit! War ihm das Duell nur eine
dern auf die Personen. Schnitzler führt uns Bantiers überdrüssig geworden und Genia hatl gesellschaftliche Formsache und der unglückliche