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24. Das weite Land
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Aeues Wiener Jeurnal Vin
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Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Arnold Korff hat heimgefunden
diesep (Schauspieler, der aus der Schicht jenes erhöhten Wienertums
Fmt, das in seinen Wesenszügen Bürgerlich=aristokratisches
#elksam mischt, hatte im Burgtheater die Anwartschaft auf ein
reiches Erbe von allen Seiten. Es waren, wie man es in diesem
Hause zu klassifizieren pflegt,
Sonnenthal=, Hartmann¬
und Kainz=Rollen für ihn bereit. Aber menschliche und
künsilerische Unruhe, zehn Gründe für einen, trieb ihn
hinaus, er ging auf Wanderschaft,
nahm den gewissen
Weg, der leicht zu billigen Augenblickserfolgen und
zu materiellem Gewinn führt: zum Variété! Am Anfang hat es
ja immer seine Reize, sich von inneren Pflichten freigemacht zu
haben, führerlos sich allein zur Schau zu stellen und außerdem
noch höheren Lohn dafür einzustreifen. Aber die Gunst der Stunde
wirst ihre Schatten. Auch Heir Korff wird seine Wurzellosigkeit
schließlich mit Wehmut empfunden haben, als Mensch wie als
Künstler. Doch eh' es zu spät geworden ist, ward ihm die Türe
wiederum aufgetan. Man hat ihn ins Burgtheater wieder zurück¬
geholt, und nun steht er von neuem auf dem Boden, der seine
Heimat ist. Herzlich empfangen, ist er gestern in einer jener
Rollen wieder aufgetreten, die in seiner künstlerischen Ver¬
gangenheit zu
einprägsamer Bedeutung gewachsen waren:
als Hofreiter
in
Schnitzlers Tragikomödie „Das
weite Land.“ In diesem Stun mit den merkwürdigen Menschen¬
exemplaren, die als lebende Theorien für die rätselhaften und
doch alltäglichsten Bocksprünge der Seele und des erotischen Emp¬
findens hingestellt scheinen — hier gibt Korff den spielerischen
Genießer, den ewigen Gewinner, der doch immer sein Bestes
dabei verliert. Die Figur ist dichterisch nicht stark durchblutet
(wie überhaupt keine der Figuren), sie ist auf Beweis gestellt und
viele Worte müssen sie stützen, um ihre Kompliziertheit un¬
kompliziert zu machen. Es liegt nun an dem Persön¬
lichen von Korff, daß er hier einen Menschen erschafft.
Er hat die Elastik der Geste und des Wortes, er hat, was hier
wesentlich ins Gewicht fällt, den wienerischen Atem für die Rolle,
ihren Tonfall, die es ihm erleichtert, den Schwerpunkt der Dinge
aufzuheben. Es ist erfreulich, fast erstaunlich, nach den Jahren
künstlerischer Disziplinlosigkeit, wie meisterlich gereift Korff in
dieser Rolle wieder vor das Pubikum trat. Nun, da er sich
gefunden hat, heißt man ihn doppelt willkommen. Der verlorene
Sohn hat bei seiner Wiederkehr die alten Freunde wiedey
gewonnen.
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6 G 110 40
eue Freie Presae, Wien
Theater= und Kunstnachrichten.
[Burgtheater.] Arnold Korff, der nach manchen
Irrfahrten und jahrelangem Fernsein erfreulicherweise den
Weg in das Burgtheater zurückgefunden hat, trat heute sein
*
Wiederengagement als Fabri ant Hofreiter in Artur
Schnitlers Traailomödie Das meite Land“ au. Herr 1!
6. Oktober Heie

Korff war und ist in jedem Sinn einer der ersten Darsteller
des „jungen Wien". Er hat einst die Jugendgestalten
Schnitzle“s mit unvergleichlicher Echtheit gespielt und sie mit
wiener'schem Scharm umgeben; nun ist er mit dem Dichter
selbst längst zur Gestallung tieferer Probleme herangereist.
Sein Hofreiter, dieser Asam unbedenkliche, herrische Lebens¬
genießer, der an der Gefayl, nicht altern zu können, innerlich“
scheitert, erweist, daß Korff die männlich anmutige Kraft und
Kunst, die ihm eigen blieb, mit schärfster Charakterformung
überaus reizvoll zu verbinden weiß. Er läßt in dieser Figur
vielerlei Farben spielen; wir sehen ein## harten, völlig
unsentimentalen Sport= und Willensmenschen, der eine
gewisse elegante Brutalität in gewinnenden Formen zur Schau
trägt. Dabei fehlen der Figur nirgends die weichen,
wienerischen, alle Schroffheiten mildernden Konturen, die dem
Künstler aus seiner Eigenart auf das glücklichste gelingen.
Herr Korff wurde mit herzlichem Beifall begrüßt, der sich im
Verlaufe des Abends noch öfter wiederholte.
6-01198
Da Leit, Wier
(ese
r und Rurs.
Burgtheater. Aus dem „weiten
des Variétés ist Arnold Korff dort¬
ian #gliekgekehrt. von wo er nicht hätte fort¬
Freit köllen; in das Burttheater. Das Variété
ist eine gefährliche Stätte für einen Künstler,
besonders wenn er zum Virtnosentum neigt.
Man wird dort zu stark beklatscht, heat unwill¬
kürlich die Stimme, nimmt nach gelungenen
Mätzchen selbstgefällig präsentierende Posen an.
Mindestens aber, wenn man all das zu ver¬
meiden wußte, entwickelt man sich nicht ins
seelisch Tiefe. Die Rolle des trag
chen
E

Schwerenöters Hofreiter in Schnitzlers Ehe¬
drama hat Korff immer ausgezeschnet gespielt,
mit einem Wiener Akzent, der die ganze Gestalt
bis in ihre Fasern erfüllt, mit hunderttausend
kleinen Mitteln. Gesten, Feinheiten, mit Stil,
Farbe, mit allem; aber ohne das große Mit¬
schwingen der Seele, ohne Resonanz von innen.
„der hat sich dieser Mangel erst seit seinen letz¬
#ten Erlebnissen verstärke? Von der schon recht
verwaschenen, kommode und disziplinlos ge¬
wordenen Aufführung hebt sich der Eingeborne
freilich ab, und man muß dem Publikum recht
geben, das seine Wiederkunft warm begrüßte.
Ob aber dieses Bassermannische Gebaren, die
Jagd nach der Einzelheit einem Schnitzlerschen
Dialog nützt? Dieses Stück verträgt es nicht,
zerdehnt und entgeistert zu werden.