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24. Das veite Land
Nenoral-Anzeiger, Mannheir
Aigese 546.—
mutet. Aber manche
aus unglücklicher hoffnungsloser Liebe zu Genia umgebracht. Sie
zum Beispiel der phil
selbst zeigt ihrem Mann einen Brief, den der Pianist eine Stunde
er spricht auch das L#
16 10 1911
vor seinem Selbstmord an sie gerichtet hat.
weite Land.
In den übrigen Szenen des ersten Aktes werden die son¬
Das Burgtheater
stigen Figuren des Stückes eingeführt: Eine Frau Wahl und
großen darstellerischen
ihre Tochter Erna, ein junges kluges Mädchen, eine Schauspie¬
Arthur Schnitzlers Tragikomödie „Das weite
und Eifer gewendet.
lerin und ihr Sohn ein junger sympathischer Marinefähnrich
Land“.
rolle spielte Herr Kot
und ein Arzt Doktor Mauer. Hauptsächlich wirk aber das Ver¬
(Uraufführung im Burgtheater am 14. Oktober.)
geistigt, wodurch die
hältnis der beiden Ehegatten zu einander charakterisiert. Er be¬
Genia ist eine jener
trügt sie fortwährend und sie erfährt alles. Aber es ist ihr egal,
Von Ludwig Hirschfeld.
Marbeg so außerorden
denn sie denkt nicht daran, sich zu rächen. Aber Hofreiter, ein
(Telegr.) Wien, 14. Oktober 1911.
merkwürdiger komplizierter Mensch kann die Episode mit dem
Fräulein Hofteusel seh
In Wien und Berlin, in München, in Prag und in noch
Pianisten nicht vergessen. Es ist ihm ein unerträglicher Gedanke,
gespielt. Aber auch di
daß Jemand gestorben ist, weil seine Frau so unerbitlich und
einigen deutschen Städten wurde heute das neue Werk Arthur
Künstlern dargestellt:
tugendhaft war. Er braucht einen Milienwechsel und fährt in die
Schnitzlers gleichzeitig gespielt. Man kann sagen, daß das ganze
spielen sollen, gab Her
Dolomiten. Dort, in einem Hotel am Völser Weiher spielt der
Frau Bleibtreu, e
literarische und intellektuelle deutsche Publikum an diesem Abend
dritte Akt. Hier treffen mit Ausnahme von Genia alle Figuren
der Regisseur der Vor
erwartungsvoll gestimmt war. Man bringt der Entwicklung unseres
und noch einige Episoden zusammen, und auch Hofreiter begeg¬
thy und so weiter. Ei
ernstesten und besten Dichters überall ein starkes Interesse ent¬
net Erna, in die er sich verliebt. In der Nähe des Ortes gibt
für Artur Schnitzler 1
gegen, so wunderlich diese Entwicklung manchesmal auch sein mag.
es einen Turm zu besteigen. Hofreiter wagt es und zwar in Ge¬
den kann.
Ich weiß nicht, ob diese Tragikomödie „Das weite Land“ eine Ent¬
sellschaft Ernas. Er will sich von seiner Frau scheiden lassen um
Die Aufführung e
Erna zu heiraten. Sie küssen sich und sie sagt ihm, daß er heute
wicklung des Dramatikers Schnitzler bedeutet. Eher scheint mir
nach dem vierten und
Nacht ihre Tür offen finden werde. Inzwischen hat Hofreiters
dieses Werk zurückzuführen zu früheren Dichtungen; zum „Zwi¬
stärkte. Der Dichter
Frau Genia in Baden mit jenem Fähnrich ein Verhältnis be¬
schenspiel“ und zum „Einsamen Weg“, dessen tief gründig nachdenk¬
gonnen. Die Sache kommt Hofreiter in skandalöser Form zu
*
liche, kompliziert verinnerlichte Art sich hier wieder findet. Wieder
Ohren und obwohl ihm die Angelegenheit ziemlich gleichgiltig ist,
resignierte geistige Grundstimmung, dieselben wunderlichen Men¬
Urpremière vo
muß er sich mit dem Fähnrich schlagen. Er erschießt ihn im Duell
schen, für die das Aergste und Erschütterndste, der Tod und die
und damit ist das letzte Band zwischen den Ehegatten zerrissen.
Liebe bloß Anlässe zur Grübelei sind.
G. M. Die ersten A
Er will verschwinden, nach Amerika, irgendwo ins Unbekannte.
und mit abwartendem
Er fühlt sich zu alt, er weicht vor der Jugend die er in dem Auge
Der Herr von Sala, der Held des „einsamen Wegs“ und der
stellte sich ein starker,
des sterbenden Fähnrichs aufblitzen sah..
Fabrikant Friedrich Hofreiter, die Hauptfigur des „Weiten Lan¬
fall ein, sodaß sich Dir
Man sieht, Schnitzler hat hier ein kühnes und kompliziertes
des“ sind nahe seelische Verwandte. Auch hier handelt es sich wie¬
mit feinstem Verständt
seelisches Problem zu lösen gesucht. Man vermag ihm auf seinen
der um die Tragik des innerlich Einsamen und Alternden. Hof¬
bilder geschaffen hatte,
psychologischen Pfaden nicht immer leicht zu folgen und maches
reiter lebt mit seiner jungen Frau Genia in einer Villa in Baden
gen konnte.
dürfte auf das große Theaterpublikum seltsam und vielleicht
bei Wien und hier spielen vier von den fünf Akten. Der erste Akt
sogar befreundend wirken. Das ganze Stück ist von einer nach¬
Eine ähnliche Auf
setzt mit einer echt Schnitzler'schen Stimmung ein: Die Haupt¬
denklichen resignierten Stimmung erfüllt, die man im ersten
Lessingtheater.
figuren kommen von dem Leichenbegnägnis eines berühmten Pia¬
und vierten Akt am stärksten spürt. Die packendste und drama¬
in dem namentlich die
nisten, der sich erschossen hat. Man führt nachdenkliche und gleich¬
matischste Szene des Werkes enthält der fünfte Akt: Die Rück¬
den anderen Akten klan
mütige Gespräche über den Tod und stellt Vermutungen über die
kehr Hofreiters vom Duell und sein Zusammentreffen mit der
Akt an gab es auch Wi
Ursache des Selbstmordes auf. Man glaubt allgemein, der Pianist
Mutter des Getöteten. Am meisten äußerliche Bewegung und
führung verschuldete.
habe sich aus unbefriedigtem Ehrgeiz das Leben genommen. Nur
Handlung enthält natürlich der dritte Akt, der in dem Dolo¬
In München,
Hofreiter ahnt einen anderen Grund. In einem Gespräche mit
mitenhotel spielt. Hier gibt es auch sehr viel episotistisches Füllsel 1
fall vom dritten Akte
lseiner Frau wird die Ahnung zur Gewißheit. Der Pianist hat sich 1 von dem manches ziemlich konventionell und lustspielmäßig an= 1 Hannover.