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24. Das veite Land
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Genia: Bang —?
Frau Meinhold: Ich kenne ja meinen Sohn ... Und hab's
ihm angesehn, wieviel er gelitten hat in dieser letzten Zeit. Er ist so gar
nicht geschaffen . . . in unwahren Beziehungen zu leben ... Ich hatte
.Angst um ihn ... Sie haben ihm so viel bedeutet, Genia! Mehr
als sein Beruf, als seine Zukunft, als ich, als sein Leben. 9 Gott, was
hab ich alles gefürchtet. Und habe geschwiegen. Mußte schweigen.
Und sogar begreifen mußt ich's. Ich hab es ja kommen gesehn, vom
ersten Tag an, da Otto Ihr Haus betrat. In all meinem Groll, meiner
Angst, meiner Eifersucht, mußte ich es doch begreifen. Sie waren ja
so allein, Genia, und so schwer gekränkt . .. durch lange Jahre! Auch
wenn am Ende ein Schlechterer gekommen wäre, als Otto — ich hätte
es Ihnen nicht übelnehmen können. Und nun — da er fort ist, ist all
mein Groll und meine Eifersucht dahin und ich frage mich nur: Wie
wird sie es tragen? Sie — die ihn doch geliebt hat!
Genia: Frau Meinhold, ich bin wahrhaftig so viel Teilnahme gar
nicht wert. — Ich werde versuchen, ihn zu vergessen. Und es wird mir
gelingen. Das ist gewiß, — so gewiß als es ihm gelingen wird. Ich
habe den festen Willen ihn zu vergessen. Wie sehn Sie mich denn an,
Frau Meinhold? Glauben Sie mir denn nicht? Sie müssen keine
Angst haben. Es ist nichts verabreder zwischen uns. Ich schwör es
Ihnen ... Wir werden uns nicht einmal schreiben. Das steht fest.
Frau Meinhold: Sie sind sehr gut, Genia.
Genia: Ich bin nur ... klug, Frau Meinhold. Nur klug
(Plötzlich bricht sie in ein heftiges Schluchzen aus. Sinkt mit dem
Kopf auf den Tisch.)
Frau Meinhold: Genia, Genia. (Sie streicht ihr über die Haare.)
Weinen Sie nicht. Genia! Es ist freilich ein geringer Trost, — aber
wir werden es gemeinsam tragen, daß er fort ist ... Sie sehen ja doch,
daß meine Wahl getroffen ist, und daß ich mich entschlossen habe, Sie ...
nicht zu hassen. Kind, Kind, — beruhigen Sie sich doch. Wir wollen
Freundinnen sein, Genia. Es geht ja wohl nicht anders. Genia...
Genia!
Genia: Frau Meinhold ... (Sie faßt ihre Hand, als wollte sie
sie küssen.)
Frau Meinhold: Finden Sie wirklich keinen andern Namen
für mich? Ich bin ja seine Mutter, und er hat Sie geliebt.
Genic (schüttelt wild den Kopf): Nein, nein, nein, ich kann nicht
mehr
Frau Meinhold (sieht sie lange an): Ich will Sie nun doch
lieber allein lassen ... Leben Sie wohl. Aber wenn Sie des Allein¬
seins müde sind, — so kommen Sie zu mir. Sie finden mich immer be¬
reit Sie zu empfangen. Adien, Genia. —
Friedrich (von der Terrasse aus herein. Dunkler Paletot über
dem schwarzen Gehrock. Schließt rasch den Paletot, spannt seine Züge).
Genia (starrt ihn wie fragend an).
Friedrich (lächelt starr ohne zu nicken. Zu Frau Meinhold in seiner
lachenden Art, die nun wie eine Maske wirkt): Küß die Hand, gnädige
Frau. (Er nimmt ihre dargebotene Hand mit einem kaum bemerklichen
Zögern) Wie geht's?
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Kuniwart X XU I.