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24. Das veite Land
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Eng ist die Welt, in die uns der Dichter hinein¬
versetzt, und langweilig
trotz des schönen Titels.
Aus der müden Sphäre wortreicher Nichtstuer hat
Schnitzler sein Drama geschaffen — der eitlen Nichts¬
tuer, die sich immerfort in ihren Worten bespiegeln und
das, was sie sehen, für ihre Seele halten. Ein ernst¬
haftes Streben oder einen festen Willen hat keine der
Personen; es wird Tennis gespielt und geliebelt
und beides kann langweilig werden. Nicht alle Menschen
sind Dauerturner wie Paul Kreindl: „Im vorigen Jahr
hab' ich einmal hintereinander neun Stunden gespielt,
mit dem Doktor Herz. Zuerst vier Stunden, dann haben
wir eine Eierspeis' gegessen, und dann ... In dieser
Welt ist alles Spiel; aber dies Spiel ist verlogen
und etwas Anorganisches; es ist die große Lüge, mittels
der sich die Menschen ein angenehmes, gemütliches und
ungestörtes Leben erträumen. Starken Wahrheiten sind
diese flexiblen Seelchen nicht gewachsen. „Spiel —?!
Ja, wenn es so wäre! . .. Ich versichere Sie, nicht
das geringste hätt ich einzuwenden gegen eine Welt, in
der die Liebe wirklich nichts anderes wäre als ein köst¬
liches Spiel... Aber dann ... dann ehrlich, bitte!
Ehrlich bis zur Orgie... Das ließ ich gelten. Aber
das Ineinander von Zurückhaltung und Frechheit, von
feiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut — von rasen¬
der Leidenschaft und leerer Lust, wie ich es hier sehe
das find ich trübselig und — grauenhaft... Der
Freiheit, die sich hier brüstet, der fehlt es am Glauben
an sich selbst. Darum gelingt ihr die heitre Miene nicht,
die sie so gerne annehmen möchte ... darum grinst sie
wo sie lachen will.“ So charakterisiert und richtet der
Dichter selbst am besten seine Welt, in der es nichts als
Spiel und Weiber in verlogenem Durcheinander gibt;
ernstes Streben füllt nur die Pausen zwischen der einen
Liebelei und der andern aus: „Wenn man Zeit
hat
und in der Laune ist, baut man Fabriken, erobert Län¬
der, schreibt Symphonien, wird Millionär... aber
glaub mir, das ist doch alles nur Nebensache. Die
Hauptsache — seid ihr! — ihr
ihr!“ .. (nämlich
die Frauen). Die Philosophie der in „Gier zuckenden
Menschenleiber“ wird ein ganz, ganz klein wenig ge¬
dämpft; auch für die Frau gibt es „Nebenbeschäftigungen“,
die man doch auch in gütige Erwägung ziehen sollte:
„Ich halte es überhaupt für sehr einseitig, die Frauen
nur aufs Erotische hin zu beurteilen. Wir vergessen
immer wieder, daß es im Leben der Frau, auch wenn
sie Liebhaber hat, eine Menge Stunden gibt (Wie
spaßhaft!), in denen sie an ganz andre Dinge zu denken
hat, als an die Liebe. Sie liest Bücher, musiziert, sie
veranstaltet Wohltätigkeitsakademien, sie kocht, sie erzieht
ihre Kinder, — sie kann sogar eine sehr gute Mutter
sein, ja manchmal auch eine vortreffliche Gattin. Und
hundertmal wertvoller — als eine sogenannte anständige
Frau“ (Natürlich!). Eine famose Welt, diese Welt des
Halbunsiuns! Wie nennt es doch Frau Wahl? „Pro¬
duktionen auf dem psychologischen Seil.“ Der Dichter
ist allerdings unschuldig daran. Was kann er dafür,
daß es so verrückte Menschen gibt? — Doch wiederum:
An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Auf Dichter
angewendet, heißt das: An ihren Menschen sollt ihr sie
erkennen, umsomehr als der Dichter selbst von einer
seiner Personen (es ist natürlich wieder Hofreiter) die
Ansicht vertreten läßt, daß die poetischen Werke die
wahre Natur des Dichters offenbaren und in diesem