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24. Das veite Land
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Genia. Friedrich!
Friedrich. Und, verstehst Du, dieser Gedanke . .. daß
irgend etwas, das doch in Wirklichkeit gar nicht ist:
ein Schemen, ein Phantom, ein Nichts, wenigstens
einem so furchtbaren Ding gegenüber, einem so irre¬
parabeln wie der Tod — daß Deine Tugend
einen Menschen in den Tod getrieben hat, das ist
mir einfach unheimlich. Ja ... Ich kann's nicht anders
sagen . . . Ja ... Es wird ja wohl wieder vergehn:
mit der Zeit... im Gebirg und wenn wir ein
paar Wochen nicht beieinander sind. Aber jeht ist es
nun einmal da — und da kann man nichts machen:
Ja, liebe Genia... So bin ich einmal ... Andre
wären halt anders ...
Das sind die Abschiedsworte an seine Frau; sie klingen
wie eine Ermunterung, Genia möge sich für seine An¬
treue schadlos halten, — und doch ist Korsakow als
Opfer gefallen, weil Hofreiter kein „Hopf“ sein will.
Das wissen wir allerdings noch nicht, und so geht uns
abermals etwas aus dem Charakterbilde dieser diabolischen
Personifikation der Eifersucht verloren.
Der dritte Akt zeichnet uns in bunten Farben das
Leben und Treiben in der Halle des Hotels Völser
Weiher. Wir sehen, wie der schüchterne Sonntags¬
reisende Doktor Meyer mit verlegener Höflichkeit die
Dienste des gravitätischen Portiers in Anspruch nimmt;
wir lernen den polternden Querulanten Serknitz kennen,
der sich durch die oberflächliche Wiener Höflichkeit nicht
über die Mängel im Hotelbetriebe wegtäuschen lassen
will; wir machen die Bekanntschaft des Hoteldirektors,
Herrn von Aigner, der von Frau und Sohn getrennt
lebt und dessen uneheliche Nachkommenschaft zahlreich
wie Sand am Meer ist, und beobachten, wie er
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Spanierinnen, Französinnen, Engländerinnen den Hof
macht; wir begrüßen viele der alten Bekannten wieder.
Es ist ein buntes Treiben nach Wiener Art: man redet
sich mit Herr und Frau von Soundso an und im
übrigen
Nicht viel Neues erfahren wir in diesem amüsanten
Akte. Friedrich Hofreiter, Doktor Mauer und Erna
Wahi haben eine Kletterpartie auf den steilen Aigner¬
turm (zum erstenmal bestiegen von Herrn von Aigner)
gemacht, der als besonders gefährlich bekannt ist. Erna
Wahl ist ein junges schnoddriges Ding, dessen Geilheit
kaum noch Naivität ist. Doktor Mauer macht sich Hoff¬
nungen auf ihre Hand, aber sie erklärt ihm rund heraus:
„Sie sind wirklich ein anständiger Mensch, Doktor
Mauer! Man hat so das Gefühl, wenn man Ihnen
einmal sein Schicksal anvertraut . .. da ist man dann
im Hafen. Da kann einem nichts mehr geschehen.

Nur weiß ich nicht recht, ob dieses Gefühl der Sicher¬
heit etwas so besonders Wünschenswertes bedeutet.
Wenigstens für mich. Wenn ich ganz aufrichtig sein
soll, Doktor Mauer, mir ist manchmal, als hätt ich vom
Dasein auch noch anderes zu erwarten oder zu fordern
als Sicherheit — und Frieden. Besseres oder Schlim¬
meres ich weiß nicht recht.“ — Sie liebt Friedrich
Hofreiter, ihren Friedrich, von ihrem siebenten Lebens¬
jahre an, und sie ist entschlossen, mit ihm durch dick und
dünn zu gehen. Die Kletterpartie hat das Maß ihrer
himmlischen Gefühle voll gemacht: — Friedrich Hof¬
reiter und Erna Wahl werden Hochzeit miteinander
Frau Genia hat endlich das getan, was sie tun
sollte: sie hat ihr Fenster nachts offen gelassen, und ein