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Der-Schleiender Bierrette
Telephon 12.801.
„ODSLNTEN
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Gaslienangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
112 1910#amburger Nachrichten
vom:
Hamburz
= [Zwei Uraufführungen in Magdeburg.] Aus Magde¬
burg schreibt uns unser Bt.=Mitarbeiter unterm 29. November:
Wie ich schon telegraphisch berichtete, erlebten wir heute gleich zwei
Premieren am hiesigen Stadttheater. Zwei Werke von größtem
Gegensatz gelangten zur Aufführung: die von feinem Stimmungs¬
reiz erfüllte Oper Claude Debussys „Der verlorene
Sohn“ (L’enfant prodigue) und die Schnitzlen=Dohnanyi¬
sche dreiaktige Pantomime „Der Schleier der Pierrette“
Hier künstlerisches Vermeiden nur rein theatralischer Wirkungen,
dort ein Sich=Häufen äußerlicher Effekte. über die Musik Claude
Debussys wurde Ihnen bereits aus Zürich berichtet. Hier hob sich
der Vorhang erst nach der Ouvertüre, worauf sogleich der Gesang
einsetzte. Mimi Gutheil=Pönsgen fand als Lia zu Herzen gehende
Töne und bot eine von leidenschaftlichem Schmerz um den Ver¬
lust des Sohnes erfüllte Darstellung, während Herrn Struensees
Azaël eine mehr als mäßige Leistung war, gesanglich wie schau¬
spielerisch.
Arthur Schnitzler hat zu der Pantomime eine sehr bunt¬
bewegte Handlung geschaffen und an Kontrasten nicht gespart.
Allzu kraß ist der Schluß: Pierrette wird eingeschlossen bei dem
toten Pierrot und tanzt, von Wahnsinn erfaßt, bis auch sie tot
zusammenbricht. Dohnanyis Komposition ist der Handlung ent¬
sprechend bald frohbewegt, bald von Schwermut erfüllt. Ich lobe
mir doch eine Dichtung, die der Worte nicht entbehrt und dafür
Übertreibungen in der Darstellung entraten kann.
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OBSERVER“
## Grr. behördl.
Seesionirtes
Bureau
# Seitungsnachrichten
Wien, I.
Ronkordiaplatz 4
1 72 1910.
Volksstimme, Magsoburg
AOgeah. Wierungeren A 2.
Der Schleier der Pierrette. Ernst von Dahnany hat eine
Musik zu Artur Schnitzlers dreiaktiger Pantomime geschrieben,
Neber undünsre Leser aus den Vornotizen schon
Prientiert. Die Musik Dohnanys ist eine feurige, von Leiden¬
schaft durchglühte Arbeit, die wirklich eine treffende Illustration
zur Pantomime ist. Bis in die kleinsten musikalischen Phrasen
kann man die Handlung verfolgen und der Komponist überträgt
mit einer Naturtreue, die den elementaren Wert noch um ein
bedeutendes erhöht. Dohnany ist ein stark empfindender Musiker,
der sich nicht von einer zufälligen Laune beherrschen läßt, son¬
dern dessen starker Wille auch einen kraftvollen Ausdruck findet.
Inszeniert und einstudiert war die Pantomime von der
Ballettmeisterin Anna Schubert. Es darf ausgesprochen wer¬
den, daß die Pantomime im ganzen treffend eingerichtet war.
Die Hauptrollenträger, Pierrot, Pierrette und deren Bräutigam,
panto = mimten äußerst wirkungsvoll. Nur für die Wahnsinns¬
szene am Schluß, die Dohnany so sauber und sorgfältig musi¬
kalisch zurechtgelegt hat, paßt der Tanz zu der Phrase nicht oder
deckte sich wenigstens nicht mit dieser.
Die Pantomime hinterläßt infolge der aufregenden Musik
und der aufregenden Handlung einen starken Eindruck, in dem
jedoch die Hauptrollenträger, Margarete Sedlmayr als
Pierrette, Alex Ingo=Brandt als Pierrot und Robert Becker
als Bräutigam wesentlich beteiligt waren. Am Pult saß Joseph
Göllrich, der mit Kraft und Entschlossenheit der feurigen
Musik des Ungarn einen schönen Erfolg verschaffte.
Grote.