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Fritz Rotha
2
Rezitation eigener Schöpfungen
8
Eiin Jauer
2
die pikante Chansionière
Richard Bellack
2
der Ur -Charlottenburger
Lotte Reineken
vom Thalia-Theater
Ernst Meiners
5
Tilly und Hans Bernhard
Gesangs- und Tanz-Duo
Nach dem Kabarett GESELLIGKEIT
225
2
Silliliittunniuleunnmminumnminnnnummminenmunmnmmmnmnmmmmme
schon so matt, daß Wirkungen nur von wirklichen Größen
zu erzielen gewesen. Die aber sind leider nicht da.
Dafür macht sich eine Mitelmäßigkeit breit, die meist
dann, wenn sie tragische Effekte zu erzielen wünscht,
grotesk, oder noch schlimmer, lächerlich wirkt. Erst ganz
zuletzt, wenn die Primadonna der Truppe allein die
Bühne beherrscht, merkt man gelegentlich menschliches
Erleben und menschliche Gestaltung.
Es ist die alte Geschichte vom Pierrot, den seine
Pierrette verläßt, um dem Herlekin zu folgen. An
ihrem Hochzeitstage muß sie noch einmal zu ihrem
Pierrot, den sie noch immer liebt. Ihr Zusammensein
erweckt in beiden den Wunsch, gemeinsam zu sterben.
Pierrot vergiftet sich, Pierrette aber ist zu feige und ent¬
flieht, ihr Brautschleier aber bleibt in den Händen des
toten Pierrot. Pierrette stürzt zurück, wo die Hochzeits¬
gesellschaft und Harlekin ungeduldig ihrer warten Sie
iritt ein, aber Harlekin sieht das Fehlen ihres Schleiers.
Er tanzt mit ihr einen wilden verzweifelten Tanz. Doch
Pierrot grinst ihr überall entgegen. Sie eil! hinweg.
Zu seiner Leiche.
Dort findet sie Harlekin. Ihr Betrug wird jetzt
offenbar.
Und jetzt könnte das Dramolet grausig und höllisch
groß werden. Harlekin zwingt seine Braut, die in
Kaffee Wilhelmplatz
Spreestrasse 10
am Untergrundbahnhof
Ammmimimmmmmmmmmimimmmimmmmmmmr
Täglich auserwähltes
KABARETT • PROGRAMM
Beginn Sonntags 6 Uhr
Wochentags 8 Uhr
wilder Angst vergeht, den toten Pierrot zu kosen und
vor ihm zu tanzen. Mit einem Fluche läßt er sie allein
mit dem Geliebten, um den der Tod geistert. Schatten,
Visionen werfen sich auf das gejagte Weib, dem der Tod
im Nacken sitzt und daß ihn doch auch jetzt noch haßt.
Mühsam taumelnd, halb irr, halb tot, rafft es sich auf
und tanzt zu Walzerklängen, die ihm von nebenan
Leben, tröstend und nah verheißen, bis es zusammen¬
bricht.
Um dieser einen Szene willen hat man vielleicht
das ganze Werkchen gegeben. Dann aber hätte man die
ganze breit ausladende Exposition zusammendrängen,
zusammenpressen sollen, anstatt sie noch gedehnter und
unmöglicher zu gestalten, als der Dichter. So war auch
das letzte matt und schal wie Pierrot, Harlekin
und Pierrette.
„St.
B.z Au Mittag Berlin
2 S SEP127
1
der Schleier der Piereite
Schnitzlers Pantomime in den Kammer¬
spielen.
Digser Pantomimische Ableger des Schnitz¬
lerschen Dramas „Der Schleier der Beatrice“ ist
eigentlich nuy jeisch angetüncht worden. Man
sah ihn vor ekwa zehn Jahren im Deutschen
Opernhaus; die Galafrés tanzte zur Musik
Ernst v. Dohnänyis. Das geschah zur
Ergötzung des Mittelstandes. Heute, in völlig
gewandelten Zeiten, faßt die russische Klein¬
kunstbühne „Kikimora“ diesen „Schleier“, zer¬
zieht ihn in drei Akte, also, daß der Faden der
nicht gerade phantasiereichen Pantomime ganz
dünn wird. Um so reichlicher wird getanzt.
Diesmal ist es ein mondänes Vergnügen; soll es
mindestens sein.
Die Pierrette, die, als eines anderen, des
Harlekins Braut, vor Pierrot erscheint; ihn den
Giftbecher leeren läßt, ohne ihm selbst ins Jen¬
seits zu folgen; endlich im Bann Pierrots
von Harlekins Seite zu ihrem toten Geliebten
entweicht und, mit ihm eingesperrt, stirbt: diese
tragische Pierrette ist Sofia Fedorowa II. Ich
kenne Nr. 1 nicht; sie wird aber jedenfalls
besser sein. Diese hier schleudert ihre Glied¬
maßen höchst theatralisch von sich, um Tragik zu
mimen, und auch wo sie sanfter ist, fehlt ihr all
das, was an den großen russischen Tänzerinnen
anziehend und hinreißend ist: tänzerische Anmut,
der Ausdruck wie von selbst entströmt. Schade.
daß ihr Pierrot so früh dahinging! Das war
Dr. Sam. Vermeil, auch künstlerischer Ober¬
leiter, schlank, sehnsuchtsvoll, anmutig, ein
Künstler und ein Tänzer. Aber eigentlich mußte
der hand= und fußfeste Harlekin Tschabrows
mehr nach dem Geschmack dieser Pierrette sein.
Zu solcher Mimotragik ertönte wiederum
Dohnanyis Musik, ein an sich wohlklingendes
Erzeugnis der Wagnerschwärmerei ohne Erbar¬
men, die von dem Orchester unter Heinrich
Forter in einen Jargon von zweifelhaftem
Klang übertragen wurde. Gelangt man aus der
tragikomischen Walkürenlandschaft in den Salon,
dann wird auch Dohnanyi mit seinem angebore¬
nen Gefühl für wechselnde Rhytmik ansprechend.
Und in solcher halben Stunde, also während des
ganzen zweiten Aktes, gab es ein Zusammenklin¬
gen hell bestrahlter, geschmackvoller Buntheit,
hübschen Ensembletanzes und der Musik, von der
aller Firniß abgefallen war. Ein Menuett war
ihr und des Tanzes Höhepunkt.
Im Dekorativen, für das Natalia Gontscha
Wera verwunderlich zeichnet, liegt sonst der
Hauptreiz einer im wesentlichen reit- und aus¬
druckslosen Aufführung. Wahrhaft tanzendes
Rußland. Pawlowa, erscheine!
A. W.