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23. Der Schleiender Bierrette
107+
Neues Wiener Tagblatt.
mime
Tairoff im Deutschen Volkstheatet.
inszeni.
Losch
Zum erstenmal: „Der Schleier der Pierrette.“— Pan¬
Sterna
tomime von Artur Schnitzler. — Musik von E. Dohnanyi.
Diesmal spielten die Russen stumm — also am verständ¬
fünfhur
lichsten für den Nicht=Russen. Denn die Geste ist eine Art
(darun.
Esperanto, kein Ersatz der Sprache, sondern nur eine andre
Chors
Form des Ausdruckes. Bewegung hat zu künden, was in der
getroffe
Seele vorgeht. Das „Russisch=romantische Theater“, das in
Gange.
Wien viel zu wenig gewürdigt wurde, hat das wunderbar
daß die
getroffen. Die Tairoffs waren gut, stellenweise interessant,
bald K
namentlich in gespensteryaften Szenen, die in den Gruppen
„Die D.
„Geist“ oft sogar unheimlich starke Plastik hatten, aber der
vergang
hinreißende innere Rhythmus, die Offenbarung des Tempera¬
ments, die man bei Tairoff gerade von der Pantomime erwartet
E H
n hat, die blieb dieses Moskauer Kammertheater schuldig. Nicht
im gros
nur, weil es an den äußeren Mitteln fehlt, die gerade Be¬
Akade
1 wegungskunst verlangt, sondern weil sie vielfach inhaltlich leer
unter L##
war. Alexander Romneff scheint dafür nicht der rechte Mann; er
Konzert
ist ohne tragische Kraft, nur auf Kontur bedacht. Er war Pierrot,
Akadem
den Pierrette liebt. Sie kommt von der Hochzeit mit Harlekin zu
E B
ihm und bringt Gift, um mit ihm zu sterben. Pierrot trinkt
sgale der
aber allein den Todestrunk, Pierrette flieht von seiner Leiche
Dirigen
und läßt bei der Flucht ihren Schleier zurück. Verstört erscheint
langt di
sie beim Hochzeitsfest, rasend stürzt sie sich in den Tanz, vom
M. W.
Bilde des toten Geliebten verfolgt. Da vermißt Harlekin ihren
Abbé In¬
er
Brautschleier. Sie stiehlt sich fort, zur Leiche Pierrots, um den
von Hu##
So#¬
Schleier zu holen. Der Bräutigam folgt ihr, erkennt, was
vorgefallen ist, stößt sie in eifersüchtiger Wut zur Leiche Pierrots,
die sie küssen und umarmen muß, bis Schmerz und Grauen
E Ar
Pierrette in den Wahnsinn jagen.
taurnee
Burggar“
Man sieht, der Schleier der Pierrette ist aus dem Gewebe
des „Schleiers der Beatrice“ gewoben, wohl ein Symbol der
Magdlichkeit wie Brünhildens Gürtel. Der Gedanke der
tragischen Pantomime hat darin dramatische — fast zu viel
dramatische Wucht, es ist vehemente Steigerung in straff ge¬
(Der
führter Linie. Das mag Schnitzler daran gereizt haben,
Bur
dieses Schnellen zum Ende, das wie ein Peitschenhieb ist, was
Ende Au
in der Darstellung auch so wirken mußte. Wild fortstürmendes,
Schönbri¬
glühendes Geschehen, das im alten ewigen Liebesspiel der Ver¬
Abonns
nichtung zujagt. Tairoff, bei dem Details oft das Beste sind,
½28 Uhr
den 6.
hat zuviel zerlegt, gegliedert, hat sich zu sehr bei allerdings
Theaten
oft originellen Episodenfiguren aufgehalten, wie bei jenen des
Barbie
grotesken Kapellmeisters, der zur eigenartigen Schemengestalt
Theaten¬
Wildsa¬
wird — ein bemerkenswerter Einfall.
Abonne
Als Schnitzlers Werk in der Wiener Oper aufgeführt
Deutsches
wurde, hat Godlewski die Hauptfigur getanzt. Lene Jamrich
de
Moskar
die Pierrette, die bei den Russen Alice Coonen spielte. Sie
5. d.,
war anfangs ein wenig blaß, gewann aber im Verlaufe ihrer
Schleier
1=
Tairoffé
Leistung an Intensität und wuchs in ihre Tragik hinein, von
in
Pierrett
Boris Ferdinandoff, dem Harlekin in der Mephistomaske,
13
19. Augie
mit fortgerissen. Er hatte Tempo und etwas von dem rhythmi¬
r=
Raimund#
schen Furor, den dieses Spiel fordert.
Theater
it
Merkwürdig ist, wie es Tairoff immer wieder in die
Myrten
Drastik jagt. Der Klavierauszug von „Giroflé=Girofla“, der in
„Die Ste
der Leichenszene auf dem Klavier liegt, ist eine charakteristische
Theater an
Einzelheit für diesen Mann, der auch in seinen Mängeln
Johann 6
fesselnd bleibt.
4
Bürgerthe¬
Dohnanyis Musik, von der Oper her noch in gutem
en
Kammersp
Erinnern, war bei Alexander Medtner trefflich aufgehoben.
(Embrase
Es ist ansprechende illustrative Musik von sinnlichem Kolorit.
Szerelem
Ein sehr hübsch instrumentiertes Menuett ragt gleich manchem
„Menya#
kleinerem Stück über die Hauptmotive hinaus, in denen die
7. D., 1/20
„Walküre“ geistert. „War's denn so furchtbar, was ich ver¬
das Tier
folgende¬
brochen?...“ klingt es wiederholt an. Nein, denn Dohnanyi
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langen 2#
gefiel dem Publikum sehr, wie das Werkchen Schnitzlers und
Stadttheat
die „Tairoffs“ gefielen. Der Abend war ein Erfolg — die Russen
dürften mit ihrem stummen Spiel am häufigsten zu Worte
Lustspielth=
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kommen.
H. T. Rolandbül¬
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Volkstheater gela im Rainen
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