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22. Benjunge Medandus
Aür Zolten
Kenkereispiats 4
sche Lnd
2.5 NOV 1910
h##iter sich abgebrochen, da tritt rasch der Umschwung ein.!
Gar schlägt der Pöbel den Begleiter eines französischen
## Feuilleton.
rlamentärs, der in die Stadt eingeritten ist, noch tot
K hundert gegen einen
aber dann wird schneller und

schneller das Zagen und Zittern übermächtig.
Sinnlose
Die Tragödie des Wienertums.
Gerüchte jagen einander: der Trattnerhof brennt, das
„Der junge Medardus“, dramatische Historie in einem
Palfsy'sche Palais desgleichen, in der Hosburg sollen aus Ver¬
sehen ungeheure Pulvervorräte liegen gelassen worden sein,
Vorspiel und fünf Aufzügen von Arthur Schnipler.
überdies waren die Franzosen und Napoleon anno 1805
Uraufführung im Wiener Burgtheater am 24. Nov. 1910.
ganz nett — warum soll man Krieg führen? Ist es nicht
Wien, 24. November (Tel.).
gescheiter, die Stadt zu übergeben? Zur rechten Zeit wird
der Erzherzog Karl mit seiner Armee doch nicht zum Ent¬
Nach den vielen Wiener Tragödien des Wienertums
satz heranrücken! Denn bei uns geschieht nie etwas zur
die uns Arthur Schnitzler in der Form von Dialogen,
rechten Zeit, steht nie der rechte Mann am rechten Platz...
Novellen, Schauspielen und Romanen bisher geschenkt hat
Es ist wundervoll, wie es Schnitzler gelungen ist, in
wagte sich dieser wienerischste unter den heutigen Poeten an
einigen Massenszenen all dies künstlerish lebendig zu machen.
die große Aufgab „eine Tragöde des Wienert ms zu schreiben.
Da ist eine Szene im Vorspiel, wo die jungen Landwehr¬
Ganz ist dem Dichter das, was ihm bei seiner Arbeit vor¬
leute vor ihrem Abmarsch in einem kleinen Wirtshaus in
schwebte, wohl nicht gelungen. Vielleicht ist unsere ver¬
den Donau=Auen ein Liebesmahl feiern: alles ist voller
grübelte und skeptische Zeit überhaupt nicht eine solche, auf
Begeisterung, die Wehrlieder Collins werden gesungen und
deren Boden der Riesenbaum der gewaltigen Tragödie auf¬
der Jubel errricht seinen Höhepunkt, als machtvoll ange¬
wächst. Immerhin aber hat unser Dichter — er ist unser!

stimmt wird:
auf einem bisher von ihm nicht bearbeiteten Boden einen
„Habsburgs Thron soll dauernd stehn, Oesterreich soll
Baum gezogen, prangend in reichem Blätter= und Blüten¬
nicht suntergehn. Auf, ihr Völker, bildet Heere, an die
schmück einer vielästigen, herrlichen Krone. Wenn man den
Grenze, fort zur Wehre, daß dem Kaiser in den Hallen,
„jungen Medardus“ liest, so ergeht es einem damit
Siegesjubel einst erschallen.“
wie mit Gerhart Hauptmanns „Florian Geyer“, den man
auch von einem zum anderen Mal lieber gewinnt. Wien,
Dann ist eine Szene auf einer der Basteien, hohen
das Prohlem dieser von einer freundlichen Natur reich be¬
Mauern, die die innere Stadt Wiens von den Vorstädten
schenkten, in einer tausendjährigen Kultur wurzelnden Stadt
schieden. Das Bürgermilitär hält Wache, das Zivilvolk treibt
die es durch Oberflächlichket, Schwäche und Selbstgenügsam¬
sich bewaffnet und unbewaffnet auf den Basteien herum,
leit auf keinem Gebiete menschlichen Wirkens zu den höchsten
Deutschmeister Grenadiere marschieren vorüber, ein französi¬
Ergebnissen bringt, ist der Mittelpunkt dieser dramatischen
scher Adjutant und sein Trompeter reiten durchs geöffnete
Hestorie, und weil für das Wien der Gegenwart nicht leicht
Tor herein, Frauen bringen Wein und Eßwaren, hernach
Eeine Personifikation zu finden wäre und weil auch farbige
beginnt die Kanonade, in den Vorstädten des Hinrergrundes
Geschichtsbilder vor des Dichters Phanta ie verführerisch auf¬
wird der Feuerschein heller und heller, Fliehende laufen
leuchteten, so wurde die Handlung in das Kriegsjahr 1809
vorüber, ein Grenadier, der den Mob verhindern will, auf
verlegt. Zum zweiten Mal ist ein Heer des großen Napoleen
der Bastei die weiße Fahne der Feigheit und Uebergabe
auf dem Wege nach der Kaiserstadt. Napoleon selbst hat!
aufzupflanzen, wird gelyncht, just vorher hat sich ein elegantes
so verlautet, Spanien, wo er eben noch kämpfte, ver en
Ehepaar die Vorgänge wie ein interessantes Schauspiel an¬
und wird vor Wien ziehen.
In Wien schwankt die Sim¬
gesehen, und gleich darnach erfolgt die Uebergabe der Stadt.
mung der Bevölkerung von Stunde zu Stunde. Juerst
Schließlich die Szene im Schönbrunner Schloßhof, die Wiener,
ist die Kriegsbegeisterung allgemein. Regimenter werden
nach Wallenstein für jedes Spektakel heiß entbrannt, drängen
ergänzt junge Mannschaftuerden ausgehoben, niemand
und stoßen einander, den im Lustschloß residierenden Na¬
will zurückbleiben; ein Schaster, der in der Stadt als Türg r¬
poleon, seine Dinergäste, und seine buntsarbigen Soldaten
gardist bleiben soll, erschießt sich, weil er nicht mit ins
zu schauen. Alles andere ist vergessen. Gleich darauf aber
Feld darf, und ein Student, den das gleiche Los traf, bietet
wird ein erkannter Denunziant halb totgeschlagen und tags
alles auf, einen zum Ausrücken Bestimmten dazu zu be¬
zuvor hat sich im Applaus einer Theatervorstellung der
wegen, ihn an seiner Stelle in die Schlacht gehen zu lassen.
mächtigste Patriorismus kundgegeben. Nochmals: es ist ganz
Auch die Zurückbleibenden sind voller Kampfeslust. Als
wundervoll, wie es Schnitzler gelungen ist, jene Zeit und
die Niederlagen von Ingolstadt und Eckmühl gemeldet wer¬
unser Wien grausam echt nachzugestalten. ...
den, als die französische Armee Wien zu beschieten anfängt,
Von diesem Hintergrund hebt sich nun das Schicksal des
als verlautet, der kommandierende Erzherzog habe die Sadet
Medardus Klähr ab, den Napoleons General Rapp „dieses
verlassen, sei über die Donau gezogen und habe die Brücken! Krieges letzten und seltsamsten Helden“ nennt. Dem jungen!
M
tapferen Bürgersohn Medardus fehlt z
er dürfte kein Wiener sein. Anders
sich selbst oder hätte ihn das Geschick
gestellt. Aber er ist Wiener, und so
Wille. Erst ist er kriegsbereit. Doch zu
zwei Selbstmörder gebracht, die der
Donanwirtshaus ans Land gespült hat
des Medardus und ihr Geliebter, de
die gemeinsam starben, weil die Valo
Frankreichs Krone, die Mésalliance de
laubten. Umsonst sagt dem Medardu##
„Mitstürzen in die Vernichtung ode
weitergehen — es gibt keine andere
abänderliche.“ Medardus bleibt in W
nicht mitentgegen. Vaterland Ruhm
ihm leerer Schall geworden. Er will
gräbnis des Selbstmörderpaares lernt
ster kennen die, verlobt mit einem Vett
Tod die Nächste ist zu Frankreichs K
flammt mit kühnem Ansturm der Prin
sie zu seiner Geliebten um ihre Schand
ganzen Welt ins Gesicht zu schreien. All
bleiot sein Wille nicht auf der erkorenen
selbtst der Leidenschaft zur Prinzessin
ihrer Hand. Aber er möchte sich befreie##
großen Tat. Napoléon ist schuld an sei
Oheims Tod. Medardus beschließt, der
Kaum hat er den Plan gefaßt, da ford
gleiche Tat von ihm. Soll er ihrem kün
den Weg zum Thron bereiten? Er
Da wird die Prinzessin plötzlich zu Na###
in der Stadt raunt man, sie sei des §
dardus löst sich innerlich von ihr los
brunn, Napoléon doch zu töten. An
dardus inmitten des Volkes lauert, kom
Dinergästen Napoléons die Prinzessin
abermals läßt er sich von außen her l
Geliebten den Dolch in die Brust. M
fängnis; und dort erst gelingt es ihm
zu überwinden. Es hat sich herausgeste
selbst bei jenem Diner Napoléon mord
ist Medardus der Retter des Kaisers g
für dankbar Leben und Freiheit schei
aber bekennt seine wahre Attentatsabsi
und Freiheit von Napoléon selbst für d
künftig nichts gegen den Kaiser zu un
Er schwört vielmehr, er werde Napoléon
er ihn erreichen könne. So muß er
wehrsalve des Hochverräters empfangen
ren Leben ganz erfolglos, ein Opfer sei
er aber innerlich doch überwunden hat,
Es ist nicht wahrscheinlich, daß