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22. Derjunge bedandus
wenn man nicht die fünf Stunden der Darstellung im von seinem Plane abgebracht,
c###, Wiener Brief
Theater verleben kann. Übrigens enthält der Dialog viele
zuwersen. Rachegedanken and
Die Theaiersensation — Glaube und Heimat — Wohnungsnot —
Feinheiten, die in der Kulissenwelt erdrückt werden und Er will an den Valois die sein
Christkindelmarkt)
bei denen der Leser um so dankbarer verweilt.
und das schwere Unglück führ
F.11. 710
Der junge Medardus führt uns in das Wien des
stimmt es anders: Medardus
Wien, Ende November 1910
Jahres 1809. Wir erleben die Franzosenzeit mit allen
Netze der schönen Tochter des
Die große Sensation des laufenden Theaterjahres in
ihren Schrecken und Greueln, aber wir können uns auch
Nicht kopflos, planlos, sondern
vorüber: am 24. November erlebte Arthur Schnitzlers
des flammenden Patriotismus erfreuen, der sich so schön
Er will Helene Valois in Sch#
dramatische Historie Der junge Medardus ihre erste Auf¬
geltend machte, als es hieß, den Kampf gegen den
mit Gleichem vergelten. Aber
führung im Hofburgtheater. In der ursprünglichen Fassung
grimmigen Feind aufzunehmen. Die dramatische Histprie
die Wiener in Napoleon ihr
des Stückes hätte die Darstellung sieben Stunden in An¬
sucht den Geist der Zeit auf die Bühne zu bringen, das
absichtigt, Medardus nur für
spruch genommen und das war etwas mehr, als die Nerven
Denken und Fühlen der Menschen in einer so großen
mißbrauchen. Damit die Valois
eines modernen Menschen vertragen können. Jetzt dauert
Epoche zu charatierisieren. Allerdings sind unter den
reichs kommen können, soll er
die Aufführung volle fünf Stunden, was immerhin noch
Persönlichkeiten, die auftreten, nur wenige historische Ge¬
ermorden. Wiessonderbar!
eine hübsche Leistung ist. Allerdings ermüdet der Zuschauer
stalten. Aber die braven und schlechten Landeskinder und
Wiener Jüngling gedacht, doch
in seinem Interesse nicht, denn die 15 Verwandlungen, die
die raurevollen französischen Emigranten, die sich nicht in
nahelegt, will er davon nichts
der Regisseur des Burgtheaters zuließ, bringen viel Leben
den Blättern der Geschichte verzeichnet finden, sind so ge¬
Schloßhofe zu Schönbrunne
und Abwechslung auf die Bühne. Schon der Theaterzettel
sehen und erfunden, daß man das Gefühl hat, sie hötten
hochstrebende Helene, die er in
ist eine Kuriosität und es will etwas heißen, daß die
ganz gut Anno 1803 leben können. Historisch, im strengen
Napoleon insgeheim eine Lien
Künstler der ersten Bühne Österreichs bis auf den letzten
Sinne des Wortes, ist eigentlich bloß die Tatsache, daß ein
Gefängnis wird sich der jung
Mann — und das buchstäblich genommen — ausrücken
Attentat auf Napoleon versucht wurde, als der Kaiser der
bewußt: Helene war nach Schön
müssen. Dafür enthält der Theaterzettel mehr als sechzig
Franzosen zum zweiten Male in Schönbrunn residierte.
borgenen Mordstahl gegen den
Namen von männlichen Mitwirkenden. Nicht so vollständig
Ein deutscher Jüngling, der Pastorssohn Friedrich Staps,
auch Medardus zu schwanken
ist die Liste der weiblichen Mitglieder des Burgtheaters
hatte den Entschluß gefaßt, den Bedrücker seines weiten
Heldenpose. Er könnte sich r
vertreten. Immerhin konnten wir eineinhalb Dutzend
Vaterlandes aus der Welt zu schaffen. Er reiste von Erfurt
Schlinge ziehen, aber er will st
Schauspielerinnen zählen. Dieses Aufgebot hätte schon an
nach Wien und näherte sich am 12. Oktober 1809 Napoleon,
Augen in den Tod rennen. P
sich genügt, um das Publikum in hellen Scharen herbei¬
um ihn mit einem scharfen Messer zu erdolchen. Aber ehe
sichten er gehabt, daß auch er
zulocken. Dazu kam jedoch noch der Umstand, daß Arthur
Staps noch an den Sieger von Austerlitz und Wagram
Und er stirbt dafür.
Schnitzler in Wien einen großen Kreis von Verehrern hat.
herankommen konnte, wurde er von General Rapp erblickt
Das ist die Fabel des
So erwiesen sich die weiten prachtvollen Räume des Burg¬
und ins Gefängnis geschickt. Aus Friedrich Staps ist der
durch die Handlung läuft."
theaters zu eng, um all die zu fassen, die gern kei der
junge Medardus geworden; aus einem phantastischen
sammengedrängte Inhaltsanga
Premiere gewesen wären. Um es gleich zu sagen: der Abend
Jüngling, der sich von Gott zu einer hohen Mission berufen
seine dramatische Historie hine
brachte dem Dichter einen starken, rauschenden Erfolg. Auch
fühlte, wurde ein verliebtes, schwankendes Wiener Kind.
wienerische Menschen treten a
die Wiener Kritiker, die ihres Amtes zu walten hatten,
Seine Mutter, Frau Klähr, hatte ihren Mann ver¬
ihrem Idealismus, in ihrer
zollten dem glücklichen Wurfe Schnitzlers und der hin
loren, als Napoleon zum ersten Male gegen die Hauptstadt
Daneben gibt es auch viel
gebungsvollen sorgsamen Aufführung des Buratheaters
Österreichs heranrückte. Deshalb blieb in der Familie ein Denunzianten, schleichende Na##
trotz manchen Vorbehaltes volle Anerkennung. Wien hat
starler Haß gegen den Emporkömmling, der der Welt
Es wird viel gesungen und ges
für die nächste Zeit ein Anziehungsmittel ersten Ranges,
seinen Willen aufzwingen wollte. Kein Wunder, daß sich
und der Tod hält reiche Ernte.
denn wer würde sich die Gelegenheit entgehen lassen, die
der junge Medardus Klähr mit unter denen findet, die sich
der rauhen Napoleonischen Zei
Prachtleistung Schnitzlers und des Burgtheaters zu ge¬
freiwillig melden, um Österreich im Kampfe gegen den Er= brausenden Strome anwächst un
nießen. Dennoch ist es sehr fraglich, ob der junge
oberer zu unterstützen. Schon ist der junge Medardus in fließendes Bächlein zu sein. 3
Medardus auch an anderen Bühnen sein Glück versuchen
der schmucken Landwehrtracht ausgerückt, um sich den ab= der gleichsam immer über der ##
wird. Es gibt ganz wenige Theater, die sowohl über die ziehenden Truppen anzuschließen. Doch da schwemmt die
mals auf die Bühne kommt:
genügenden künstlerischen als materiellen Mittel verfügen, Donau zwei Leichen an: seine liebreizende Schwester und
feiner dramatischer Witz, den sich
um das Stück aufzuführen, das in der Buchausgabe den schönen Franz Valois, der ihr lange den Hof gemacht
Stimmungsschilderer wie Schn
200 Seiten umfaßt. Trotzdem kann jeder das neueste Werkhat. Vergebens freilich! Sein Vater, der in Wien im Exil
jungen Medardus hätte Kainz
des bühnengewandten Verfassers von Anatol, Liebelei usw. lebende ehemalige Herzog von Valois, wollte die Heirat
die Rolle in den Händen des He
auf sich wirken lassen. Die reichlichen Regieangaben, die seines Kindes mit einem Bürgermädel nicht zugeben, denn
aufbietet, wie ja alle mit hei
der Dichter im Buche gemacht hat, gestatten es, sich die Vor= er nahm für sich und sein Haus die Krone Frankreichs in
sind.
Der Sensationsabe
gänge auf der Bühne plastisch zu veranschaulichen, auch Anspruch. Durch dieses tragische Erlebnis wird Medardus Premierenfieber ist überwunden