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22 Dendardus
OBSERVER“
I. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Zeitung srachrichten
Wien, 1.
Konkordiaplatz 4
madtate Wiener Rhealtutg wie
Abendblatt
14. 12. 1010
Theaterzeitung.
In unserem B## wurde jüngst erzählt, daß
Artur Schnitzler, der keinem guten Freund eine
Karted=Jungen Medardus besorgen wollte,
an der Kasse des Burgtheaters abgewiesen werden
mußte, weil das Haus ausverkauft war. Noch
schlimmer ist es dem Dichter, wie die „Münchener
Zeitung“ schreibt am letzten Samstag in München
ergangen; da wurde er an seinem Ehrenabend
gleich selbst ausgesperrt. Das Schauspielhaus hatte
Schnitzler eine Freude machen wollen und die Ein¬
akter „Literatur", „Komtesse Mizzi“ und „Die letzten
Masken“ angesetzt. Der Dichter wurde eingeladen,
aber-man vergaß, ihm einen Platz zu reservieren. Am
AAbend war große Not. denn das Haus war bis auf
den letzten Platz besetzt, selbst die Direktionsloge war
werkauft, Schnitzler hätte draußen bleiben müssen —
wenn ihm nicht der Gatte der Frau Schaffer seinen
Platz abgetreten hätte. Das Publikum aber war gerade
gekommen, um den Dichter zu sehen, und feierte ihn
zum Schlusse mit einer herzlichen Ovation.
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Vertretungen
# berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiase
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(dpelienangabe ehne Gewllel.
Ausschnitt aus:
vom:
Theater-Courier, Berlin
1
SSe
Wien.
„Der junge Medardus“. (Uraufführung).
Hofburgtheater. An diesem Premierabende lastete tiefe Weh¬
Flnt auf unser aller Herzen, ein schmerzliches Gedenken des größten Meisters
darstellender Kunst, der der Stolz des gesamten deutschen Theaters gewesen
ist. War es doch Josef Kainz, der die Rolle des jungen Medardus hätte
kreieren sollen und mit dem Artur Schnitzler, der Autor des Werkes, schon
Snonatelang vor jener verhängnisvollen Operation alle Charaktereinzelheiten
Edes Titelbelden besprach und denselben förmlich in Gemeinschaft mit seinem
Freunde Kainz gestaltete ....
Nun ist ein anderer an die Stelle des un¬
erreichbaren Künstlers getreten und hat uns mit der aufrichtigen Trauer
um den Dahingeschiedenen erfüllt. Nicht etwa, daß wir Herrn Gerasch den
Anspruch auf Anerkennung absprechen oder seine schauspielerische Begabung
negieren wollten! Er ist sicherlich ein bemerkenswertes Talent, eine Zierde
unseres Hoftheaters aber die überragende Individualität eines Kainz
mangelt ihm eben, wie so vielen anderen seiner Kollegen. — Schnitzler hat
seine Dichtung „Der junge Medardus“ als dramatische Hiftie berrichket
Das Werk, welches fast die ganzen Ereignisse des für Wien so inhaltss
vollen Jahres 1809 umschließt, ist wohl das umfang= und szenenreichster
Stück, das seit Dezennien geschrieben wurde. Beinahe einundeinhalb Dutzent
Male hebt und senkt sich die Courtine und nicht weniger als Drei Viertell
hundert Menschen greifen aktiv in die Handlung ein. Das Burgtheater haß
sein Eusemble bis auf den letzten Mann mobilisieren müssen, um det
Massendarstellung gerecht zu werden. — Wir wollen nun unsere Leses
mit dem Inhalte dieser Bühnensensation in aller Kürze bekannt machen
Das Kriegsjahr 1809 hat den jungen Buchhändlerssohn Medardus Klähs¬
mächtig erregt und er beschließt als Freiwilliger in den Kampf gegen die
herannahenden Franzosen zu ziehen. Während er sich zusammen mit vieleb
anderen in einem Gasthause nabe der Donau zum Abmarsch rüstet, werdes
die Leichen zweier Selbstmörder, die in den Fluten den Tod suchten, herbes
geschafft, und Medardus erkennt in ihnen seine eigene Schwester Agathe um
den Sohn des in Wien lebenden französischen Thronprätendanten, Herzc
von Valois, die sich in inniger Liebe zugetan waren. Auf dem Friedhoz
beim Grabe der beiden begegnet Medardus der hochmütigen Schwester de
Prinzen, Helene, die er schwer beleidigt, worauf er sich mit ihrem Brätz
tigam, dem Marquis von Valois, duellieren muß. Während er an de
Folgen des Zweikampfes darniederliegt, sendet ihm die Prinzessin eine Bot###
mit Blumen ins Haus und läßt ihm auf diese Weise ihre keimende Zu¬
neigung erraten. Der junge Buchhändlerssohn erblickt nun die schöns
Nache für den Tod seiner Schwester darin, daß er die Herzogstochter ##
Falle bringe und sie dann dem allgemeinen Spotte preisgebe. In der liebt
heißen Umarmung vergißt er jedoch sein Ziel und die Racheempfindung
wandeln sich . Da wird plötzlich die Familie des Jünglings von einem neue
Unglück betroffen. Ein Onkel, der Sattlermeister Eschenbacher, wird wege
antinavoleonischer Umtriebe standrechtlich erschossen. Nun hat Medardr
einen neuen Lebenszweck: Er will an dem großen Franzosenkaiser, der
Unterdrücker des deutschen Volkes, dem Anstifter aller Greueltaten, Rach
nehmen: doch auch dieses Ziel bleibt unerreicht. Als Medardus sich in
mitten einer großen Volksmenge im Schloßhose von Schönbrunnn dräng
um eine günstige Gelegenheit abzuwarten den meuchlerischen Dolch in das
Herz Napoleons zu senken, sieht er seine Geliebte, die Prinzessin von Valois,
den Gemächern des großen Kaisers zuschreiten — und in sinnloser Eifersucht
stürzt er auf sie und ssicht die Ungetreue nieder. Da es sich herausstellt.
hf Hetene einen Mordversuch gegen Napoleon, den natürlichen Feind ihres
Nönigsgeschlechtes, beabsichtigte, wird Medardus als Lebensretter des Kaisers
ans dem Nerter befreit; er weist jedoch die Gnade zurück, weigert sich, einen
Schwur zu leisten, nie mehr nach Napoleons Leben zu trachten und wird
duber füsiliert. Natürlich stehen mit dieser Haupthandlung zahllose
Episoden im Iusummenbange, die zur Illustration der damaligen Zeit und
der sozinten Zustände entsprechend beitragen. Auch die dekorative Insze¬
nierung trägt zur Chrakterisierung der altwiener Verhältnisse von anno
nenen vielsach bei und zeigt uns neben wohlgelungenen Basteienbildern,
heimlichen Interieurs und einem stimmungsvollen Friedhof, die geradezu
überraschende Szenerie des Schönbrunner Schloßhofes, — Gespielt wurde
dem Range unserer Hofbühne entsprechend; doch fehlte, wie schon eingangs
erwähnt. Kainz's alles überragende Individualität, durch die der Titelheld
zu einer in jeder Hinsicht markanten Persönlichkeit emporgestiegen wäre, die
uns mit der zuweilen unmännlichen Abertriebenheit des jungen Medardus
leichter versöhm hätte. Trotz einer fünfstündigen Spielzeit bewahrte das
Publikum volle Aufnahmesähigkeit und zeigte bis zur letzten Szene das
lebhafteste Interesse an den bunten Vorgangen auf der Bühne. Nach jedem
Altschlusse wurde der anwesende Dichter mit donnerndem Applaus vor die
Rampe gerusen und persönlich alllamiert.
A SR

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