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22. Derjunge Nedandus
lers, von ihm ab wird man später kaum eine Epoche das andere Mal ein Freund,
Der neue Schnitzler.7
in seinem Wirken datieren können, er ist kein Wende=scharf genug, kurzsichtig und
Der junge Medardus. Historische Tragödie in 5 Aufzügen und einem
punkt, doch wohl ein Höhepunkt. Und darum ist ja kein Held, ist kein Tor, eigent
Vorspiel. Uraufführung am Wiener Burgtheater, den 24. November
gleich das erstemal der große Beifall der Menge auf
brav, bürgerlich, hat falsche
(die Buchausgabe erschien bei S. Fischer, Berlin).
ihn herabgedonnert und herabgerast.
Durchschnittsmensch, und er
Hört man zum erstenmal, daß das neue Drama
Was Schnitzler beim ersten Erleben dieses Stoffes
anderen Zeit, nach dem Absch#
Schnitzlers mehr als 70 Menschen auf die Bühne stelle,
gesehen haben mag, als das Chaos der Bilder, Worte sicherlich das Geschäft seiner
daß es 17mal den Schauplatz wechsle, daß es — bei
und Klänge noch ungebändigt in ihm tobte, mußlerswitwe, übernehmen und
den größtmöglichsten Strichen — fünf Stunden dauere,
wunderschön gewesen sein, muß so schön gewesen sein, händler werden. Er ist nur
so ist man förmlich erschreckt, weil alles das, was wir
wie es nur erste Dichterträume sind. Er sah da einen
so ja geschaffen, bestimmt für
mit dem Namen Schnitzler verbinden, einzustürzen droht.
Jüngling, geladen mit allen Energien eines Zwanzig=schäumende Jugendkraft ein Z
Man fürchtet, daß einer, den man lieb gehabt hat, um
jährigen, willens, die Welt aus ihren Angeln zu hebenssie es nicht hat, macht eben
seiner stillen, nachdenklichen und ein wenig weltmännischen
und sie auf seinen starken Schultern für eine Weile zuSchnitzler verzichtet als vorn
Art, plötzlich als ein anderer hintritt, als ein Tragiker,
tragen. Den sah er und dann sah er, wie all diese an¬
Sendung, eine Auserwählung
ein Pathetiker großen Stiles, den wir noch nicht kennen
gesammelte angespannte Kraft, um sich nur irgendwie
täuschen, er läßt ihn mur ein
und in den wir uns erst finden werden müssen. Und da¬
zu entladen, blind und sinnlos hervorschoß, um sich
erst wird jo „das Ende einer
bei erhofft man das alles ein klein wenig — um des
tobte, gegen dieses rannte, um jenes warb, den Sinn Das andere wäre ja höchsten
Dichters willen. Aber kommt man in das Drama selbst,
mit dem Ganzen zu verlieren begann, sich verspritzte,
mers, eines Phantasten und ni
läßt sich von seinen Worten einspinnen, so ist man nach sich vertat, sich verpfuschte, bis aus dem schönen Jüng¬
ler erleben lassen will.
drei Sätzen schon von all dem weg und mitten drinn ling ein armer Narr geworden war, der sein Leben eitel,
Es ist seine zweite Meister
im Schnitzler, in dem Schnitzler, den wir alle kennen dumm und erschöpft fallen ließ. Das ist der junge Me¬
ling in das Kriegsjahr 1809
und lieben, und der hier trotz Rauch, Pulverdampf, Hin=dardus, die Tragödie aller Jugend. Das Leben arbeitet
derbare tatengroße Zeit für
richtung, Mord und Selbstmord geblieben wie er war nur kleiner, nur winziger, als es die Dichter kun, aber
scheint, alles in Bewegung un
verliebt in die Wiener Kleinbürgerlichkeit, in dieses arbeitet ebenso, es macht aus dem Studenten mit der dann von der Enge erdrückt
Liebeleien erster Jugend, elegisch müde und ergebungs=lbunten Mütze, der nur irgend etwas unternehmen will, versickert. Der Tatendurst wir
voll lebensfreudig. Dieser tiefste Ton bei Schnitzler, einen Postbeamten, aus dem Leutnant, der von der gehangen und die Schicksalsho
der immer wiederkehrt und in dem Doktor seines Dra=IGrenze und den Frauen das Leben, den Krieg erwartet,
den zur tiefsten Schmach Öster
mas „Der Ruf des Lebens“ den schönsten Ausdruck ge=seinen Pensionisten. Most wird Wein, sagt man. Abertergrund, wo ein Sturm die I
funden hat, klingt auch hier auf, schmerzlich und dennoch man verschweigt, daß der Wein sauer geworden war,
ihr als Feldherr das Ziel zu
nicht niedergebrochen, pantheistisch friedvoll. Hoffnungs¬
als man ihn zum Trinken bekam.
einem kleinen Wäldchen schon
volle Hoffnungslosigkeit könnte man dies Gefühl nen¬
Aber man verwechsle um Gottes willen nicht den
wird, dieser Hintergrund zeich
nen, das für sein armes Ich nichts mehr erwartet, aber
jungen Medardus mit den Jünglingen aus den üblichen
jungen Medardus doppelt scharf
vom Leben, von der Natur, vom All alles erwartet
Jugendromanen, die uns als Künstler vorgestellt wer¬
ßen die Berge, überall wird ei
und vielleicht fällt dann auch fürs Ich etwas ab.
den, aber nur Faiseure sind, und irgendwie tödlich ver¬
in ganz Österreich.
Der junge Medardus also ist kein Wendepunkt inlunglücken. Nein, das Feinste an diesem Drama ist, daß
Und es ist Schnitzlers drit
Schnitzlers Schaffen, keine jener gefährlichen Wende=Schnitzlers junge Medardus nichts als nur jung ist, Medardus und neben die T
punkte, wo dem Dichter der große Beifall der Mengesnur jung. „Junger Held, junger Tor“ wird einmal zu Wien und die Wiener zu stellen
vorerst versagt wird, weil sie ihn einen neuen unge=Medardus gesagt und ein andermal „Gott wollte ihns in ihrem Spott, ihrem Hohn,
wohnten Weg gehen sieht. Der junge Medardus er=zum Helden schaffen der Lauf der Dinge macht einen Lorn, ihrer Liebe das, was
schließt nicht neue Perspektiven in die Seele Schnitz=Narren aus ihm“. Das eine Mal sagt's ein Fremder, Trania gelungen. In einer Reg
enger ene