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ein Aufführungsjubiläum feierte?! Aber da mitf irzelt
Verstoß geschehen sein. Entweder wußte Dr. Schnitzler nichts von
der Sache oder man hatte vergessen, ihn zu informieren —
kurzum, er rührte sich nicht. Es gab kein Nachtmahl. Die Dar¬
steller gingen leer aus — gerade am Jubiläumsabend, da von
diesem Augenblick an erklärten sie: „Jetzt ist uns der „Junge
Medardus“ — Wurst!“
Ein Wiener Theaterdirektor war vor kurzem in Berlin und
hat von dort ein geflügeltes Wort mitgebracht, das sehr charak¬
teristisch für die Berliner Theaterzustände ist. Bekanntlich hat
dort die Affäre eines Bühnenleiters, dem die Konzession entzogen
wurde, viel Staub anfgewirbelt. Dieser Mann führt aber vor¬
läufig nicht nur sein Theater — sondern auch noch zwei andere.
Als ihn der Wiener Direktor nun darübrr interpellierte, ant¬
wortete der Berliner mit guter Selbstironie:
„Wissen Sie, das ist bei uns so ... je weuiger
Konzession, desto mehr Theater!“
Es gibt Künstler, deren Individualität sich auch außerhalb
der Bühne auslebt. Ihr künstlerisches Wesen deckt sich mit ihrem
Privatcharakter. So kennt man Tragöden, die auch im Leben
die düstere Geste haben. Aber es gibt auch Komiker, die nicht
nur auf der Szene ihre drastischen Einfälle haben. Zu diesen
gehört auch die Niese. Sie überrumpelt die Mitspielenden oft
mit einer heiteren Improvisation, wobei ihr die Partner allerdings
nichts schuldig zu bleiben pflegen. Vor kurzem hat sie sich
einen besonderen Spaß erdacht. Im Josefstädter und Lust¬
sspieltheater gibt es eine ganze Reihe von Darstellern,
die teils geborene, teils gelernte „Böhmen“ sind. Sie sprechen
inter den Kulissen recht oft in ihrer Heimatsprache und Hansi
Niese steht verständnislos daneben und weiß nicht recht, ob das
dloß Frozzelei oder Gewohnheit ist. In letzterer Zeit kam es nun
häufig vor, daß die Herren Lessen und Ramharter ihre tschechischen
Sprachkünste — vor der Garderobentür der Künstlerin erprobten.
Das ging im muntersten Tschechisch so hin und her, natürlich
nur, um Frau Niese ein bißchen zu ärgern. Die Frau Direktorin
gedachte sich nun für diesen Sprachenfrevel zu revanchieren. Ge¬
wöhnlich riefen die beiden zur Garderobetür der Künstlerin die
stereotypen Fragen hinein:
„Lachen die Leute viel?“ oder
„Ist's heute sehr voll?“
Vor kurzem geschah es nun im Lustspieltheater, daß sich
Herr Lessen wieder vor der Tür der Niese aufpflanzte. Plötzlich
hört er die Stimme der Künstlerin: „Smeji se lidi moc?“
(„Lachen die Leute viel?“) klang es aus ihrem Munde in
schönstem Tschechisch.
Herr Lessen war starr. Er rief sofort Herrn Ramharter
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herbei.
Herr Ramharter begrüßte die Niese natürlich tschechisch.
Man hörte nun wieder die liebliche Sprache Libussas un¬
verfälscht:
„Je mnoho lidu zde?“ („Ist es sehr voll?")
Herrn Ramharter war noch starrer. Er richtet ein paar
Fragen an Hansi Niese, sie beantwortet sie ebenso, glänzend und
Sie hatte sich nämlich die Antworten auf die ge¬
richtig
wöhnlich gleichbleibenden Fragen von ihrer Köchin aufschreiben
lassen.
Und im ganzen Theater verbreitete es sich, daß Hansi Niese
keine Wienerin, sondern eine Böhmin sei..
Im Literatenkaffeehaus sitzt die tägliche Runde beisammen.
Man spricht über einige Mißerfolge des Operettengenres. Darüber
wird dort zwischen 3 und 4 Uhr eifrig gesprochen. Ein Librettist
wirft gerade eine Bühnenzeitung mit Emphase von sich und
ruft aus:
„Was sagt ihr, in Leipzig war die Operette „So und
So“ nur einmal. Ist das nicht unerhört?“
Der Librettist des betreffenden Werkes schüttelt darauf den
Kopf und meint: „Ja — das waren früher noch schöne Zeiten,
wo jede Operette mindestens dreimal gegeben wurde! . .
Bei einem Rout, der vor einigen Tagen stattfand, wurde
Herr Girardi dem Finanzminister durch einen bekannten Publizisten
vorgestellt:
„Erlauben, Exzellenz, daß ich Sie mit dem Manne bekannt
mache, der den größten Kredit in Europa genießt!“
Der Finanzminister lachte. „Sie haben recht. Wenn ich
nächstens eine Anleihe mache, werde ich auf den Prospekt drauf¬
schreiben: „Girardi=Rente“. Da bin ich sicher, daß ich
auf einen großen Erfolg rechnen kann.“
„Ich dank' schön, Exzellenz“ erwiderte Girardi, „vergessen
S' nur nicht, mir a paar Exemplare zur Ansicht zu schicken
Aber zu Künstlerpreisen!“
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