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M.
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22. ber jungedarus
WIENER MITTEILUNGEN.
Nr. 4
Deutschen Volkstheater ließ ihre Anwerbung als eine unaufschiebbare
Maßnahme erscheinen. Damit steht aber ihre Beschäftigung — sie spielte
nur die Titelrolle in -Dorothys Rettunge — in auffallendem Wider¬
spruche. Daß die bescheidenen Fähigkeiten des Fräuleins Hönigswald
für das Burgtheater vollkommen wertlos sind, das steht außer aller
Frage.
Von Regietaten ist nichts zu melden, allerdings auch nichts von Regie¬
untaten. Es ist die bisher gebräuchlich gewesene, aber deshalb noch
durchaus nicht abgebrauchte Art, zunächst den Dichter wirken zu lassen
und deshalb mehr auf die Micht des Wortes zu vertrauen, als durch
äußerliche Zutaten im Bühnenbild und Massenwirkung die Phantasie des
Zuschauers zu unterstützen. Von diesem Standpunkte aus ist die beste
Regieführung die, die nicht in die Augen springt. Freilich gehören dazu
machtvolle Persönlichkeiten als Darsteller mit überragender Gestaltungskraft,
deren überzeugende Kunst nicht erst der Unterstreichung durch besondere
szenische Hilfsmittel bedarf. In diesem Sinne hat der neue Leiter nicht
zu wirken verstanden. Manche Aufführung hätte der kräftigen Nachhilfe
eines phantasievollen Spielleiters bedurft, ohne sie zu finden.
So schließt die künstlerische Bilanz des ersten Jahres mit einem
Deßizit, das bald wird beseitigt werden müssen, wenn die alte Burgtheater¬
kunst nicht Bankerott machen soll.
Dr. A. N.
Ludwig Tiecks Werke in Auswahl.
Es war eine sehr glückliche Idee des Herausgebers der -Hempelschen
Klassikerausgabens, die nunmehr als sogenannte -Goldene Klassiker¬
bibliothek dem Publikum bekannt und vertraut ist, der Sammlung auch
die Werke Tiecks in guter Auswahl*) einzuverleiben.
Zwar glauben wir sogleich den Ruf zu vernehmen: Tieck! Wer
liest heutzutage noch Tieck!. Aber dieser Ausruf scheint uns nicht be¬
rechtigt. Abgesehen davon, daß auch die sogenannte -Modernes es längst
aufgegeben hat, nur einem krassen Realismus zu huldigen, und daß sie
sich mit Vorliebe wieder in die smondbeglänzte Zaubernachte der Ro¬
mantik flüchtet, nimmt die romantische Schule und ihr erklärtes Ober¬
haupt Ludwig Tieck im Entwicklungsgange der deutschen Literatur eine
so bedeutsame Stellung ein und bildet ein so wichtiges Element der
literarischen Gärung, daß niemand, der sich mit ihrer Geschichte be¬
schäftigt, sie beiseite schieben und ignorieren kann. Auch die studie¬
rende Jugend, die in die Geschichte der deutschen Literatur eingeführt
wird, kann und soll dies nicht tun; sie soll, wenigstens was die hervor¬
ragendsten Schriftsteller anlangt, aus den Quellen schöpfen und sich
nicht mit Leitfäden und Auszügen begnügen.
Tiecks Werke. Auswahl in sechs Teilen. (sGoldene Klassikerbibliotheke.)
Sechs Teile (Goldene Klassikerbibliothek), Zwei Bände. Geb. K 5.40.