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22. Der junge Medandus
ewußt. Ein Dichter von Schnitzlers Geist und
Geschöpfe seiner Phantasie und die Objekte seiner
brlich das Tier mit den zwei Rücken spielen oder
ästigung rüsten oder sich von ihr erholen oder
hergeblich nach ihr sehnen. Im Lause eines solchen
er Sterbenssilbe angedeutet, daß die Zeit nebenbei
Ideen, Strömungen und Ziele hat. Das ist eine
Welt! An sich ist dieses Weltchen sicherlich mit
set.
In einem sechsten Akt wird von der Auf¬
Lügner gesprochen; und wenn Anatol sie auch nicht
s nicht müde wird, zu lügen, so ist es doch diese
scher Wehmut und melancholischer Heiterkeit, die
hologische Wahrheit und die künstlerische Einheit
behaglich um die Liebe im allgemeinen, unter¬
n die Liebe der Nähterin und der anständigen
teuse und der Reisenspringerin und der pro¬
se, erfahren, ohne überrascht zu sein, daß weder
u monogam sind, und wünschten für eine dra¬
nur, daß Anatol, dem jede Frau, mehr oder
ll langweilig wird, genügend Ressourcen in sich
n jedem Falle noch schneller langweilig zu werden.
chnitzler, tief, allzu tief in sein Weltchen ein¬
gar übersehen: daß sein Anatol, im Geiste
arm, auch als bloßer Liebhaber, als Vivenr
Sinne kein genügend reizvolles, lannenhaftes,
seiner Gattung ist. Nach einer halben Stunde
endig; dann wird er immer unerträglicher. Es
ch, daß die deutschen Theaterdirektoren sich seit
über klar sind. Aber es ist sehr verwunderlich,
hnen sich darüber hat unklar werden können.
ine schlechte Aufführung. Gerade das, was für
ilität hätte entschädigen müssen: ein Hauch von
mmung, von lächelnder Sentimentalität, von der
Lebensführung = gerade das, aber noch viel
figer man Herrn Monnard in tragenden Rollen
wird man auf die Besucher des münchner Hof¬
t mehr sehen. Er gab den Ton von Ueberdent¬
anze Vorstellung vergröberte, und der früher in
möglich gewesen wäre. Aber den Ton für die
und nachdem er ihn lange genug vergeblich ge¬
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sucht hatte, griff er zu dem verzweifelten Mittel, Anatol zu parodieren.
Er machte das Publikum, das über den Herrn längst keine Illusionen
mehr hatte, durch Blicke und Mätzchen darauf aufmerksam, daß es da
eigentlich einen Thaddädl vor sich habe, und schmückte sich für seinen
Hochzeitsmorgen mit einer Possenglatze, die Alfred Schmasow den Dank
jeder berliner Vorstadt eintragen würde. Als Freund Max war
Reicher am besten in dem Akt, für den ihn der Zettel zwar ankündigte,
aber nicht auf die Bühne ließ. Max ist ein etwa gleichaltriger Freund
des wiener Lebejünglings Anatol. Reicher war ein Schnittwaren¬
händler aus der Bukowina, der Anatols Großonkel zu sein schien. Ihr
Frau'n verdient, daß man euch Tempel baute! Denn ohne euch wäre
man an diesem Abend schwermütig geworden. Als Erste schwebte
Fräulein Somary herein, lieb und lind und leichten Sinns. Als
Zweite schritt durch eine Winterlandschaft Fräulein Lossen, dunkel,
vornehm, seelenvoll und würdig, weniger flüchtig durch Schnitzlers
ernste Dichtungen zu schreiten. Als Dritte wirbelte Fräulein Sussin
herein, nicht gut angezogen, aber so gut gelannt und so überraschend
befähigt, ihre gute Lanne mit künstlerischer Delikatesse zu übertragen,
daß Brahm sie in Zukunft nur richtig zu beschäftigen braucht, um
eine wertvolle Kraft mehr zu haben. Als Vierte erschien Fräulein
Herterich, die vielleicht eines Tages auch noch ihr Feld finden wird.
Als Fünfte schließlich tollte sich die Triesch aus, von der wir immer
gewußt haben, daß sie mehr als ein Lustspieltemperament, duß sie eine
Lustspielcharakteristikerin von blühendem mimischen Reichtum ist. Ihr
Frau'n verdient ... Aber vor allem verdiente Arthur Schnitzler,
nach seinem wirklichen Alter und nicht als ein Literaturgreis
behandelt zu werden, dessen Entwieklung man pedantisch und
chronologisch aufzeigt. Dazu ist seine Gegenwart zu fruchtbar. Sein
jüngstes Drama heißt: Das weite Land. Warum also kriecht man in
die engen Winkel seiner Anfänge zurück?
Der junge Medardus von Alfred Polgar
Eine sehr große, mit historischen Bildchen bunt bemalte äußerste
Hülle. In ihr fest eingewickelt: ein Theaterstück, eine starke
Komödie voll Spannung und Konflikt, Ueber' anung. In dieses
Theaterstück gebettet: eine balladeske Dichtung von Helden, Tod und
Liebe. Und im Innersten dieser Dichtung: ein kleines, schüchtern¬
modernes psychclogisches Drama von den Edelmenschen, die an ihrem
ethischen Temperament, an ihren sanatischen Herzens=Reinlichkeiten
zugrunde gehen.
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