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daran erinnern, daß wir in eine Zeit und in
eingreift. Er ist Verhängnis und Schicksal für
eine Gegend geführt werden, wo auch das
die Familie Klähr und die Familie des ehemali¬
Wunderbarste natürlich ist. Der Krieg ist
gen Herzogs von Valois und das Schicksal
überdies die größte Steigerung des echt Schnitz¬
dieser Familien ist mit dem seinen und dem
lerischen Themas: des Sterbens. Er ist der
seiner Heere verbunden. Der Dolch, den Helene,
Tod im großen, das allgemeine Sterben, das
die Marquise von Valois, bei sich trägt, wenn
sinnlos und wahllos Menschen hinwegrafft,
sie die Freitreppe zum Schönbrunner Schlosse
während der Nachbar gesund und frisch einem
hinaufsteigt, soll Napoleon den Tod bringen
neuen Leben entgegengeht. Bei jedem Schritte
und der Dolch, den Medardus im Gewande
droht eine Kugel und jeder Einzelne muß in
trägt, ist gleichfalls für Napoleon bestimmt.
jedem Rugenblicke bereit sein, umzusinken. So
Helena will den Soldatenkaiser, der auf
gehen alle Menschen gleichsam nur mit kre¬
dem Thron von Frankreich plebejisch sich
ditiertem Leben herum und die Lebensvollmacht
räkelt, niederstechen, da die Kaiserkrone ihr
kann ihnen sofort entzogen werden. Ein dunkler
und den Ihren gehört, und Medardus die Hin¬
Schatten liegt auf ihnen, deren Wesen, da sie
richtung seines Onkels Eschenbacher an Napoleon
zwischen Wirklichkeit und Tod wandeln, etwas
rächen Aber Napoleon ist größer als die stärk¬
traumhaftes und nicht mehr die volle Körper¬
sten Naturen und die Helden dieser Dichtung.
schwere hat. Immer wieder variiert Schnitzler
Kein Dolch trifft ihn: der des Medordus wird
im Medardus dieses Motiv des Sterbens. Tapfere
von seinem Ziele abgelenkt und trifft Helene,
Jünglinge sterben und ein schuldloses Kind,
und der junge Mann, der ihn auf seinem
Gretel, die Urenkelin eines dreiundneunzig¬
Siegeszuge mit einem Dolchstoß vernichten wollte,
jährigen Hofrats; Meister Eschenbacher wird
rettet ihm das Leben. So sorgt der Himmel
erschossen und Desolteux, ein Anhänger des
für den Kaiser, dessen Todesurteile pünktlich
Herzogs von Valois, wird durch einen Schuß
vollzogen werden, sei es mit dem Peletonfeuer
aus dem Hinterhalt niedergestreckt; in einem
seiner Soldaten, sei es mit einem Schuß aus
dem Hinterhalt.
Zimmer bei Frau Klähr stirbt Rittmeister Derue
der Napoleonischen Armee und im Hause des
Wenn die Glocken den Frieden einläuten,
Arztes Büdinger starben Frau und Kind, François
wird der junge Medardus erschossen. Als ein
und Agathe stürzen sich in die Donau, Helene
Held wollte er, ein Rächer seines Vaters, in den
von Valois wird von Medardus niedergesiochen,
Krieg ziehen und gewiß hätte er sich im Kampf
eben als sie die Treppe zum Schönbrunner
als Held bewährt, Ein seltsames Schicksal
Schlosse betritt, um Napoleon niederzustechen,
reißt ihn aus dieser Bahn und erst ganz am
und Medardus wird standrechtlich erschossen:
Schlusse kehrt er, nach all den sonderbaren
ein Totentanz in der Tracht des Jahres 1800
Abenteuern seiner Liebe zu Helene von Valois,
wird uns vorgeführt, den die Wiener mit ihren
wiederum auf diese Bahn zurück, um männlich
läppischen Späßen und ihrem platten Stamm¬
und aufrecht in den Tod zu gehen. Einen Wirr¬
tischgewieher begleiten.
kopf schilt ihn Meister Eschenbacher, aber sein
Im Hintergrunde ragt die Gestalt Napoleons
Freund Etelt hat wohl recht, wenn er erwidernd
auf. Niemals betritt der Kaiser die Bühne und
sagt: „Du kennst ihn ja doch nicht, Eine
keines seiner Worte wird vernehmbar. Dennoch
Jugend leuchtet dunkelglühend auf — und im
ist er unheimlich wirklich. Ganz in der Ferne
Wunsch deiner alfernden Jahre siehst du nur
glaubt man ihn, gefolgt vom blitzenden Gefolge
ihren trüben Flackerschein.“ Ein merkwürdiges
über die Bastei reiten zu sehen, am Arbeits¬
Abenteuer der Jugend in einer phantastischen
tisch im Schönbrunner Schlosse sicht man ihn
und aufgeregten Zeit, das war es wohl, was
sitzen und tritt er nicht jetzt in einen Prunk¬
Arthur Schnitzler in dieser neuen Dichtung
saal des Schlosses Schönbrunn ganz in die
zeichnen wollte und so hat er das dichterische
Mitte hin, wo ein Armsessel auf einem unter¬
Motiv, das zuerst im „Ruf des Lebens“ ange¬
gebreiteten Teppich steht, läßt er sich nicht hier
schlagen wurde, ausgebreitet, reich ausgestattet
nieder, sitzt er nicht hier im verdunkelten Saale
und mit unvergleichlich ruhiger Meisterschaft
regungslos, die Arme übereinandergelegt, den
kunstvoll durchgeführt. Hus dem gediegenen
linken Fuß vorgestreckt, den rechten unter den
Gold der Poesie hat Arthur Schnitzler künst¬
Sessel gezogen? So leibhaftig sicht man den
lerische Gestalten in Hülle und Fülle hervor¬
Soldatenkaiser, der von außenher die ganze
getrieben und man wird nicht müde, den
Handlung in Bewegung setzt und mit seinen
„jungen Medardus“ mit dem Schmuck seiner
Befehlen und Urteilen, mit Botschaften und
siebzig Figuren und Figürchen als ein Meister¬
Proklamationen, mit seinen Soldaten und seinem
stück kostbarster Arbeit zu bewundern.
Adjutanten unaufhörlich in die Geschehnisse
Dr. Max Graf.
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