Faksimile

Text

bos 27/2
M
22. Derjungedardus
693
Die Gegenwart.
Nr. 41
Partien dar, wie ein Volk gegenüber einer
die völlig romanhafte Geschichte der Familie
Handlung ganz un¬
großen geschichtlichen Anforderung in kläglicher
Valois verstimmt. Der blinde Greis und die
ert die jüngere Gene¬
Weise versagt. Das ist ein menschlich und
hochmütige Tochter vom Salometyp mit ihrem
pießbürgertums, er ist
künstlerisch gewiß nicht unberechtigtes und un¬
ohnmächtigen Anspruch an die Krone von
ntastisch, wo jene nur
interessantes Thema, aber doch wahrhaftig
Frankreich, könnten in einem Epos vielleicht
aber in seiner mehr
keines, daß man in diesem Augenblick uns
eine Stimmungsparallele zu der mehr nüch¬
ch der gleiche Mangel
Deutschen oder unseren österreichischen Verbün¬
ternen Ohnmacht des Wiener Bürgertums ab¬
lung, an Hingabe, die
deten vor Augen stellen sollte!
geben. Dramatisch verderben sie nur vollends
ebige Sinnlichkeit. So
das Konzept, indem ihre Zusammenstöße mit dem
auspiel eines endlosen
0
jungen Medardus und dessen Schicksale sich mit
ersagens, eines bestän¬
grober Zufälligkeit vorwärts bewegen, während
tbetrugs. Ein Hjalmar
alles dichterische (und dabei immer noch nicht
thetisch interessant wäre
dramatische) Interesse doch nur davon ab¬
kt einer Komödie zu
stammen könnte, daß all sein Tun oder viel¬
sigter Dramenheld wirkt
mehr Nichttun aus seinem Charakterstammt.
bsichtigten Sinne. Er
Wenn der Dichter den armen Kerl aber be¬
ten, aber statt ins Feld
ständig an eine Fülle gröbster, niederschmettern¬
die Schwester, die sich
der Zufälle ausliefert, so wird nicht einmal
er Liebe mit dem jungen
diese Schwäche glaubhaft erwiesen.
hat, an der hochmüti¬
Wir haben hier ein ähnliches Versagen
zösischen Thronpräten¬
Schnitzlers wie damals, als er in „Professor
statt zu rächen, gerät
Bernhardi“, Anlauf nahm, ein liberales
ebschaft mit der hoch¬
Tendenzdrama zu schreiben, und plötzlich
Valois. Und als er
resigniert und unentschlossen den Weg zu einer
zweifelten Aufwallung
satirischen Komödie betrat. Damals war die
gegen Napoleon be¬
Absicht geringer, die Anzahl der liebenswür¬
t den Kaiser, sondern
digen Details auf dem kleinen Raum über¬
kliebte, die er für des
sichtlicher, und das Versagen deshalb weniger
Und nach diesem drei¬
offenkundig als diesmal. Im „Medardus“ ist
ft er sich einen einiger¬
die Absicht zweifellos größer und edler, die
ang, indem er die Be¬
Zahl der gelungenen satirischen und melan¬
(die er erhält, weil sich
cholischen Menschlichkeiten auch zweifellos
ihm ermordete Valois
größer und belangvoller — aber bei der Größe
n Kaiser zu ermorden)
des gewählten Formats wirkt die Unfähigkeit
Tod durch das trotzige
mit skeptisch sinnlichem Temperament eine
poleon ermorden wollte
heroisch monumentale Form zu füllen, doch
morden wolle, erzwingt.
peinlicher und eindringlicher. Was bei Bar¬
nierte Art von Selbst¬
nowsky von Schnitzlers großem szenischen Roman
nach Verzweiflung als
sichtbar wurde, war ein lautes, leeres, in seiner
kt, hat doch dieser letzte
Absicht ganz unverständliches Theaterstück.
hnmächtigen Jünglings
Daß diese Arbeit aber so dunkel blieb, war viel¬
nine, dessen Geist sich in
leicht ein Glück — ein Glück für die augen¬
erals bedeutsam abmalt,
blickliche Theatersituation! Denn es ist doch
Aber ehe wir zu dieser
wahrhaftig eine rechte flache Theaterdirektoren¬
vir bis zum grimmigen
idee, zu glauben, daß ein Stück „zeitgemäß“
die immer wiederholten
sei, nur weil es in Kriegszeiten spielt, und
issigkeit und Untüchtig¬
von Ausmarsch, Schlachten und Einquartierung
ischen, dem durch einen
die Rede ist. In Wahrheit stellt das Stück
folgen wir gar keinen
ja gerade in seinen künstlerisch gelungenen
nd noch mehr hat uns