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M
22 heundardus
Aus: salzburger Volksblatt,
Nom 30 4.1935
Das Deutsche Theater in
Prag wurde mit einer neuen Dreh¬
bühne ausgestattet. Die Kosten
hiefür haben mehrere Industriel-
1e als Freunde des Theaters über¬
nommen. Die Bühne musste verhält-
nismässig billig beschafft werden;
ist aber den Berichten nach, sehr
gut gelungen. Die Drehscheibe hat.
inen Durchmesser von vierzehn Metern und steht 22 Zenti¬“
jeter über dem Bühnenboden. Die Scheibe läuft auf Kugel¬
iger. Bei der Konstruktion ist vielfach Gumiibelag ver¬
endet. Die Belastung, welche die Bühne zu tragen vermag,
ntspricht dem Gewicht von sechs Eisenbahnwaggonladungen.
uf der Drehbühne können fünf verschiedene Schauplätze mit
atsprechender Beleuchtung aufgebaut werden. Das Deutsche
heater in Prag besaß schon vor 24 Jahren eine Drehbühne,
ie aber außerordentlich schwer an Gewicht war und sich als
st unbeweglich herausstellte. Sie wurde bei einer einzigen
orstellung verwendet, und zwar bei der Premièce von
chnitzlers „Medardus“. Da die Drehbühne während der
ufführung versagte, nahm diese Vorstellung erst 1 Uhr
ichts ihr Ende. Die damalige Bühne ist als Alteisen darauf¬
n verkauft worden. Die jetzige Drehbühne trat erstmals
rzlich bei einer Aufführung der „Fledermaus“ in Tätig¬
it und erwies sich als sehr praktisch.
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Ausschnitt aus:
Neue Freie Presse, Vien
vom:
1.5.1935
Eise Vohlgemuth.
Zu ihrem Jubiläum.
Einmal kam Josef Kainz von der Probe aus dem Burg¬
theater und erzählte: „Jetzt ist mir etwas Merkwürdiges
passiert. Im Konversationszimmer tritt mir eine neue Kollegin
entgegen, ein blutjunges Ding. Ich gehöre sonst wirklich nicht
zu den Schüchternen, dieses Mädchen aber ist so vollendet
schön, daß ich ganz schüchtern wurde. Zu merkwürdig.“ Er
lachte: „Gewiß hab' ich irgend was Dummes gesagt.“
Das junge Mädchen hieß Else Wohlgemuth. Ihre Be¬
gegnung mit Kainz, der sich darauf freute, sie zur Partnerin
zu haben, fand im Frühling 1910 statt. Die beiden sahen
einander niemals wieder. Denn das Leben von Josef Kainz
erlosch genau um dieselbe Zeit, um welche die künstlerische
Laufbahn der Wohlgemuth ihren Anfang nahm.
Von ihrer Schönheit wurde Else Wohlgemuth in die
Gunst der Leut geträgen und
wurde zugleich von diesen Vor¬
zug behindert. Sie hat zuerst
durch den Glanz ihrer Erschei¬
nung gesiegt, später jedoch
musste sie dagegen ankümpfen,
bloss als eine Augenweide zu
gelten. Das künstlerische, das
nusikalische iefühl urtei!
hier mit untrüglicher, mit uner¬
bittlicher Sicherheit und es
genügt in Vien keineswegs, nur
schön zu sein. Die Vohlgemuth
mus#te also innere Gaben besitzen
die ihrer Schönheit vürdig varen.
Sie musste von diesen inneren Ga¬
ben zu überzeugen instande sein.
Eine schwere Aufgabe für die
Anfängerin
Gleich eine der ersten Rollen,
die sie spielte, kam ihr zu Hil¬
fe. Das var in Arthur Schnitzlers
dramatischer Legende lMedardus“
die Prinzessin Valois. Man begriff
bei ihrem Anblick sofort, diese
königl.iche Nädchengestalt konnte
auf der Bühne des Burgtheaters
keine andere glaubhafter ver¬
körpern als Else Wohlgemuth. Es gelang ihr, anzähernd
den Charakter der Prinzessin zu zeichner. Sie gab die Ge¬
bundenheit durch den Stolz, gab das jungfräulich Herbe,
zeigte die drohenden Gewalten, die in der Brust dieser
Prinzessin schlummern, ihren Heroismus und die Blutfarbe
ihrer Leidenschaft. Man hatte erkannt: auch Schönheit ist
ein Talent, ist ein göttliches Geschenk der Natur, ebenso wie
die künstlerische Gabe.