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M
22. Derdandus
Telephon 12.801.
„ODSERTER
1. öeterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Osollenangabe ohne Gewähr).
Ausschni“ aus: Fremdenblatt, Wien
vom:
13. HOVERBER 1910
Sch
Vu. Movember TotO
„Wieso haben Sie erjahren, daß ich Sie suche?“ ist die erste
Theater und Bunst.
Frage Baron Vergeis.
„Ein Gastwirt aus Weißbach, der soeben eilig zur Bahn fuhr —
Aus der Theaterwelt.
antwortete Rittner — rief mir aus seinem Wagen zu, ein Herr, der in
den „Jahreszeiten“ wohnt, wünsche mich zu sprechen! Den Namen
(Eine aeheimnisvolle Reise des Direktors Dr. Freiherrn v. Berger.
verstand ich nicht; ich glaubte, es wäre ein Tenor, der mir einmal
Die Suche nach Rudolf Rittner. —
„Der junge Medardus“ von
Schnitzler im Burgtbeater.
Ausrollung einiger Wiener
seinen Besuch angesündigt hat. Nun bin ich hocherfreut, zu hören, daß
Szenenbilder aus dem Drama.
Ernst Hartmanu als
Sie es sind, Herr Baron.
Blinoer und Otto Tretzler als Buckelträger. — Ein überaus realinischer
Aloo hatte sich die Gastfreundschaft, die der Direktor seinem Wei߬
Wallensein des Dichters der Satire „Der Feldherrnhügel“.)
bacher Gastwirt im Wagen gewährte, ausgezeichnet gerohnt. Ein
Während der langen Proben, die gegenwärtig das Künstlerpersonale
günstiges Omen
des Buratbeaters um Artur Schnitlers jüngstes Wrk „Der
„Und wo wohnen Sie?“ fragte Baron Berger weiter.
junge Medardus“ scharen, sind das Regie= und das Konversations¬
„Zwei Häuser von Ihnen!“ antworiete der Künstler.
zimmer des Hauses immer reich bevölkert. Es sind Damen und Herien,
Aberma's ein gutes Vorzeichen, denkt der Direktor, der die ge¬
denen der Gang der Bü nenarbeit gerade ein Stündchen der Etholung
heimnisvollen Wege des Theaterschick als im großen und im kleinen
nönnt, die sich vier plaudernd ergören. Und da wurde kürzlich auch die
lennt. „So nah' und doch so fern — getrennt durch eines langen Tages
Geschichte der jüngsten überaus beimlichen Reise erzählt, die Direklor
Suchen!“
Freiherr v. Berger auf der Suche nach einem b. deutenden Künstler
Natürlich trat Rittner in den nächsten Minuten im Stühchen des
unternahm, der dem Instilute hätte gewonnen werdn sollen. Es handelte
Dixektors ein. Bis in die späte Nacht hinein sprachen die beiden
sich darum — wir wollen's gleich sagen — Rudolf Rittner der
Männer. Man lann sich denken — Rittners berühmte Festigkeit wurde
Scholle wieder zu entreißen, deren Spuren er hinter dem Pfluge folat,
weich und brüchig. Ja, wenn ein Direktor, noch dazu der Leiter der
ihn der Schauspielkunst und speziell dem Burgtheater zurückzuerobern,
ersten deutschen Bübne, die Kunst des Sprechens beherrscht, mit all den
dem dieser grure österreichische Schauspieler stets ein Fremder gebli.ben
hoffnungsvollen schönen Perspektiven, die sie zu erschließen vermag — wer
war. Also mach'e sich Baron Berger auf die Fahrt. Notabene: Ohne
kann ihr da widersteben? Endlich wischte sich Rittner den Schweiß von
sich dem Künstler, oder richtiger gesagt, dem schlesischen Grundbesitzer
der Stirn und versprach dim Direklor, ihm bald seinen endgiltigen
und Bauer Rudolf Rittner vorher anzukündigen. Am Ende wäte dann
Entschluß zu schreiben. Ein paar Tage Bedenkzeit müsse er sich für eine
eine Depesche gekommen, die den Besuch — bei aller Auszechnung die
so wichtige Entscheidung wohl ausbedingen. Baron Berger fuhr nach
er für den Künstler bedeutet — von vorneber in ate einen vergeblichen
Wien zurück. Der angelündigte Brief kam nach wenigen Tagen. Was
bezeichnet. Und der Direktor unseier Hofbühne ist ein Theater¬
er brachte? Ein wunderschönes Nein — abgerungen einer Brust, in der
mann, der seiner Uebeiredungskunst wohl Großes zutrauen
Liebe zur Natur, intime Liebe, die den Landmann mit der Scholle ver¬
kann — er, ein vollendeter Meister d's Wortes, des schweren, getragenen
bindet wie die Mutter mit dem Kinde, einen harten Kampf gekämpft
sowohl, als auch des leichten, plaudeinden. Das Reiseziel war also
hatte mit der Sehnsucht nach den künstlerischen Idealen von einst, nach
Weißbach in Oesterreichisch=Schlesien, in dessen Bereich sich der Gutshof
Ruhm und Geltung im Reiche des Schönen. Lucius Quinctius Cin¬
des ebemaligen Schau pielers ausdehnt.
cinnatus ließ sich vom Pfluge rufen, um Held der Römer zu werden.
Man weiß ja: Rudolf Rittner lebt dort seit Jahren in der Zurück¬
Rudolsus Rittner blieb beim Pfluge, um nicht Held des Burgtheaters
gezogenheit des Oekonomen. In Wien war's, wo er zum letzten Male
zu werden..
die Bühne betreten hat. Otto Brahm weilte damals mit seinem erlesenen
So erzählt — fortsetzungsweise natürlich — in den kurzatmigen
Ensemble hier, um einen Zyllus von Hauptmann= und Ibsen=Vorstellungen
Probenpausen, die „Der junge Medardus“ den Damen und Herren des
vorzuführen. Der letzte Abend brachte eine Aufführung von „Florian
Burgtheaters läßt. Regisseur Thimig hat noch ein gewaltiges
Geyer". Nachdem der Vorhang gefallen war, versammelten sich mehrere
Stück Arbeit zu leisten, ehe es zu den Kostümproben des Schauspiels
Mitglieder des Ensembles im Restaurant „Wengarte.“ zum Abendb ot.
kommen kann, deren es diesmal mehrere geben wird, um die Darsteller
Und da erhob sich Rudolf Rittner, um mit ennster, feierlicher Stimme
#in die vielen ungewohnten Trachten einleben zu lassen. Baron Berger
zu erklären: „Meine li.ben Freunde — ich werde wohl kaum mehr in
und der Dichter selbst unternützen den Regisseur nach Krätten in der
eurer trauten Mitte weilen. Ich habe heute zum letzten Male die Bühne
Erfüllung seiner großen Aufgave, der er mit gewohntem Eifer obliegt.
betreten!“ Allgemeines Staunen. Ein Schauspieler in den besten Jahren,
Nächste Woche beiben zwei Probetage ausschließlich den Ausstattungs¬
blühend und stark, sollte ohne irgendwelchen zwingenden Grund plötzlich.
künstlern reserviert. Die acht ehn Verwandlungen werden auf der Dreh¬
dem Ruhme entsagen, zu dem ihn eine glänzende Laufbahn empor¬
bühne durchprobiert werden. Es sind natürlich nicht achtzehn verschiedene
geleitet, sollte in die Einsamleit des Landmannes fliehen, die Kunst
Schauplätze, da sich einzelne wiederholen. Aber der Szenen gibt es
hinter sich lassend wie eine alternde Kolette, deren Lächeln man unerträg¬
trotzd m genug. Ein ganzes hochinteressantes Ansichtenbuch aus dem
lich finder? Und doch war's so. Was Rittner — es ist nun schon eine
Wien von 1809 wird vor dem Publikum aufgeschlagen werden. Wir
bübsche Reihe von Jahren her — an jenem pilsnergesegneten Wiener
wollen ein wenig darin blättern. Man wird sehen:
Gasthaustisch verkündet, er hat es mit unüberwindlicher Festigteit
Ein Anw ener Wohnimmer, Interieurstudie.
gehaten, mochten noch so viele glänzende Anbole der vornehmsten
Eine Schäute an einer einsamen Stelle des Donauufers vor Wien
deutsch n Bühnen ihm zufliegen. Und sie kamen in reicher Zahl.
notabene der unreguli rten Do au, ein wenig heimliches Bild. Es
Dr. Freiherr v. Berger wußte von all dem, aber er ließ darob
ist die Stätte, da die Leichen der Selbstmörder angeschwemmt werden.
die Hoffnung nicht sinken. In Weißbach angelommen, wohin man von
Eine der reizendsten Künalerinnen des Burgtheaters wird hier tot aus
der letztn Bahnnaion aus noch eine lange, bei schlechtem Wetter
dem Wasser gerogen werden.
doppelt unangenehme Wagenfa#it unternehmen muß, frug er zunächst
e gehmes
2 Kalg