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21. Kantesse Mizz 1oder der Fani Lientag
wird das Einlenken in einen energischen und stolgen
gebnissen eine irgendwie stabile Mehrheit wird bilden
Kurs endgültig scheitern. Die Sozialdemokratie ge¬
lassen, kann ich nicht beurteilen. Das ist auch weniger
winnt an absorbierender Kraft mit jedem Hundert¬
Der Tag, Berti.
wichtig; denn was hier auf dem Spiel steht, wird
tausend neuer Mitglieder. Wenn sie sich vom Inter¬
schließlich nicht durch Reichstagsabstimmungen ent¬
=1 2. 1917
nationalismus abwendet und eine nationale Politik
schieden. Aber wenn nun auch der Reichskanzler
Fröhlicheres, Witzigeres und Pikanteres hat er nicht ge¬
Erdenkräften als in seiner nur theatralisch=wirk¬
schrieben. Die Schnitzlersche Kunst kann sagen: Mein
arl Schönherr: „Erde“.
sameren Tragödie von „Glaube und Heimat“ spricht
Name ist Komtesse Mizzi. Als Mizzi bin ich das
Schönherr hier zu uns. Hier bleibt er freilich in der
Schnitzler:Komtesse Mizzi“.
kleine, liebe, süße Mädel, die Bohemienne, die bei
Kompositionstechnik der naturalistischen Schule, in
Meyer & Cohn, in der Damenkonfektion beschäftigt,
rung im Lessing=Theater.
der Zustandsmalerei stecken, und in der Charakter¬
eitel Strumpfbänderchen und Strümpfchen, Korsette
Porträtkunst, die nicht von der Stelle kommt und
-Theater hatten sich am Dienstag Artur
und Spitzenhöschen atmet und nach Geschäftsschluß
von Entwicklungen nichts weiß. In „Glaube und
r und Karl Schönherr zusammen ein¬
mit den jungen Dichtern lieben geht. Und als Komtesse
Heimat“ hat er sich zu dem Sturm und zu der Bewegung
Otto Brahm als fröhlicher Wirt konnte
bin ich ein Form= und Stilfräulein von adliger Ab¬
in der äußeren Handlung zurückbekehrt, die ja gewiß dem
chern gleich zwei illustre Gäste umher¬
stammung und kann mich benehmen und bewegen,
Drama besser zugesteht, was des Dramas ist. Freilich,
ade nur, daß Hofmannsthal fehlte. Die
daß ich auch bei „Kaisers“, bei Majestät Goethe und
ob sich Schönherr noch durchringen wird zu dem
Feichische Literatur der Gegenwart wäre
Shakespeare auf den Hofball kommen darf ...
Eigentlichen und Wertvollsten, zu der Kunst seelischer
wesen, in allem, was sie will und
Emil Lessing als Spielleiter und die Schauspieler
Kampfbewegungen, der Darstellung geistig=schöpferischer
llen ihren Stilen vollkommen charakte¬
hatten diesmal ihren Artur Schnitzler inniger an ihren
Konflikte, ist ein Fragezeichen, und man hat wohl die
erschöpfend vertreten. Noch irgendein
Busen gedrückt und in ihr Herz eingeschlossen als den
meisten Gründe, nein zu sagen. Dazu ist er wohl nur
KPrunkversen von diesem Dritten oder doch
rustikalen Karl Schönherr. Das Publikum kam von
allzusehr mit Erde, Glaube und Heimat verwurzelt
diesem Ersten — und man hätte den
vornherein so in Salonstimmung und Flirt hinein, es
und von Haus aus allzusehr vorherbestimmter Schollen¬
kintessenz geschmeckt, gerochen, geschaut,
wurde so großstädtisch animiert, daß der Mann vom
kleber. Wie sich im Lessing=Theater die Feldmaus Schön¬
ner Asthetik zufolge das eigentliche Wesen
Lande mit seiner Schwere, Biederkeit und seinem
herr und die Stadtmaus Artur Schnitzler begegneten
hnis aller Kunst ausmacht .. Und man
lebensernsteren Gewissen wie immer ein bißchen lang¬
und begrüßten, Bauerndrama und Salondrama aufein¬
vollkommen damit zufriedengeben und
#ulig gefunden und in die Ecke geschoben wurde.
anderstießen, und der Wiener Dekadent, der Skeptiker
t nichts mehr von österreichischer Poesie
Schnitzler macht entschieden die besseren Witze, und vor
und Spötter, die Frivolité und der steiermärkisch=tiro¬
nd zu wissen..
die Wahl gestellt, wird sich das Berlin, welches das
lische Krafthuber und Agrarier, der Mann der Sitte
„Komtesse Mizzi" und Schönherrs
Lessing=Theater besucht, ja auch lieber mit Komtesse
und Tradition, des Väterglaubens zusammengerieten,
nvon früher her wohlbekannt, seßhaft
Mizzi als mit der Erde verwurzeln. Mizzi ist mehr
entbehrte nicht des pikanten Beigeschmacks.
ind ein paar Repräsentativ=Dramen, in
von eigenem Fleisch und Blut als der alte Grutz eines
Schnitzler kann sein Ganzes und Bestes in einem
Persönlichkeit beider sich völlig ausgibt,
weltfernen österreichischen Bergtales.
Einakter sagen. Der Becher ist klein, aber er ist sein.
rtig dasteht und all ihr Bestes zu¬
Mit ungemeiner Feinheit, mit den zartesten Tönen
„Komtesse Mizzi“ genügt, wenn sie nach fünfhundert
ängt darlegt. Und künstlerisch innerlicher,
reiner und wirklich auch mehr mit! Jahren von ihm die Kunde weldet. Besseres und und intimsten Nuancen spielte Irene Triesch den