Faksimile

Text

box 26/1
ontess
21 M Mizz1oder der Fanilientag
en
Seite 3

eine ganze Serie seiner großen Rollen in rascher Aufeinan=n
derfolge. Heinrich, den Prinzen von Wales im I. und II. Teil s3
k
von Shakespeares „König Heinrich dem IV“ den Orlando
1
in der „Zwillingsschwester", Tantris, den Narren, Cyrano
von Bergerac und zuletzt den Fiesco, alles in der Zeit von ###
14 Tagen, manchmal an zwei Abenden hintereinander. Dazu
las er mit der vielseitigen Kunst des Meisters im großen
Musikvereinssaal Goethe (3 Gesänge aus „Hermann und
Dorothea" und Gedichte aus dem „Westöstlichen Divan“),
Jens Peter Jacobsen (die Skizze „Zwei Welten"), Gottfried
von Straßburg 4Bruchstücke aus „Tristan und Isolde“) und
Oskar Wildes Groteske „Das Gespenst von Canterville“.
Von Wilde, den Kainz liebt, war auch die letzte neue Rolle,
in der er sich uns zeigte, indem er bei der Concordia=Matinee
den Simone in dem fragmentarischen Einakter „Eine
florentinische Tragödie“ spielte. Von diesem Ein¬
akter und seinen romantischen Schicksalen war im „Tages¬
boten“ vom 23. November 1907 ausführlich die Rede, als
brog“, sagte Madame Federsen und drnstele sich, als de¬
sich das Wiener Intime Theater mit einer ganz unzuläng¬
sie den Danebrog auf ihrer eigenen schwellenden Busen
lichen Darstellung und in der Form einer angeblichen Nach¬
dichtung daran vergriffen hatte. Wildes Einakter war da¬
zittern fühlte.
Emil Musaaus hatte nemals einen Hang zum Stu¬
mals (Herbst 1907) eben erst in der vorzüglichen Über¬
dium gefühlt; dazulwar sein Interesse für die schönen Künste
setzung Max Meyerfelds bei S. Fischer in Berlin erschie¬
allzu start. Und nachdem er Jungfer Lise getroffen und
nen und die fixen Herren vom Intimen Theater, die für
sie ihm ihre große Hand geschenkt hatte, wurden die Bücher
das Aufführungsrecht an den Verlag nichts bezahlen wollten,
modelten die Meyerfeldsche Übersetzung gewandt um, als ob
jetzt gänzlich beiseite geschoben.
Die beiden dachten gar nicht an seine Zukunft, und
ihnen ein englisches Original vorgelegen hätte. Sie wußten
der Grünkramhändler, der ein guter Mann war und seine
freilich nicht, daß dieses langverschollene, nachgelassene Werk
Goldfüchse kannte, lachte und ließ die beiden Jungen
Wildes in englischer Sprache überhaupt noch nicht gedruckt
schwärmen; es war so hübsch, diese verliebten Menschen zu
war und daß sich das einzige Originalexemplar davon in den
sehen! Man konnte fast selbst wieder jung werden, wenn
Händen des Übersetzers Meyerfeld befand. Die „florentinische
man sie betrachtete!
Tragödie“ ist die Tragödie des Ehebruches. Der Kaufmann
Doch — es gab einen andern, welcher an die Zukunft
Simone, der von einer Geschäftsreise unerwartet heimkehrt,
des kleinen Emil dachte, und das war der strenge Vater
findet bei seinem Weibe den Sohn des Fürsten der Floren¬
Musaeus, der oben in Norwegen saß und mit Entsetzen
tiner, den jungen Guido Bardi, und tötet ihn nach langen,
die Briefe des Jungen las, die von dem verschiedensten
peinigenden Gesprächen über Politik und Handel, Weib und
überspannten Gerede überströmten, jedoch kein Wort von
Welt, Leben und Tod. Er will auch seine Frau töten, die
den Studien enthielten.
aber kommt mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu:
Vater Musaeus' Episteln wurden immer mißbilligender;
„Warum hast du
doch als Emil sich keineswegs bekehrte und sogar ein
Mir nicht gesagt, daß du so stark?
Examen versäumte, kam da eine, die den gräßlichen Befehl
Da läßt er das Schwert sinken und küßt sie mit den
enthielt, daß der Junge mit der ersten Schiffgelegenheit
Worten:
nach Hause kommen sollte — und das war in vierzehn
(„Warum hast du
Tagen!
Mir nicht gesagt, daß du so schön?“
Dieser Befehl fiel wie eine Bombe in das Haus des
„Von der Aufführung in Wien ist nur noch zu sagen,
Grünkramhändlers auf Vimmelskaftet. Lise hob Emil in
daß Kainz, Devrient und Frau Witt vielleicht den
ihre starken Jungfrauenarme und beschwor ihn, der Bot¬
Schwung, den Glanz, die Renaissancestimmung und die un¬
schaft des grimmen Vaters zu trotzen; doch Gott bewahre!
geheuere Steigerung dieser Szene einigermaßen gegeben
So etwas konnte dem kraushaarigen Burschen nicht ein¬
hätten.“ So mußte anno 1907 das Urteil über die Leistungen
fallen! Dazu war er viel zu wohlerzogen und tugendsam.
der Schauspieler des Intimen Theaters lauten. Nun, anno
Aber ach! Selbst wenn es ihm nicht einfallen konnte,
1909, am 10. Januarius, hat Kainz den Kaufmann Si¬
seinem Vater zu trotzen, so war das doch ein harter Schlag
mone gespielt. Partner und Partnerin, die er als Regisseur
für ihn; denn sein ganzer großer Lebensplan wurde jetzt
spornte, waren Herr Gerasch und Frau Medelsky
in Stücke geschlagen. Sein großer Lebensplan war nämlich,
vom Hofburgtheater. Sie spielten und sprachen vortrefflich,
sich voll und ganz der Kunst zu weihen, mit all seinen
und es war nicht ihre Schuld, daß Kainz sie riesengroß über¬
Kräften und all seinem Streben, mit Leib und Seele. Oder
ragte. Er ließ die Verse funkeln, knistern, schmeicheln, heu¬
mit anderen und prosaischeren Worten: Emil hatte den
cheln, knirschen, drohen, donnern und rasen, so wie es außer
Verstand verloren; er wollte Komödie spielen!
Josef Kainz eben heute kein deutscher Schauspieler vermag.
Er hatte sich schon längst seiner Lise anvertraut, und
Möge unser Wunsch gehört und erhört werden, daß Kainz
ihr schien das einfach himmlisch! Sie konnte sich nichts
nur für die nächsten drei Monate, nicht aber, wie es Stun¬
Herrlicheres denken, als ihren Emil in Panzer und Helm
den seines Mißmutes fordern, für immer vom Burgtheater
zu jehen, wie er seine Liebe herausdeklamierte und sang!
scheide, daß er vielmehr bald dort Gelegenheit finde, Oskar
Tann konnte doch das Leben niemals trivial werden,
Wilde und alles andere zu spielen, was ihm sonst noch a
wenn man buchstäblich jeden Tag in einer Welt von
Herzen liegt.
Poesie und Musik lebte.
*
Nachdem nun der Brief des Vaters gekommen war
und alle ihre Pläne durchkreuzt hatte, beschlossen sie beide,
den Grünkramhändler in das Geheimnis einzuweihen;
Der Magister.
hatten sie den erst auf ihrer Seite, würde es leichter fallen,
Von Wilhelm Karg.
den strengen Rektor mit dem zornigen Blick hinter den
##te die schönfte von alen,
ihre Wiese!
Da hob Lise Emil zu
Milechen! Hier muß das H
„Und es soll Liselust
stehenden Fußes eine klein
Es gab wahrlich kein
dersens Mund. Seine Tale
fort und bauten das nettest
denken konnte — genau a
Oper gebraucht werden soll
Lise und Emil verfolgt
beschrieben ihn in ihren
melskaftet, in glühenden A
wurde, zeichnete Emil es
Es ist nicht zu leugne
bißchen übertrieb und sowo
und die Buxbaumhecken zei
den, aber was tat das? Da
und Mahagonirahmen gese
es stolz allen Besuchen vor
und ihres Schwiegersohnes
Klippen wäre — und das
Madam Federsens Mund.
Es hat wohl kaum jer
Ehe hier auf unserer trüh
Emils und Lises. Sie lebt
jeligkeit, schwärmten nur
und für einander, sorgten
Tag; denn der Grünkramh
sie und gab ihnen die herr
Emil pflegte seine
Instrumente. Er kaufte sich
aber von diesen war doch
ment. Eine sonnenhelle Aber
lang zu treiben und die sa
die liebliche Natur ausströn
etwas Anmutigeres denken
Hier konnte er auch sei
soviel er Lust hatte. Und a
spät. Kostüme schaffte er si
hatte er nicht einen einzige
andere anständige Leute sich
ständig eine Rolle. Einen
und Helm, den zweiten war
ten Minnesänger mit der
spielte die festgesetzte Rolle
er gewöhnte sich daran, sowe
metern zu reden, und er lern
steller auswendig und wuß
Geschicklichkeit anzuwenden.