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Sntesse Mizz f oder der Faniientag
Drama wird schon außerordentlich bühnenwirksan
sein durch zwei riesige Massenszenen, die mit einem
Geschick aufgebam sind, das weit über die an einen
Anfanger zu stellenden Ansprüche hinausgeht.
„Komtesse Mizzi“ oder „Der Familientag“.

Komödie von Arthur Schr
(Erstaufführung im Deutschen Völ Rhrater am 5. Januar.)
L. K. Wien. (Tel.=Ber.)
Graf Arpad Pazmandy, Kavallerie-Offizier
Telephon 12.801.
i. R., wohnt mit seiner Tochter Mizzi außerhalb
Wrer,—.

Wiens, dort, wo noch alte, dichte, waldartige Gärten
Vertretungen
ein kleines aristokratisches Schlößchen verbergen,
in der Nähe von Lainz, dem kaiserlichen Jagdgebiet.
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Dem alten Lebemanne fehlt die Residenz durchaus
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
nicht. Er fährt alltäglich mit seinen raschen Gäulen
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
dahin und kommt meist erst in später Nachtstunde
heim. Anders sein Töchterchen Mizzi. Sie liebt die
Ausschnitt aus:
Einsamkeit und Stille und malt mit Passion die
Sonehlic, Pise
Blumen des Gartens. Pazmandy ist der Typus des
vom:
gutmütigen Wiener Aristokraten, der die Dinge
nimmt, wie sie sind, und sich über den Lauf der
-6. JAN. 1909
Welt nicht den Kopf zerbricht. Er steht am Anfange
der Sechzig, sieht noch sehr gut aus, hat auch ein
Theater und Musik.
braves ruhiges Leben geführt und soll nun plötzlich (
Liebes, Altgewohntes aufgeben.
Wiederum präsentiert uns Artur Schnitzler
Schnitzlers „Komtesse Mizzi“ im
vertraute Persönlichkeiten, deren nahe Verwandte er
Wiener Volkstheater.
uns im „Abschiedssouper“ vorgestellt hat. Nur sind ##
Wien, 5. Jänner. (Privat.) Im Deutschen
sie älter geworden. Der jugendliche Anatol ist eine
Volkstheater gab es heute einen interessanten Schnitz¬
gesetzter Herr und die übermütige Annie ist eine
lerabend. Zunächst gelangte die „Liebelei“ auf
überlegene, ruhige Dame geworden. Graf Paz¬
dieser Bühne zum erstenmale in wirklich ausgezeich¬
mandy hat frühzeitig seine Gattin verloren. Der
neter Besetzung zur Aufführung und übte auch hier
junge lebenslustige Offizier begann bald mit der
die gewohnte ergreifende Wirkung aus. Das Burg¬
gefeierten Ballerine Lolo Pallestri eine Liaison.
xtheater hat gewiß nicht gut darau getan, auf
„Die Lolo“ — sagt Pazmandy — „war mein
das Aufführungsrecht dieses Meisterwerkes zugunsten
Schicksal, Geliebte und Hausfrau zugleich. Weil's
des Deutschen Volkstheaters Verzicht zu leisten.
nämlich auch so großartig hat kochen können. Und
Die folgende Premiere der „Komtesse
die Behaglichkeit bei ihr. Und immer gut aufgelegt
Mizzi“ oder des „Familientages“, einer
und nie ein böses Wort“ . ...... Und nun tritt
Khnödie, deren Text schon vor zwei Jahren in der
im Leben des Grafen ein ernster Augenblick ein.
„Neuen Freien Presse“ erschienen ist, bedeutete nur
„Keine Kleinigkeit“ — lamentiert er — „wenn
fürdiene Wenigen eine Enttäuschung, die infolge des
man so beinahe zwanzig Jahre mit einem Wesen
Titels Schnitzler die Geschmacklosigkeit zugemutet
quasi gelebt hat, die besten Jahre mit ihr verbracht,
hatlet, er werde die aus dem Gerichtssaale be¬
wirklich Freud und Leid geteilt mit ihr.... man
kannts, in Wahrheit spätere Affäre der Komtesse
hat schon überhaupt nicht mehr gedacht, es könnt'
Mizzi Veith auf den Brettern vorführen. Dem
jemals aufhören... und da kommt sie eines schönen
witzsprühenden interessanten Einakter lag dieses
Tages und sagt: B’hüt di' Gott, mein Lieber, näch¬
Thema vollkommen fern. Das Stück, das gleich¬
stens ist Hochzeit... Das ist schon eine verfluchte
falls im Wiener Milieu spielt, bringt heitere,
G'schicht'.“
pikante und vom Anfang bis zu Ende spannende
Lolo ist nicht mehr die Jüngste; 38 Jahre
Schilderungen aus dem Familienleben des Highlise
hat es bei ihr geschlagen. Sie hat ihrem Berufe
Komtesse Mizzi, die 38jährige Tochter des
Valet gesagt und aus der Pallestri ist wieder die
Grasen Pazmandy, hat vor achtzehn Jahren intime
einfache bürgerliche Lolo Langhuber geworden. So¬
Beziehungen zu dem Fürsten Ravenstein unterhalten,
lange sie einen Beruf gehabt hat, hat sie es sich
die nicht ohne Folgen geblieben sind. Fürst Raven¬
erlauben können, „freieren Anschauungen zu huldi¬
stein hat den Sproß dieses Verhältnisses adoptiert
gen“. Es hat gewissermaßen zu ihrer „Stellung“
und führt ihn als siebzehnjährigen Jüngling unmit
gehört. Jetzt aber, wo sie sich ins Privatleben zu¬
telbar nach der Matura der Komtesje vor, ohne daß
rückgezogen hat, will sie in „geordnete Verhältnisse“.
dieser eine Ahnung hat, daß er vor seiner Mutter
kommen. Der Graf hat sie wohl zu seiner Gattin
steht. Daraus ergeben sich Situationen, deren Hei¬
machen wollen, aber die kluge Lolo hat Nein gesagt.
terkeit durch das naiv=drollige Verhalten des Grasen
„Es hätt' kein Gut getan.“ Und da sie sich über
Pazmandy noch erhöht wird. Daneben spielen die
Hals und Kopf in den Fiaker=Eigentümer und
komischen Szenen des Abschieds des Grafen Vaz¬
Hausbesitzer Nasner verliebt hat und ihn auch
mandy von der Schauspielerin Lolo Langhuber, die
heiraten will, hat sie mit dem Grafen gebrochen.
ihn nach zwei Jahrzehnten gemeinsamen Glückes
Pazmandy hat es ihr versprochen, daß sie ihn
verläßt, um einem Wiener Fiakerkutscher für das
vorher einmal auf seinem Landsitze besuchen, den
Leben zu folgen.
schönen Garten und das Schloß besichtigen dürfe.
Das flotte Spiel der Herren Thaller, Kramer
Und so ist sie mit einem Male unverhofft da. Der
und Edthofer sowie der Damen Galafrés und Glöck¬
Graf ist bestürzt und vor seiner Tochter Mizzi ver¬
ner begründete einen durchschlagenden Erfolg der
legen. Doch Mizzi kennt die Geschichte und durch¬
Novität, für den neben den Darstellern auch der
schaut die Situation. Sie nimmt Lolo, die ihrem
anwesende Autor dankte.
Vater so lange Zeit eine brave, treue Gefährtin
gewesen ist, herzlich und lieb auf. Da sind nun
Papa, Tochter und die illegale „Stiefmama“ bei¬
sammen. Aber noch andere Gäste sind anwesend:
Fürst Egon Ravenstein, gleichfalls ein älterer
Aristokrat, streng fendal, von weniger sympathi¬
scher Art wie Pazmandy, und ein siebzehnjähriger
Jüngling, Baron Philipp Radeiner. Dieses junge
Herrchen wird aber in wenigen Tagen gleich¬
falls das Ravensteinsche Adelsprädikat führen, dem
es ist der natürliche Sohn des Fürsten Egon, der
ihn jetzt nach der Matura adoptieri hat. Und seine