Faksimile

Text

box 25/1
20. Zuischenspiel
Telephon 12801.
AI
„OBSEIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohme Gewähr.)
Ausschnitt ausg
„Agemeine Epe
76 Hien.
vom;
n
THEATER.
2
AUS DER WOCHE.
Im Burgtheatel wurde am Donnerstag „Zwischen-
Ispiele, Komödie in drei Akten von Artur Schnitzler, zum H
ersten Male gegeben und mit ziemlich gemise hren-Gadlilen e
aufgenommen. Das heißt, das Gefühl dürfte wohl über. K
einstimmend dahin gegangen sein, daß der geistreiche Ver¬ 5“
fasser des rReigens auf der Bühne ein unverdaulicher 2
Gesellschafter sei; aber natürlich mußte man angesichts
des ngroßen Namense Schnitzler das Gähnen unterdrücken
und sich sangeregte gebärden, um nicht etwa als Banause
zu gelten. In Wahrheit ist nZwischenspiele eine höchst
langweilige Komödie. Schnitzler ist seiner psychologischen
Virtuosität zum Opfer gefallen. Seine unbestreitbare Kunst,
absonderliche Seelenvorgänge zu erlauschen oder zu kon¬
struieren und sie mit knappen Andeutungen zur An¬
schauung zu bringen, bewährt sich auch im nZwischen¬
spiele; aber die Sicherheit, mit der er in den Novellen
den Faden fortspinnt, verläßt ihn in dem Bühnenstück,
vor lauter Raffinement in der Erfindung von Kompli¬
kationen und vor erkünstelter Schlichtheit der dialekti¬
schen Mittel wird die psychologische Handlung hier ver¬
worten, verschwommen, und das Fazit ist, daß die Komödie
wie eine Ibsen-Parodie wirkt. Möglich, daß Schnitzler
den Durcheinander absichtlich herbeigeführt hat, um
sich à la Bernari Shaw zu gebärden; daß er einen
Dichter einführt, der über die Psychologie zu greinen
hat, sicht in der Tat nach Shawscher Selbstironie aus.
Fest stcht, daß an der ganzen Geschichte von den beiden
Gatten, die ihre Ehe auf Wahrheit begründet haben und,
da sie einander satt bekommen, sich gegenseitig die Frei¬
heit erteilen, nach Belieben zu lieben, nur nicht unter¬
einander, aber beim Wiedersehen nach der ersten Trennung
rückfällig werden — das einzige, was dem Schnitzlerschen
Stücke vielleicht eine Zeitlang Besuch bringen kann,
dieser Rückfall ist. In der Josefstadt gehört es ja zu den
Alltäglichkeiten, daß der Vorhang über eine zufallende
Schlafzimmertür fällt, aber in der Burg hat es Seltenheits¬
wert und wirkt also bedeutend pikanter. Ubrigens gibt
das Stück dem jungen Burgtheater wieder einmal Gelegen¬
sche Leistung der modernen Schauspielerei. Herr Kainz
spielt den Gatten, den Kapellmeister Amadeus Adams,
als lebendiges Nervenpräparat, Fräulein Witt die Gattin
mit einer wunderbaren Mischung von Innigkeit und kühler
Uberlegenheit; der Prinz des Herrn Korff ist der voll¬
endete Typus des vornehmen Wienertums und der raiso¬
nierende Dichter des Herrn Tressler das Prachtexemplar
eines Geisterarbeiters, der sich zur Höhe der Tronie durch¬
gerungen hat, Frau Kallina gibt die gräfliche Gelicbte
des Kapellmeisters und Frau Häberle das geistig unbe¬
deutende Weibchen des Dichters, jede mit der größten
Sparsamkeit in den Nuancen und doch mit bestimmtester
Charakterisierung. Den medernen Stil im Burgtheater kann
man sich gefallen lassen.
Prelephon 12891.
□ 33
„ObSERVE.:
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Qnolienaugabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Oeeterr Tiestr. Journal, Wicn
vom:
J90

Vom Theater.
Allgemeine Revue.
*
er
Das Hofburgtheater bereitete seinem
Publikum einen genußreichen Abend. Es ge¬
langte Schnitzlers dreiaktige Komödie
2
„Zwischenspirt“ zur ersten Aufführung.
Ein reizendes Stück, das nur am Schlusse s8
schlechterdings nicht weiß, wo es hinaus will.
Eine feingesponnene Sache, die dann nicht recht
an die Sonnen kommt. Der große Erfolg des
Abends, der nach dem zweiten Akt in vielen
Hervorrufen des Dichters gipfelte, schlug zuletzt
in Widerspruch um. Mit wenigen Federstrichen
wäre da eine befriedigende Variante herzustellen.
Das Thema der Komödie schwankt graziös auf
haarscharfer Schneide entlang. Zwei Eheleute,
der Komponist Amadeus und die Sängerin
Cäcilie, haben sich nicht Treue, sondern Wahr¬
heit geschworen. Alles wollen sie einander sagen,
auch das Unsagbare. Dieses stellt sich nach sieben
Jahren in der Form zweier fataler Neigungen
ein. Er steigt in das Netz einer Gräfin, sie
wird von einem jungen Fürsten umworben. Sie
nehmen also die eingestandene Sachlage, wie sie
ist, sie werden sich nicht mehr angehören. Allein
unbewußt macht sich doch geltend, was abhanden
gekommen schien. Sie lieben sich im Grunde
und er ist sogar schrecklich eifersüchtig. Daraus
folgt eine Reihe eigentümlich schiefer oder an¬
regend verworrener Situationen, in deren
Führung Schnitzler ebensoviel dialektischen Geist
als poetische Feinheit bekundet. Auch episodische
Einfälle schlugen mitunter förmlich ein. Am
Schlusse des zweiten Akts erobert der Gatte
seine Gattin noch ein letztes Mal; die Haupt¬
szene des Stückes. Leider betrachtet die Gattin
dieses an sich doch eher erfreuliche Vorkommnis
später solange wit der analytischen Lupe, bis
sie es für einen nicht wieder gutzumachenden
Fehltritt hält. Sie gehen auseinander, trotz alles
Zuredens der Zuschauer. Die Darstellung ist
vorzüglich. Herr Kainz (Amadeus), der fast
den ganzen Abend auf der Bühne ist, übertrifft
sich selbst. So hat noch kein deutscher Schau¬
spieler gespielt. Fräulein Witt (Cäcilie) ist
interessant und gewandt. Frau Kallina als
gefährliche Gräfin tut dasselbe. Herr Korff
spielt den jungen Fürsten in charakteristisch feinen
österreichischen Farben, die sehr anerkannt
wurden. Herr Treßler und Frau Haeberle
bringen die Noten der Herzlichkeit. Auch eine
Kinderrolle (O. Eisner) fand viel Anklang.
Die Novität wird jedenfalls ziehen. Das Haus
war geradezu überfüllt; man merkt das an dem
Gedränge in den Logen.