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20. Zwischenspiel box 25/1
isagt er nicht, daß nämlich der ganze Stoff nach
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heiterer Behandlung schreit. Der Autor faßte ihn
Theaterzeitung.
viel zu ernst an, wie ihn auch die Darsteller zu schwer
nahmen. Sonst ließ die Aufführung dieses construirten
Hofburgtheater. Arthur Sch#tzler ist Schauspieles kaum etwas zu wünschen übrig. Mit der
wieder burgthaaterfähig. Er mußte dafür einige Be¬
Rolle des Kapellmeisters, die als Schulbeispiel für
merkungen über Gott und den deutichen Kaiser
die sogenannten kaum zu bewältigenden Aufgaben
opfern. ie sind ihm nämlich aus seiner neuesten
gelten darf, schuf Kainz eine unvergeßliche
Es war ein Triumph des Wirk¬
Komödie „Hwischenspiel“ von der Hauscensur
Gestalt.
gestrichen worden. Das Stück wurde gestern zum
lichkeitsspieles. Man kann den nervösen, zer¬
streuten, verträumten und unnatürlichen Gesellen
ersten Male gespielt. Das Publicum rief den
Dichter nach allen Actschlüssen. Erst nach dem
nicht natürlicher darstellen. Und dabei gehört die
letzten Fallen des Vorhanges erfuhr der Er¬
Rolle nicht einmal zu den dankbaren. Umso bewunderns¬
werther die Kunst dieses großen Schauspielers. An
folg eine leichte Trübung. Es gab Wider¬
sacher, die das eingelegte Lied „Nicht mehr zu
seiner Seite kämpfte Lotte Witt. Sie gab die ge¬
Dir zu gehn beschloß ich“ als Zischmelodie varürten.
duldige berühmte Frau mit herzbezwingender Wärme.
Wenn man bedenkt, daß jeder Act zur guten Hälfte
Und doch ist die spröde Komödie mit all ihren
aus Duoscenen der Eheleute besteht, so kann man
Fehlern eine interessante Arbeit, die das Unter¬
haltungsbedürfniß der Klein Dorrit=Schwärmer nicht
sich beiläufig denken, wie das Künstlerpaar im
Schweiße seines Angesichts glanzte. Den Fürsten
ohne Schadenfreude unbefriedigt läßt. Wenn
Sigismund spielte Herr Korff mit dem nöthigen
Arthur Schnitzler auf der Bühne erscheint,
wienerischen Einschlag. Seine elegante Sicherheit
hat er immer etwas, manchmal sogar zu
rettete die Figur vor dem Umkippen. Herr Treßler,
viel zu sagen. Das ist sein Fehler. Am Thore des
der uns alle Einwände und Herrn Hartmann die
Burgtheaters könnte jetzt eine Tafel angebracht
Rolle des Raisonneurs wegnahm, zog sich mit Humor
werden: „Dr. Arthur Schnitzler, Sprechstunde von
aus der Affaire. Frau Kallina war als ver¬
7 bis 10 Uhr Abends.“ Auf die Gefahr hin, ebenso
führerische Gräfin sehr gut. Ihren Namen
redselig zu werden, wie der Dichter und seine Gestalten,
hat die Komödie von einem Zwischenspiel, das der
wollen wir den Versuch machen, die dreiactige Debatte
Kapellmeister componirt. Und ein Zwischenspiel war
im Auszuge wiederzugeben. Amadeus Adams lebt in
auch das Abenteuer der Nacht, in welcher Mann
Wien als Kapellmeister, Componist und Neurastheniker.
und Frau die selbstgeschiedene Ehe brachen. Schade,
Er führt mit seiner Frau, der berühmten Opern¬
daß Schnitzler zu der Geschichte ein so ernstes Gesicht
sängerin Cäcilie Adams=Ortenburg, einen siebenjährigen
machte. Mit seiner Kunst des Fabulirens hätte
Ehefrieden. Er hat einen fünfjährigen Buben als
er daraus das Lustspiel formen können, das wir
lebendigen Zeugen seines Glückes. Erst in den letzten
längst ersehnen. So aber kam eine ausgetüftelte,
Wochen umwölkte sich der Ehehimmel. Es ist nicht
kalte Sache zu Stande. Und traurig summten wir
mehr Alles so, wie es war. Der Gatte hat was mit
einer pikanten Gräfin und mit der Gattin möchte der
vor uns hin:
Es waren zwei Menschenkinder.
junge Fürst Sigismund was haben. Es kommt
Die hatten einander so lieb;
zu einer Spannung zwischen den Ehelenten, aber
Sie konnten zusammen nicht kommen,
sie gehen nicht, sie setzen sich auseinander. Diese
Der Dichter war viel zu tief!
Auseinandersetzungen füllen die ganze Komödie aus.
Mann und Frau, wollen: in Zukunft gute
Kameraden sein, keine. Geheimnisse haben und
sich immer die Währheit## sagen. Sie wollen
miteinander umgehen; aber Zeinen Umgang
pflegen. Jede Hälfté soll ihre Freiheit haben,
thun können, was ihr beliebt. Er wird auch ferner
ihr Correpetitor und sie seine Muse bleiben, mag
sich darüber die Welt das Maul zerreißen nach
Herzenslust. Sie schließen einen einseitigen Möbel¬
pact auf Trennung vom Bett bei Aufrechterhaltung
des Tisches. Kann eine solche Art Ehe bestehen? Diese
Frage stellt der Dichter zur Discussion. Seine
Haupt= und Nebenfiguren sprechen sich darüber
gründlich aus. Sie thun das in entzückend geistreicher
Weise, freilich nicht wie Menschen von Fleisch und
Blut, sondern wie solche von Papier und Tinte.
Ehe die endgiltige Antwort auf die Frage erfolgt,
wird Alles besprochen, was für und wider das
neue Eheverhältniß zu sagen ist. Nur von Handlung
ist keine Rede. Wir erfahren alsbald, daß Cäcilie seit
jenem Uebereinkommen auf dem Lande war und
dann in Berlin große Triumphe feierte, und daß der
junge Fürst Sigismund überall auftauchte, wo die
begehrenswerthe Sängerin gerade mauerweilte. Wir
erfahren weiter, daß sie ihrem Gatten jeden Tag
acht bis zwölf Seiten geschrieben, und daß ein
Journal plötzlich die Nachricht von der bevorstehenden
Vermälung Cäciliens mit dem Fürsten in die Welt
posannte. Endlich geht der Stern wieder im Hause
des Kapellmeisters auf. Die Sängerin kommt aus
Berlin zurück. um einige Zeit mit ihrem Manne
leben.
zu
laut Abmachung kameradschaftlich
die Enthebungs¬
gibt gewissermaßen
Sie
karte von ihren ehelichen Pflichten ab. In einer
Unterredung mit dem Gatten dementirt sie die Ver¬
mälungsnachricht, gibt aber zu, daß ein Berliner
Sänger mit fascinirender Persönlichkeit ihr nicht
ganz gleichgiltig war. „Geschehen ist Nichts,“ sagte

sie, „aber. wäre sch dort—geblieben, wer weiß!“
In diesem Augenblicke erscheint sie dem Manne als
eine Andere, in diesem Augenblicke fühlt er nur eins,
daß sie schön ist, schön wie sie niemals gewesen,
und er will ihr Geliebter sein. Und als sie sich