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20. Zuischenspiel
begehrenswert. Als endlich die beiden zeiweise geirennt] der sich denn doch gar zu unverzeihlich an dem Geist
G.
des Rossinischen Meisterwerks versündigte.
gewesenen Gatten sich wieder in dem gemeinsamen
Heim zujammenfinden, sinken sie sich noch einmal in
flüchtigem Liebesrausch gegenseitig in die Arme. Kapell¬
meister Adams hält nun die stürmische Episode für ab¬
geschlossen, nicht so seine Frau. Sie kann nach dem
Vorangegangenen die alte Harmonie in der Ehe nicht
wiederfinden, sie sieht in der letzten Umarmung nur den
heißen Abschied von einer schönen Vergangenheit. Sie
will nicht immer in Zukunft für das Glück ihrer Ehe
bangen, auch ihren Wünschen und Neigungen nicht
mehr strengen Zaum und Zügel anlegen. Die Eheleute
lassen sich nicht scheiden, sie scheiden nur endgüllig von
einander. Als tragische Schuld stellen sie gegensenig
beide fest, das si: ihrem Versprechen unbedingter
gegenseniger Offenheit gerade in dem kritischen Momente
ihrer ersten zeuweiligen Trennung nicht treu geblieben
sind, indem sie sich dabei kalt und gleichgültig stellten,
obwohl ihnen dieser Schritt schwere Schmerzen bereitete.
Die beiden Hauptrollen des Kapellmeistees und seiner
Gattin lagen in den Händen von Albert Wasser¬
mann und Irene Triesch, die ihrer Aufgabe
natürlich mit vollendeter Künstlerschaft gerecht wurden.
Irene Triesch stand sogar noch über ihrem männ¬
lichen Partner. Herr Reicher gab den lebenskiugen
Schriftsteller Rhon sehr lebenswahr. Als Roman hätte
der Stoff Schnitzlers wahrscheinlich starke Wirkungen
ausgeübt. Als handlungsloies Konversationsdrama
ließ#es das Publikum im ganzen trotz seiner vielfachen
R.
geistreichen Pointen im Dialog ziemlich kalt.
51A—.
(*) Im Theater des Westens eröffnete am Sonn¬
(°) Lessing=Theater. Zuni eisten Male: „Zwischen¬
abend Yvonne de Tréville von der Opéra
spiel“, Komödie in drei Akten von Arthur
comique in Paris als Rosine im „Barbier von
Schnitzler. Es ist eigemtlich keine Komödie, die
Sevilla“ ein kurzes Gastspiel. Die französische
uns hier vorgespielt wird, sondern mehr eine Unter¬
Koloratursängerin, die als Unbekannte zu uns ge¬
haltung am häuslichen Herd zwischen zwei Eheleuten
kommen, hatte sich bereits nach der großen Arie „Una
über die Folgen absoluter Offenheit in der Ehe. Von
voce poco fa“ der schmeichelhaftesten Auszeichnung des
Handlung ist in dem neuen Stücke absolut nichts zu
Publikums zu erfreuen, und nach der mit zündender
spüren. Der Kapellmeister Adams und seine Frau
Bravour als Einlage gesungenen Glöckchen=Arie aus
Cecilie, eine große Opernsängerin, haben sich unter
Delibes' „Lakmé“ nahm der Beifall vollends Dimensionen
dem Versprechen absoluter gegenseitiger Offenheit ge¬
an, deren Höhe den durchschlagenden Erfolg, den die
heiratet. Nach mehrjähriger glücklicher Ehe bekommt
Gastin errungen, unzweideutig registrierte. Die Kritik
der Gatte Verlangen nach der Liebe einer Kollegin
darf gut und gern in den Beifall einstimmen. Mlle.
seiner Frau und die junge Frau schwärmt ihrerseits
de Tiéoille hat eminent viel gelernt und verfügt über
für einen jungen hohen Artstokraten, der ihr die
eine zu höchster Virtuosität herausgebildete Kehlfertig¬
Kur macht. Nach ihrem Offenheitsprinzip erzählen
keit, die die Hexenkünste des Ziergesangs mühelos be¬
sie sich das ungeniert und beschiießen, sich zwar
wältigt, und die insbesondere in den sauberen Staccati,
nicht scheiden zu lassen, aber doch jeder seinen
den gleitenden chromatischen Skalen und dem tadellosen
eigenen Neigungen nachzugehen. Weshalb soll
Triller exzelliert. Die Stimme zeigt dabei ein gut
man die Erdbeeren nicht pflücken, auch wenn sie
Teil mehr Wärme als den Koloratursopranen gemeiahin
außerhalb des eigenen Gartens wachsen? meint der
nachzurühmen ist. Anerkennung verdient vor allem auch
junge Ehemann. Kapellmeister Adams wird dann bald
die Frische der musikalischen Auffassung und die natür¬
seiner keineswegs piatonischen Liebelei mit seiner
liche Liebenswürdigkeit der Darstellung, die den sym¬
„Philine“ überdrüssig und möchte reuig an den Busen
pathischen Eindruck der Leistung wesentlich erhöhte.
der angetrauten Gattin zurückkehren. Die Scham hat
Von den an der Aufführung beteiligten heimischen
dagegen Cecilie zurückgehalten, trotz des Dranges und
Kräften bot der Almaviva des Herrn Hansen An¬
Wunsches nach vollem Ausleben, dem jungen Fürsten
nehmbares, die übrigen konnten zur Not passieren bis
von Lohsenstein mehr zu gestatten, als ihrer Frauenehre
erlaubt ist. Mann und Kind erscheinen ihr noch immer s auf den erschrecklich geschmacklasen Vertreter des Bartolo,