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20. Zui enspiel
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Theater.
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Dem Manne, der in solcher Fährniß sie ihrem Trieb überläßt, in solcher Krisis
sich unter die Platane der Moosheim sehnt, kehrt ihr Herz niemals zurück.
Der Kapellmeister hat mehr vom Komoedianten als die Primadonna. Mit
einem Kusse sagt er der Geliebten Lebewohl und begrüßt mit einem Hände¬
druck dann die Freundin. Caecilie duldet Abschied und Gruß; duldet auch
Dieses noch lächelnd. Denn es ist ja das Letzte und Alles für immer vorbei.
Vorbei. Im Hochsommersprach sie das Wort. Und liegt, nicht von Angst
nur bebend, in einer Oktobernacht wieder in seinem Arm. „Nicht mehr zu Dir
zu gehn beschloßich und beschworich und geh' doch jeden Abend“: sang das Lied,
das er vor dem Abschiedzuletzt noch mit ihr geübt hatte, auch ihr das Schick¬
sal? Nein. Nur als Mutter, nicht als Gattin, ist sie noch einmal heimgekehrt;
zu Klein=Peter und zu Amadeus, dem großen Närrchen, als Mutter. In Ruhe
soll sich nun Alles lösen. Sie hat Wort gehalten; aus ihrem Erleben ihm nichts
verheimlicht. Garnichts? Nicht, daß der Fürst sie in den Opernferien einmal be¬
sucht hat und während ihres Gastspieles mit ihr in Berlin war; daß trotzdem
in Berlin ein Tenorist merkwürdig stark auf sie gewirkt hat; die Persönlichkeit,
der Mann, nicht nur der Gesangskünstler. Jeden Schritt, beinahe jedes be¬
langlose Ereigniß hatten ihre ausführlichen Briefe dem Freund gemeldet, der
noch ihr Ehemann heißt. Und sie ahnt nicht, daß sie das Wichtigste ihm ver¬
borgen hat. Wie sollte sie, da sie sichs selbst nie gestand? Zum ersten Mal hat
sie sich frei gefühlt. Durch kein Band mehr gefesselt. Zum ersten Mal haben
sich wieder Manneswünsche an sie herangewagt. Nicht, wie einst vielleicht, an
das kleine Theatermädchen, in dem Jeder eine mühlos zu haschende Beutesah.
An die schöne Diva, die in ihrem Gefolge einen richtigen, reichen, nicht deklas¬
sirten Fürsten hat und deren Gunst wie Begnadung erfleht wird. Schmei¬
chelnd umweht sie die Luft, das Leben scheint ihr unbegreiflich leicht, der Him¬
mel über ihr eine herrliche Flammenwölbung; und aus der Gluth winkteine
Verheißung. Sieben Jahre lang war ihr Einer die Welt. Die ist versunken.
Eine neue Welt aber ruft in die Ernte der Strahlengarben und in brausender
Stürme Gefahr. Leben! All das Süße und Schmerzliche, das dem Freien das
Leben bringt, jauchzendund schaudernd genießen! Mit ausgebreiteten Armen
steht sie und wartet; seis Weh oder Wonne: wenn es nur Leben ist. Sigis¬
mund? Auch diese Neigung wird nicht ewig währen; schon fröstelt die Frau
in der gemäßigten Zone dieses Gefühls. Was würde dann draus? Dieserkor¬
rekte Fürst taugt nicht zum Galan. Eine Ehe also. In Wien wird schon ziemlich
laut davon gewispert, der Kapellmeister in anonymen Briefen gewarnt und ein
Schnüffelhund apportirt den Bissen der Presse. Eine Ehe, die sacht, wie die