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20. Zuischenspiel
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Die Zukunft.
erste, dahinsiechen würde, nur an Dissonanzen wohl reicher wäre. In ein wilderes
Glücksehnt sich die Frau. Wedius, der schöne Heldentenor, brauchte sie nur mit
der, Wimper zu rufen. IIsts der erste Lenzschauer sinnlicher Liebe, die der im
Ehebett Keuschen fern geblieben war? Oder hat nurihr Hirn sich erhitzt? An
dem Bewußtsein einer Freiheit, die sich nach Laune verschenken darf? An den
Wünschen, deren Lechzen sie ringsum spürt? An Erinnerungen gar nur, dem
Echo der unter dem Nachhall der Erregung noch scheu zitternden Worte, die ihr
Ohr in den Ehebeichten widerwillig trank? Amadeushat ihr das Laster (was
ihr damals Laster schien)allzu herrlich gemalt und auf seinem Bild fehlte der
feuerrothe Teufel, der auf Peterchens Puppentheater die Sünder bedräut.
Jetzt könnte sies haben. Die bunte Fülle der Abenteuer, ohne die das Beicht¬
kind, der große Symphoniker, das Leben zu eintönig fand. Hat er selbst ihr
nicht stets wiederholt, das Weib habe nicht geringeres Erlebensrecht als der
Mann?., Von dieser Temperaturveränderung ließen ihre Briefe nichts merken.
Als sie nun aber, um ihren Kontrakt zu lösen und ihr Haus zu bestellen, heim¬
kehrt, fühlt der Mann sofort die Wandlung ihres Wesens. Das ist nicht die Frau
mehr, die den Athem anhielt, um nicht zu verrathen, daß ihr Herz dicht an sei¬
nem schneller als sonst schlug. Dieses Augeglänzt heißer. In der züchtigen Haus¬
frau ist die Maenade erwacht. Sigismunds Werk? Gewiß; diesen Rausch kann
nur sein=Kuß gewirkt haben. Doch sein Werk oder eines Anderen: den Thyrsos
her! Oktober ist und auch in der Stille eines wiener Landhauses können zwei
Trunkene die Oschophorien feiern. Ungestüm wirbt der Freund um die Freun¬
din. Die eine Nacht nur: kein schöneres Abenteuer blüht je auf unserem Wege:
und der kindlich Schamlose hehlt nicht, daß der Triumph, sie dem Anderen zu
nehmen, ihm das Glück dieser Nacht würzen soll. Caecilie sträubt sich, kann
noch immer sich nicht entschließen, das Leben so leicht zu nehmen, wie er ihr
empfiehlt. Zu lange aber hat sie darbend in Sehnsucht gebebt, zu oft sich der
Vorstellung einer an Abgründen flüchtig nistenden Seligkeit überlassen, als
daß ihr Wille noch stark genug sein könnte, um der Versuchung dieser schwülen
Stunde zu widerstehen. Hierist Sättigung, endlich, ohne Gefahr; ist ein Mann,
der ihr fast schon fremd wurde und keuchendnun, in Fieberhitze, um sie wirbt,
als hätte sie nie noch sich ihm'gegeben. Wer weiß? Am Ende war Alles nur
ein böser Traum, den diese Nacht wegzuscheuchen vermag, und die alte Ruhe
kehrt wieder, das alte Glück. Mit dem Freund theilt die Freundin das Lager.
Kein bacchisches Jauchzentönt morgens in dieses Schlafgemach. ImGrau
istsein schlimmes Erwachen. Für den Mann immerhin erträglicher als für die
Frau. Amadeus hat geschwelgt, das Theorem von der neuen, nur für den Ge¬