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20. Zuischensniel
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wagte. Im „Zwischenspiel“ aber scheint dem Dichter
seine Begabung im Stiche gelassen, oder besser ge¬
sagt, trregeführt zu haben. Das Stück ist zwar ein
Mustr= und Meisterstück der hohen Schnitzlerschen
Kuns. des Dialoges. Diese Gespräche zwischen Mann
und Frau sind der Kern, um den der Dichter das
Stück mit feiner Kunst gruppiert hat. Die Geliebte
des Mannes, der Verehrer der Frau, treten nur als
Episodenfiguren, die eine in der Exposition, der an¬
dere im letzten Aufzuge, auf. Ein zweites, kontra¬
stierends Ehepaar begleitet die Handlung, wenn
man das, was hier vorgeht oder eigentlich nicht
vorgeht, so nennen kann. In allen Dialogen aber
handelt es sich um Wandlungen, jedes Gespräch
führt zuletzt zu einem ganz anderen Ziele, als es
der Zuschauer von Haus aus erwartet. Im ersten
Aufzige, da die beiden wie man meint, ausein¬
andergehen wollen, beschließen sie, im gemeinsamen
Haushalte zu bleiben; und im dritten Aufzuge
trennen sie sich gerade im Augenblicke, da man
glaubt, daß sie sich wieder gefunden haben. Die
Neigung zum Paradoxen tritt in dem Stücke über¬
haupt durchgehend zutage: Der Gatte will die
Gattin besitzen als „eine, die man dem anderen weg¬
nimmt“, der Verehrer der Frau bittet deren Gatten
um ihre Hand, die Frau holt ihrem Manne von
seiner Geliebten die ihn kompromittierende Kor¬
respondenz. Das alles ist sehr fein, vielleicht zu
fein gemacht und motiviert, so daß es gesucht, um
nicht zu sagen unnatürlich erscheint, und den Ein¬
druck des Gezierten, den schon viele Aeußerlichkeiten
hervorrufen, steigert. Zu welchem spitzfindigen Raf¬
finement aber die neueste Kunst Schnitzlers sich ver¬
stiogen hat, wird eine kurze Inhaltsangabe zeigen:
Der Kapellmeister und Komponist Amadeus Adams
ist mit der Opernsängerin Cäcilie eine Ehe einge¬
gangen auf dem Grundsatze vollster gegenseitiger
Freiheit und Aufrichtigkeit; sie wollen sich auf ihren
Nebenwegen in keiner Weise hinderlich sein. Der
Dichter führt uns das Paar zu einer Zeit vor, da
nach siebenjähriger, glücklicher Ehe, der ein Söhn¬
chen, Peterl, entsprossen ist, die ehelichen Beziehun¬
gen erkaltet und recht locker geworden sind. Sie
beschließen daher im ruhigen, gegenseitigen Ent¬
gegenkommen, ihre ehelichen Bezehungen völlig zu
lösen, aber als gute Kameraden im gemeinsamen
Haushalte auch weiter zu bleiben, sich gegenseitig
zu fördern, und sich nichts, aber auch gar nichts zu
verschweigen, ihrem Grundsatze der Aufrichtigkeit
gemäß. Amadeus hat sich schon früher für eine
gräfliche Schauspielerin interessiert, deren er aber
bald überdrüssig wird; Cäcilie geht auf längere Zeit
an die Oper nach Berlin, wo sie große künstlerische
wie gesellschaftliche Triumphe feiert. In den ge¬
meinschaftlichen Haushalt zurückgekehrt, erscheint sie
dem Gatten als eine ganz andere; er findet sie wie¬
der begehrenswert und ist von Eifersucht erfüllt
gegen ihren vermeintlichen Geliebten, einem jungen
Fürsten: es reizt ihn, die eigene Gattin dem Neben¬
buhler abzugewinnen. Er erreicht auch im Sturme
sein Ziel und wird von dem Fürsten, der ihn in
förmlicher Weise um die Hand seiner Gattin bittet,
darüber aufgeklärt, daß ihre Beziehungen stets nur
platonischer Art und die Liebe eigentlich nur auf
Seite des Fürsten gewesen. Damit scheint nun
alles wieder aufs beste geordnet zu sein, um so
mehr, als auch der kleine Peterl, als einigendes
Band die Ehe zusammenhalten müßte. Aber nun¬
mehr erklärt Cäcilie, daß es Zeit sei, völlig aus¬
einanderzugehen; sie wolle nicht den Ekel abwarten,
der zum Schlusse doch kommen müsse; der Versuch
des kameradschaftlichen Zusammenlebens aber sei
gescheitert. — Die kurze Inhaltsangabe dürfte
wohl genügen, um zu zeigen, daß diese Art und
Weise, das sernelle Problem zu behandeln, nur
einer geradezu pathalogischen, einem gesunden Em