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20. Zuischens1.12—
nnder. Und eine „Privatabma#
höchsten und letzten Sinn, der sich nüchternen Menschen
Deutsches Schauspielhaus.
bisherige Gattenliebe fortan ein
nicht mundgerecht machen läßt, will der Dichter auch
„Kameradschaft“ zu weichen habe
tatsächlich foppen. „Ich habe mich stets für einen
Zwischenspiel von Arthur Schnitzler.
Eifer sieht und hört man den M
nahen Verwandten des Hanswursts gehalten“ läßt er
Vortrefflichkeit solch eines gesch
eine programmatische Figur seines „Zwischenspiels“
Wer mit den Frauen spielt,
plaidieren. Er nimmt die Mitt
freimütig bekennen. Viel intuitive Tiefe liegt in diesem
Kommt nie zu Recht ...
Händen, Füßen und Lippen sprich
spielerisch hingehauchten und doch sehr ernst gemeinten
Diese Goethe=Variante, die mir just durch den
samen Betrachtern entgeht es nich
Bekenntnis. Es gibt nämlich Augenblicke, da der Künstler
Kopf klingt, erträgt auch einen zweiten Wandel. Etwa
Betrüger mit dem Dünkel einer
notgedrungen zum Gaukler, zum weltweisen Clown, zum
die
nach der Pendant=Seite hin. In einer Fassung,
daß dieser Poseur wider Absicht
Lear=Narren werden muß. Das sind die Augenblicke,
für Spielerinnen gilt. Dann müßte sie lauten:
Hjalmar en miniature allmählich
da er als Opfer seiner Imaginationen mit forschendem
lichen Formen eines Puppenspiele
Wer mit den Männern spielt,
Instinkt in das grenzenlose Reich seelischer Möglich¬
Er geht also zu seiner dirnenhaft
keiten hineintorkelt. Augenblicke, da er mit tändelnder
Kommt nie zu Recht ...
Sicherheit auf der Messerschneide feinster Unbegreiflich¬
Frau kommt der Fürst. Er und sie
Woraus sich dann auf der neutralen Basis einer
keiten tanzt und die schlüpfrigsten Rätsel des Seelen¬
der Freiheit aber erstarken die Inst
reineren und reiferen Empfindungswelt, die zwischen
lebens wie Pfauenfedern auf der Stirn balanziert.
sinnen sich die Instinkte auf sich
nicht
weiblicher und männlicher Geschlechtsmoral
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Klarheit. Bringt intellektuelle und
Er foppt uns, muß uns soppen, weil er von seinen
mehr unterscheiden will, das eigentliche Goethe=Wort
eigenen Trieben gefoppt wird. So ist er selber ein
Was dann geschehen muß
ergeben mag:
Symbol all dessen, was er sagen oder beweisen will
sich bald von seiner dirne
(wenn Künstler überhaupt etwas beweisen wollen). Er
Wer mit dem Leben spielt,
fühlt sich
gestoßen. Sie
Kommt nie zurecht:
zeigt, daß wir vom Leben gefoppt werden, weil wir
ohrigen Fürsten ennuyiert. Er
es immer wieder (aus unseren vermeintlich=wahren und
Wer sich nicht selbst befiehlt,
auf einander. Und nun zeigt es si
doch so falschen Instinkten heraus) foppen müssen.
Bleibt ewig Knecht.
seitigen Instinkte gewachsen. Sie
Daß das Leben uns selber zum Spielzeug macht, weil
tischen Gewalten, die von außen her
Zwei, die mit dem Leben spielen, fängt Schnitzler
wir (aus vermeintlich=echten und doch verlogenen
lich selbständiger, klarer, stärker ges
in seiner zartgesponnenen Komödie ein. Zwei, die in
Trieben heraus) mit dem Leben spielen müssen. Und
hat sie sich besonnen. Und jener
eine Künstler=Ehe verstrickt sind und mit dem Leben
daß wir gespielt werden, wo wir zu spielen glaubten
ihr festgesetzt, den man etwa das
spielen. Einen Mann, der mit dem Leben spielt. Eine
bis wir am Ende, verspielt und vertan, auf
Geruch der großen Welt, die Pilc
Frau, die mit dem Leben spielt. Und es ist nun ein
dem Boden liegen, wie ein ausrangierter Hanswurst,
Damenhaftigkeit nennen darf. Dure
geistvoller Trie dieser Charakterstudie, daß Spieler und
dem das Seegras aus der wollenen Hirnschale dringt.
ist sie gegangen. Kein Wunder, da
Spielerin erst im letzten Augenblicke, da sie verspielt
Seepras dringt (symbölisch gesprochen) auch aus der
licher erscheint. Begehrlicher denn
haben, ihre Verluste erkennen. Es ist weiterhin ein
Fesseln der theoretischen „Privatah
wollenen Hirnschale des „Zwischenspiel"=Ehepaars, das am
geistvoller Tric des „Zwischenspiels“, ein unbewußt
Ende des letzten Aufzugs mit verrenkter und ausgefaserter
Er wirft sich ihr zu Füßen. Er
erwachsener und bewußt geduldeter Tric, daß es selber
Seele wie abgetanes Spielzeug auf den Brettern bleibt. Sie
langer, langer Entbehrungsfrist ein
mit den feinsten Grenzen der Kunst, mit den zartesten
glaubten beide: wahr zu sein. Gelobten einander: stets
hindurch. Die „Kameradin“ ist wi
Zipfeln der Psychologie und zuguterletzt mit dem
ehrlich zu bleiben in ihren Gefühlen, in ihren Aeußerungen.
liebten geworden. Und wieder sehel
mimosenhaften Verfasser dieser Komödie svielt. Sehen
Wollten keinerlei Geheimnistucrei kennen. Daß der Ehe¬
versteifte, zwei bitterlich gefoppte M
wir zu, daß wir als Zuschauer nicht verspielen.
die vonihren Instinktenge
mann seiner Frau nicht alles sagen dürfe, schien diesem
Man hat nämlich als Zuschauer die ästhetische Pflicht,
Menschen, die wahr, heroisch wahr
Ehemann ein Unding. Daß die Ehefrau einen kleinen Rest
gelegentlich mit sich selber spielen zu lassen. Man muß
tlic
doch im Grunde nur unwissen
privater Heimlichkeiten vor ihrem Gatten verbergen dürfe,
bisweilen mit willigem Behagen in den Würfelbecher
Menschen, die unbewußt ihr tagikom
schien dieser Ehefrau eine Ungeheuerlichkeit. So ließen sie
des Autors kriechen und zufehen, wie man wieder
mit einander treiben. Und
sich also gegenseitig bis in die gleichgiltigste Karte blicken.
herauskommt. Man muß sich schütteln lassen, hin¬
Stelle, da sie sich im ersten
Der Pakt bestand zu Recht. Energisch hielten sie daran fest.
werfen lassen, bloßlegen lassen ——: nicht anders als
kalten Kameradschaft versichert, versich
Denn beide fühlten sich als Ausnahme=Naturen. Beide
ein ganz kleiner Würfel in der Zauberhand eines vor¬
Akt ihrer geschlechtsheißen Leidensch
wähnten sich auf dem Gipfel innerer Vorurteilslosigkeit,
nehmen Prestidigitateurs. Man darf selber gespannt
nimmt einen geistreich geführten P
innerer Freiheit.
sein, was für Augen man machen wird, wenn man
parallele Anlage verblüfft. Sie
Beide sind Künstler. Er Komponist, sie Opernsängerin.
aus dieser Taschenspielerhand herausgefallen. Man darf
auch umso drastischer.
Er liebt sie, spielt aber mit ihr, ohne es zu wissen. Sie
neugierig abwarten, ob man als so ein willenloser
Aber der nächste Morgen, der mi
liebt ihn, spielt aber mit ihm, ohne es zu wissen. Das macht:
kleiner Würfel im Schüttelbecher des Autors mit zwei
ginnt bringt die Ernüchterung. De¬
sie sind beide noch nicht reif. Intellektuell haben sie zwar
Augen, mit neun Augen oder mit einem einzigen
genossene Nacht, diese zweite Hochzei
die normale Unabhängigkeit der sogenannten „komplizierten“
blauen Auge davonkommen mag. Man muß manchmal
Erstarkung seiner Instinkte gebracht
Naturen erreicht. Die Normalhöhe des sogenannten „mo¬
seine traditionelle Zuschauer=Schwere verwinden und alle
„moderner“ Mensch liebt er jetzt seine
dernen" Menschen. Aber ihren Instinkten fehlt die Ent¬
Wurfbewegungen des Dichters mitmachen —— als wäre
Sel
merischer, eifersüchtig werbender
wickelung. Fehlt jene letzte, entscheidende Reife, jene Edel¬
man aus zierlichstem Elfenbein oder Milchglas oder
ausgesetzt um ihre Liebe. Ganz nach
fäule sozusagen, die vor Selbstbetrug Unsicherheit und ähn¬
Hollundermark geschnitten. Dies vorausgesetzt — er¬
Schule. Die Frau aber hat inzwischen
lichen Gefahren bewahrt. Ihre Instinkte schwanken, schweben,
übrigt sich nur noch die leise Frage, ob der Dichter¬
zur Reife gebracht. Sie erkennt die
hängen gleichsam an gedanklichen Konstruktionen. Klammern
laune das Spiel mit ihren Figuren, das Spiel mit den
Nacht. Erkennt die Schmach ihrer Hil
sich an Prinzipe. Wurzeln noch nicht im Innersten.
Instinkten des schöpferischen Augenblicks, das Spiel mit
weder geschaffen, uns ewig in Treu
Die Instinkte müssen sich also entwickeln. Noch ist sie,
den Zuschauern gelungen.
genug, um unsere Freundschaft rein z
die Frau, nur eine künstlerisch übertünchte Gaus. Noch ist er,
Arthur Schnitzler hat einen kuriosen Wurf gemacht.
möglichen Schicksalen können wir eh
der Mann, ungefähr das, was man einen künstlerisch über¬
Keinen sonderlich kühnen, keinen bezwingenden, keinen
als aus dem Abenteuer dieser Nacht
tünchten „junger Hund“ nennen könnte. „Sind wir ein
starken und runden Wurf, der wie die Tat eines Meister¬
rischen Stunde... Wir sind einand
Spiel von jedem Hauch der Luft?“ heißt es bei Goethe.
spielers imponieren müßte. Aber einen durchaus
wir uns die Erinnerung daran erh
Sie sind beide noch ein „Spiel von jedem Hauch der Luft.“
aparten Wurf. Einen Wurf, der die Hokuspokus=Linien
das ein Abenteuer war, so sind
So geschieht es, daß ihn eine dirnenhafte Gräfin kapert.
einer findigen Grazie durch die Lüfte zieht, ehe er
gangenes Glück nicht wert. War es e
So geschieht es, daß sie an einem feuchtohrigen Fürsten Ge¬
niederfällt. Einen Wurf, der überhaupt nicht fällt —
wir vielleicht doch zu einem künftige
fallen findet. Die beiderseitige Verlockung wirkt. Mann
vielmehr langsam und weich wie auf gepolsterte Flächen
leicht —“. So spricht sie. Und es
und Frau müssen auseinander. Mann und Frau schwenken
niedergleitet und noch im Zustand der Ruhe aus Ueber¬
neuen Bund will sie nicht schließen. 7
nach entgegengesetzten Richtungen an. Mann und Frau
empfindlichkeit nachzittert. Wer sich nicht mit willen¬
stand löst sich auf. Nach entgegengese
löschen die „ehelichen Pflichten“ in ihrer Ehe aus. Aber
loser Gefügigkeit so ätherischem Spiel hinzugeben weiß,
sie auseinander. Auf Nimmerwiederf
die Ebe bleibt bestehen. Der gmeinsame Hausstand nicht
wird sich wahrscheinlich gefoppt fühlen. Und in einem
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