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20. Zuischensniel
Liebe aus der Leidenschaft geboren wird und daß der die in unbestimmter Sehnsucht sich Verzehrende zum
Wunsch nuch unverändertem Liebesglück keine Erfüllung
Liebesgenuß zu zwingen, nicht, sie zurückzugewinnen.
finden konn. Vielleicht, hoffentlich ist es Absicht, daß ein
Umsonst erschöpft er alle Mittel der Ueberredung.
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Sie ist ihm entglitten, ist wirklich eine andere. Sie
ironischer Zug in seinem „Zwischenspiel“ vorherrscht,
Jenineton.
hat, um mich eines ganz vulgären, aber wie ich glaube,
und daß zwei Menschen, die einander im Grunde sehr lieb
haben, auseinandergehen, weil beide, im Liebestaumel ver¬
treffenden Ausdrucks zu bedienen, Blut geleckt.
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loren, die Entwicklung und den harten Sinn des Lebens nicht
1Schnitzler spricht natürlich anders. „Ich habe ja noch
verstehen. Für Amadeus Adams, den Komponisten, und
so wenig erlebt,“ sagt Cäcilie. „Und ich sehne mich
Deutsches Schauspielhaus.
danach, ich sehne mich nach allem Schmerzlichen und
Cäcilie, seine Gattin, die eine große Sängerin ist, ist nach
Süßen, nach allem Schönen und nach allem Kläglichen,
einem herrlichen Zusammenleben der vollendeten Liebe,
Ich sehne mich nach
was das Leben bringt ..
Eintracht und absoluter gegenseitiger Ergänzung die
(Schnitzler, „Zwischenspiel“.)
Stürmen und Gefahr, vielleicht nach mehr... Du
in jeder Ehe unausweichliche Stunde der Abkühlung
was ich als Deine Ge¬
weißt nur, was ich Dir —
gekommen. Fremde Schönheit gewinnt wieder Einfluß,
„Wie Mluten und Blater des Waldes sind die
liebte, Deine Gattin war. Un da Du für mich die
neue Sehnsuchten tauchen in den Herzen auf und
Geschlechter der Menschen; diese verweht der Wind
ganze Welt bedeutet hast, in Dir all' meine Sehnsucht,
vermögen zu wachsen, setzt ihnen sittliche Kraft keinen
und andere zaubert der neue erwachende Frühling
Damm entgegen. Jede Ebe hat diese Krise durch= all' meine Zärtlichkeit beschlossen war, so konnten wir
hervor“ klagt schon Homeros. Und immer wieder
zumachen, aus der ein neues, leidenschaftfreieres, beide früher nicht ahnen, wozu ich bestimmt wäre,
kringt jedes im Schattenspiel der Ewigkeit vorüber¬
aber von tieferer Zärtlichkeit durchströmtes Leven wenn sich die wirkliche Welt vor mir auftäte. .. Jetzt
eilende Geschlecht die Liebessehnsucht mit, der es sein
Dasein dankt, und immer wieder bildet das bißchen hervorgehen soll. Nicht immer. Zuweilen zerbricht: fühle ich alle Wünsche, die früher an mir herabgeglitten
sind ... jetzt fühle ich sie über meinen Leib, über meine
das Band, wie es im „Zwischenspiel“ der Fall ist.
Liebe“ die Quelle des Besten und Schlimmsten un
Es nützt nichts, die Menschen so zu wünschen, wie Seele gleiten und sie machen mich beben und erglühen.
Leben des Einzelnen. Unablässig bluten die Opfer
Die Erde scheint mir voll von Abenteuern, der Himmel
man sie haben möchte: klug, überlegen, stark und
vor dem Altar der Liebe: Helden, Denker und Dichter
wie von Flammen strahlend, und mir ist, als säh' ich
legen ihre schönsten Taten auf seine Stufen. In wissend; man muß sie gläubig hinnehmen, wie der
mich selbst, wie ich mit ausgebreiteten Armen dastehe
allem Leben ist Liebe die nährende Flamme, in allen Dichter sie geschaut hat. Und es gibt Seelen in
allen Abstufungen; kein Dichter vermag einen Charakter
und warte.“
Wünschen Liebe das geheime Ziel. Und sollte es auch nicht
zu ersinnen, den die Wirklichkeit nicht vorgezeichnet
Cäcilie gehört von jetzt ab der Welt. Der
so sein, umgaukelt doch mit solchem Glauben dle große
hätte. Amadeus nun, obzwar ein feiner Musiker
Schwächling Amadeus vermag sie nicht zu halten.
Trügerin Natur unsere Phantasie. Warum? Warum
und als solcher Gefühlsmenich, ist ein Schwächling,
Das Zwischenspiel wird Ernst. Daß jetzt erst, nach
diese ungeheure Verschwendung von Kraft um ein
zudem kein Kenner der menschlichen Natur. Das ist
der Krise, ein wahres Glück beginnen kann, ahnen
einziges Ziel? Warum das Gaukelspiel eines aller¬
gegeben. Er besteht nicht in der Liebeskrise. Eine
beide Gatten nicht. Das Gaukelspiel der Liebes¬
höchsten Glückes, das immer wieder unter gestaltenden
lüsterne Gräfin lockt ihn, die einen Palast, einen
sehnsucht beginnt aufs neue und in anderer Rollen¬
Händen zerbricht, wenn der platte Zweck der Art¬
besetzung. Als dramatisches Werk ist die Arbeit ein
erhaltung erfüllt ist, bald aber mit erneuter Kraft die
unter deren Zweigen sie in heißen Sommernächten
loses, geistvolles Spiel geblieben, das nur durch die
Peitsche der Imagination zu schwingen beginnt?! —
schlummert. Eine verführerische Romantik. An
fein ausgemeißelten Charaktere, den glänzenden Dialog
Kein Dichter ist an diesem Problem vorübergegangen,
Caciliens Fersen dagegen hat sich ein junger Fürst
und die geradezu wunderbar abgetönten Stimmungen
seitdem der Mensch über sich selbst zu denken an¬
geheftet, der ihr nicht ganz gleichgültig ist. Die
besticht. Alles, was der philosophische Beobachter
Es ist geradezu die Quintessenz aller
gefangen.
Gatten, die vor einander kein Geheimnis haben,
oder meinetwegen der Sittenrichter über das Ver¬
Literatur, wie es überhaupt die letzte Frage
machen auch aus diesen Neigungen kein Hehl, und
hältnis zwischen Amadeus und Cäcilie und die
Und
des allgemeinen Menschheitsglückes
Amadens, in dem der Wunsch der Vater des Ge¬
aus ihm entspringenden tieferen Fragen sagen
keiner kommt der Lösung auch nur nahe,
Gedankens ist, wähnt das Ende der Liebe schon für
könnte, hat Schnitzler schon vorweg genommen.
auch den Größten lehnt die Natur, die selbst groß und
gekommen. In unglaublicher Verblendung drängt er
In der Figur des Schriftstellers Anen hat der
schweigend hinter der Liebestragik der Welt steht, als
die Frau in eine Leidenschaft hinein, die erst keimt
Dichter sich solbst über das Prodlem hinaus gestellt und
befangen ab. Lust oder Qual, ein anderes Finale
und leicht noch zu ersticken wäre. Die Gatten er¬
beleuchtet es in witziger und w.hmütger, aber, wie es
gibt es nicht, wenn das Drama nicht mit der Sehn¬
klären einander gegenseitig als frei, die Ehe für auf¬
in der Natur der Sache liegt, ergeonisloser Weise.
sucht des vorletzten Aktes abbrechen soll. Maeterlinck,
gehoben, aber — so will es die Caprice des Dichters,
Das Zwischenspiel hat eben, man verzeihe das hatte
vor dem in rastloser Bewegung vibrierenden Bienen¬
dem normale Menschen und besonders Ehekenner hier
Wort, „keinen moralischen Hintergrund“.
stock, der ihm das Sinnbild des Menschenlebens ist,
nicht folgen können — das Zusammenlden soll be¬
brcht in Tränen aus. Das ist seine Antwort. Der
Gespielt wurde dieses Stück Literatur herrlich.]
stehen bleiben. Die „Gatten“, die einander künstlerisch
weise Tolstoj predigt die Uebung der Enthaltsamkeit,
Frl. Hönigsvald stellte in ihrer Cäcilie einen
erganzen, wollen Hausgenossen, gute Kameraden,
um einem Glücke, dessen Kern Schein und Bitterken
vollkommen ausgeglichenen, in jedem Worte und
innige Vertraute bleiben, wie bisher, nur nicht Gatten.
lei, zu entfliehen. Aber die sinnreichste und wahrste
in jeder Bewegung interessanten Menschen auf die
Beide glauben ruhig zusehen zu können, wie der
Antwort hat der große Menschenbildner des Nordens,
Bühne. Ein Charakter, der sich aus Zweifeln zur
andere fremden Neigungen nachgeht. Und dies ist,
Ibsen, dem Liebesdamon gegeben. Falk und Schwanhild,
Leidenschaft nach einem bestimmten Ziel entwickelt,
wie man zunachst glauben muß, ein Denkfehler Schnitzlers.
die jungen Helden seiner „Komödie der Liebe“, die
das magisch die Seele zu blenden scheint. Dem
Solche Kontrakte kommen unter hochstehenden Menschen
einander wie in einem Leidenschaftsorkan zufliegen,
Es gibt eine Eifersucht##malen Schwächling Amadeus gab Herr Carl
einfach nicht vor.
verschmähen den Genuß und trennen sich schnell —
[Wagner Züge der Wahrheit. Die Nervosität, die
post festum, es gibt sogar eine posthume Eifer¬
Hast, die Zerjahrenheit entsprechen wohl einem Sinn,
um einander für immer anzugehören. Wer die erste,
sucht. Ist es kein Denkfehler des Dichters,
lohende, herzveredelnde Liebe rein und stark erhalten
der sich im Lacyrinth des Gefühls völlig verloren
so ist es eine gewollte Phantasie, an deren Möglichteit in
hat. Der Schriftsteller des Herrn Keller=Nebri
will im Levenskampfe, der muß den Gegenstand der
der Wirklichkeit er selest nicht glaubt, wie er sich denn
Neigung fliehen und sich mit aller Liebe bestem Teil, der
war nicht ohne einen originellen Zug, ich meine aber,
häufig genug selbst perüfliert und in ironischer Weise
Sehnsucht, begnügen. Nichts ist dauernd, als das Ideal.
der Mann, der so kecke Wahrheiten ausspricht, hätte
Widersprüche in den Dialog streut. Die Trennung
An jede Erfüllung hängen sich die Schlacken der Welt
noch mehr Ueberlegenheit zeigen müssen. Die nur
erfolgt, Amadeus träumt unter der Platane und
Sorge, Leidenschaft, Eifersucht, Gewohnheit neue
turze, aber klippenreiche Rölle des Fürsten spielte Herr
Cacilie läßt sich auf Kunstreisen von ihrem Fürsten
Reize; die Erde ist voll von vernemenden Dämonen
[Gebhardt mit großem Takt. Der Gräfin verlieh
begleiten. Die „Gatten“, die sich nun zu „Freunden“
- jede Erfüllung trägt schon den Keim des Todes
Frl. Kühnert treffende Züge, während in einer vom
degradiert haben, schreiben einander jeden Tag. Am
in sich. Das ist der Sinn in Ibsens paradoxer und
Dichter sehr vernachlässigten Rolle Fil. Westhoven
Ende des zweiten Aktes findet man sich in der ge¬
doch so wahrer Komödie. Falt und Schwanhild
meinsamen Wohnung wieder zusammen, längst ist beschaftigt war.
trennen sich, ehe der Brand ihrer Liebe Schlacken aus¬
Ein Teil des Publikums revoltierte ein wenig
Amadeus seiner Gräfin satt, Cacilie mit ihrem
wirst; gleich einem herrlichen Morgenrot wird nun die
gegen das Zwischenspiel Schnitzlers, stieß sich auch
Fürsten nicht weiter gekommen, und die zeitweilige
Liebesseynsucht ewig an ihrem Lebenshorizont leuchten.
wohl an den langen Windungen der Aktschlüsse; im &
Scheidung der kühler gewordenen Gatten tut ihr
ganzen aber kam ein freundl cher Erfolg zu stande. 1
altes, millionenmal erprobtes, auffrischendes Wert.
Immer ist es verlockend, einen neuen Dichter neu
und Herr Baron Verger sah sich für die treffliche Ein¬
Amadeus sieht in seiner Frau eine ganz neue,
die alte Melodie spielen zu hören. Vor Ueber¬
studierung, sowie die Hauptdarsteiler für ihr hin¬
fremde, reizvolle Erschemung, er verliebt sich zum
raschungen ist man niemals sicher. Selbst dann nicht,
gebendes Spiel durch mehrfache Hervorrufe anerkannt.
zweitenmal stürmisch in sie er wirbt, flammt auf
wenn ein Virtnose der Leidenschaftsschilderung, wie
in Leidenschaft und reißt die anfangs wider¬
der geistvolle Arthur Schnitzler einer ist, auftritt.
Philipp Berges. (
strebende
Cäclie mit hin.
einem
In
Wer sollte die Begrenztheit des Sinnentaumels besser
kennen, als ihr kühnster Schilderer, der Dichter des landläusigen Lustepiel hieße das Versöhnung. Hur
* „Reigens". Schnitzler weiß, daß auch die edelstel nicht. Dem sturmischen Liebhaber gelang es woll,