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20 Zuischenspiel
ressanten Frage doch so viel Kluges und Interessantes
Vor den Kulissen
bei, daß man sich einen Abend sehr gern von ihm
Aus Hamburg, 19. November, schreibt man uns: unterhalten lassen kann.
H. Ch.
Die hauptsächlichen künstlerischen Ereignisse der letzten,
im ganzen etwas ruhiger verlaufenden Wochen spielten
sich auf dem Gebiete der Oper ab. Zu solchen Er¬
eignissen ist zunächst das erste Auftreten der Kammer¬
sängerin Edith Walther zu rechnen, die als
Brünnhilde in der Walküre uns einen ersten Begriff
davon gab, was wir von ihr zu erwarten haben.
Nach dem großen Eindrucke, den die aristokratische,
im höchsten Maße kultivierte Art dieser wirklich be¬
deutenden, intelligenten Künstlerin hinterließ, zog
Direktor Bachur wieder einmal ein großes Los, als
er sich den Besitz Edyth Walthers sicherte. Er grif
im richtigen Augenblicke zu und schlug alle Bewerber
allerdings unter Bedingungen, über deren Höhe fast
amerikanische Summen genannt werden. Unsere Oper
kann dabei aber nur gewinnen: Gar nicht virtuosen¬
haft veranlagt oder von primadonnenhaften Launen
getrieben, eine Künstlerin von ernstester Auffassung des
Lebens in ihrer Kunst, wird Edyth Walther als Vor¬
bild und Muster einer Ensemble=Künstlerin bei uns
wirken, und schon aus diesem Grunde unserer Sym¬
pathieen sicher sein. Freuen wir uns, daß wir um
eine solche Persönlichkeit reicher sind im Hamburger
Musikleben.
Das zweite Ereignis war eine Neueinstudierung
von Spinelli's „a basso porto.“ In einer etwas
zahmen und wenig charakteristischen Wiedergabe ging
das eigenartig schwüle, von mächtigem Talente
zeugende Werk vor einigen Jahren an unserer Bühne
ziemlich eindruckslos und unerstanden in Szene, trotz¬
dem damals die Hauptrolle in Frau Moran=Olden
eine unübertreffliche Vertreterin gefunden hatte. Ganz
anders wirkte jetzt unter Kapellmeister Brechers
genialer Leitung die Oper; Brecher hütete sich wohl¬
weislich, das Wesentliche der Spinellischen Musik zu
verwischen; er ließ ihr all das Brutal=Elementare
des Orchesters, all das Eckige und Scharfe und gab
ihr dadurch die maskierte Physiognomie zurück, mit
der einst bei der Kölner Uraufführung das Werk so
mächtig gepackt hatte. Irgend jemand hatte
außerdem verdient gemacht durch wesentliche Ver¬
besserungen der miserablen deutschen Uebersetzung,
Herr Jelento endlich hatte das Werk sinn= und
essektvoll inszeuirt und so kam eine Gesamtaufführung
zustande, die das neapolitanische Kolorit leuchtend zum
Ausdrucke brachte und die der Oper einen großen
Erfolg verschaffte. Sehr verdienstlich wirkten in den
Hauptrollen die Herren Dawison und Pennarini,
sowie Frau Beuer.
Das Thaliatheater versammelte ein zahl¬
reiches, von literarischen Interessen geleitetes Publikum
zur Uraufführung von Omptedas „Gräfin
Sophie“.
Hier brachte der Abend denen, die von
dem beliebten und mit Recht berühmten Erzähler auch
ein wirksames Drama erhofft hatten, eine Ent¬
täuschung, denn „Gräsin Sophie“ ist nicht nur ein
hülfloses und dramatisch ungeschicktes, sondern auch ein
höchst langweiliges Stück. Die Menschen aus der
Gesellschaft, die Ompteda uns vorstellt, strömen ein
Parfum aus, das unwiderstehlich zum Einschlasen
zwingt. Die Ansichten, die sie auf Wunsch ihres
Schöpfers verireten und äußern, mögen ja höchst
stehen so außerhalb
anständig sein, aber
jeder Diskussionsmöglichkeit, daß Ompteda selbst aus
ihnen nicht Rede und Gegenrede herausschlagen konnte.
Daß Ompteda so kläglich Schiffbruch gelitten hat, ist
übrigens eine verdiente Strafe: ganz ehrlich ist sein
Stück nicht, insofern der Dichter sich hütet, Farbe zu
bekennen. Manchmal nimmt er einen netten Anlauf,
seine Gesellschaftskreise, eine überaus „seine Blase“
artig zu verspotten; er schlägt leicht ironisierende
Töne an und schickt sich an, alten unmöglichen Vor¬
urteilen zu Leibe zu rücken. Aber immer wieder zieht
er sich schleunigst zurück und streichelt da, wo er
zuhauen wollte. So bleibt ein schwankendes, un¬
Kosten kommt. Die eigentliche Handlung steht
auf der schönen Höhe einer schwächeren Marlittiade.
Diese junge Gräfin Sophie selbst ist nichts als ein
einziges Mißverständnis eines modernen Mädchens,
sie ist eine psychologische Katastrophe schlimmster Art.
Die arme Centa Bré, die so etwas spielen mußte
und so tun wollte, als ob jemand jemals irgendwo
etwaskempfinden könnte! Herr Jessner hatte das
Stück inszeuiert. Es war maßlos fein, eine Orgie
von Aristokratismus. Unwillkürlich kontrollierte man
den eigenen Smoking und die eigenen Stiefel, ob sie
auch in die erlesene Gesellschaft paßten.
In diesem
Reiche der Vornehmheit präsidierte mit hoheitsvoller