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20 Zuischensniel
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weise viel mehr versprachen, auf halbem Wege abbiegen
und „sich auf blühenden Wiesen“ abseits der brennen¬
den Fragen der eigenen Zeit, verlieren, „um Blumen
zu pflücken“, die sich schließlich wohl auch in der My¬
stik oder in undramatischer Seelenzerfaserung künst¬
lerisch ausleben.
In der „Liebelei“ hat Schnitzler, indem er die
Tragödie eines Mädchens gestaltete, die nicht die so¬
ziale Berechtigung hatte, ernst genommen zu werden
von dem Manne der bevorzugten Klasse, den sie liebt,
auch an ein soziales Problem gerührt, in „Freiwild“
hat er die Duellfrage, im „Vermächtnis“ die Frage der
„natürlichen Kinder“ und ihrer Mütter zur Diskussion
gestellt, ja im „Grünen Kakadu“ ließ er uns sogar die
Feuerluft der französischen Revolution atmen und wäh¬
rend dort Komödie in der Komödie gespielt wird, füh¬
len wir, wie draußen die Weltgeschichte das Weltge¬
richt wird. Im „Zwischenspiel“ jedoch erscheint Schnitz¬
ler fast nur als Seelenanatom und dramatischer Stim¬
mungsmaler. Trotz der bei diesem Dichter selbstver¬
ständlich blitzend geistreichen Dialoge und manches psy¬
chologischen Treffers, den sie enthalten, fehlt der faden¬
dünnen Handlung jeder dramatische Rerv und man
empfindet den Schluß nicht recht als zwingende Not¬
wendigkeit.
Ein Ehepaar, Kapellmeister Amadeus Adams und
feine Frau, eine bedeutende Opernfängerin, — ein
Chepaar, das sich „Wahrheit“ versprochen hat, kommt
einander, zu einem Zeitpunkt, wo beide Teile einiger¬
maßen anderweitig inter ssiert sind, darin entgegen,
sich gegenseitig in Schönheit freizugeben. Sie einigen
sich dahin, daß sie fortan Freunde sein wollen und sich
äußerlich nichts an ihrer bisherigen Gemeinsamkeit än¬
dern soll. Er erwartet, daß sie ihm mit seinem ehema¬
ligen Schüler, dem Fürsten Sigismund von Lohsenstein,
der sie innig liebt, untreu wird, und sie nimmt ohn¬
weiteres an, daß er in zärtliche Beziehungen zu der
Opernsängerin Gräfin Mosheim, die ihm das gewiß
nicht schwer machen wird, tritt. Cäcilie Adams=Orten¬
burg, von dem Wiener Gast mit faszinierender künst¬
lerischer Feinfühligkeit lebendig gemacht, in allen Ru¬
ancen des Weibempfindens gleich lebensvoll offen¬
bart, erfüllt die Voraussetzungen ihres Mannes nicht,
während der Kapellmeister (Herr Gebhardt), dessen
Darstellung an Sicherheit in der charakterisierenden
Linienführung einiges zu wünschen übrig ließ, ein Ver¬
hältnis zur Gräfin hinter sich hat, als Cäcilie von einem
Gastspiel, wo sie Triumphe feierte und Eroberungen
machte, zu dem „Freunde“ zurückkehrt. Das Selbstge¬
fühl ihrer siegreichen Schönheit, die Bereitschaft der
Frau, die sich frei fühlt, dem Leben und den „Aben¬
teuern“ gegenüber, berauschen den Kapellmeister der¬
art, daß der Kamerad zum Verführer wird und das
Freundespaar einander in die Arme fällt.
Der andere Morgen findet ihn in rasender Eifer¬
sucht gegen den Fürsten als den vermeintlichen Ge¬
liebten seiner Frau, er findet diese Frau entschlossen,
sich aus einem Verhältnisse zu lösen, worin weder in
Liebe noch Freundschaft Treue möglich ist, und der
Mann dasselbe, was er sich selbst ohne weiteres verzieh,
als eine frevelhafte „Besitzstörung“ empfindet, die mit
Blut gesühnt werden soll, wenn es an ihm verübt
wird. Aber sie weint diesem Entschluß heiße Tränen
nach, wenn der Vorhang fällt, und es wird uns, wie
gesagt, schwer, die Notwendigkeit dieses Schlusses zu
empfinden.
Von den übrigen Darstellern spielte Herr Heim
den Freund des Kapellmeisters, den Dichter Albertus
Rhon, in einer sehr gelungenen Maske sehr befriedi¬
gend und auch Frl. Horwitz als liebeserfahrene
Gräfin, Frau Boruttau=Stastny als Rhons,
Cäcilien befreundete Gattin und Herr Gabel als
der dichterisch recht matt geratene Fürst Sigismund,
brachten durchwegs anerkennenswerte Leistungen. Er¬
frischend herzig und überraschend bühnensicher war die
kleine Prell als Söhnlein Peterl des Künstlerehepaares.
Die durchseelte Kunst des Wiener Gastes entfesselte
immer von neuem lebhafte Beifallsbezeigungen des
außerordeutlich ge besuchten Hauses.
g.