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ur
er Kapelmeister umabeit Adun ist mit der Oovern¬
sängerin Cäcilie Ortenburg seit 7 Jahren in glücklichster
Ehe verheiratet. Eigentlich war Cäcilie zuerst nur die
Geliebte des Kapellmeisters. Aber was „zuerst“ war, das
schadet ja nichts; im Gegenteil Amadeus und Cäcilie
haben infolge ihres intimen Zusammenlebens erkannt,
daß sie beide für einander wie geschaffen seien, und sind
in Zucht und Ehren Mann und Frau geworden. Ein
5 jähriger Knabe, Peterl, vervollständigt das Glück dieser
harmonischen Künstlerehe.
Zum Grund= und Eckstein ihres ebelichen Lebens haben
Amadeus und Cäcilie die absoluteste Aufrichtigkeit des
einen gegen den anderen gemacht.
Diese absolute Aufrichtigkeit ist den Eheleuten zunächst
die Quelle mancher eigenartig schönen Stunde. Denn
Cäcilie ist jung, schön und geistrich, dazu noch eine wahr¬
hafte Künstlerin. Was Wunders also, wenn sie von der
Elite der Aristokratie, der Hochfinanz und nicht zuletzt
von ihren eigenen Kollegen angeschwärmt wird. Und da
auch Amadeus einen großen Reiz auf das schönere
Geschlecht ausübt, so haben sich die Ehegatten mancherlei
Interessantes auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen zu
berichten.
Einen gehörigen „Knacks“ aber erhält das Prinzip der
gegenseitigen Aufrichtigkeit, als Amadeus der schönen
Gräfin Friederike Moosheim Gesangsunterricht erteilt.
Die Gräfin, die zwar einen Mann besitzt, huldigt doch
dem modernen „Ueber=Ehe“=Prinzip, nach welchem der
Besitz eines Mannes für die Frau kein Hindernis bildet,
gelegentlich auch noch einen andern Mann zu besitzen.
Amadeus liebt seine Frau aufrichtig, nebenbei ist er
aber doch ein bißchen in die verführerische Gräfin, die ihm
die möglichsten und unmöglichsten Avancen macht, ver¬
liebt.
Was ihn jedoch ganz besonders in die Liaison mit der
Gräfin hineintreibt, ist der Umstand, daß seine Frau in
dem Fürsten Sigismund einen Hausfreund hat, von dem
in Zweifel ist, ob dieser Hausfreund mit oder ohne
Gänsefüßchen orrhographisch richtig zu schreiben ist.
Diese eifersüchtige Stimmung benutzt die Gräfin ge¬
schickt um den noch immer widerstrebenden Amadeus in
ihre Netze zu treiben.
Es entspinnt sich zwischen ihr und Amadeus das fol¬
gende Zwiegespräch, das das Schicksal des Kapellmeisters
definitiv besiegelt:
Friederike: Was waren das einmal für reizende Abende
in Ihrem Haus! Noch in diesem Winter. Wir sprechen
manchmal Havon, der Graf und ich. — Lädt man den
Fürsten Sigismund auch nicht mehr ein, so wie mich?
rst vor vierzehn
Amadeus: Liebe Gräfin, er
uns gewesen. Wir haben vraußen in
Tagen bei
den Laube soupiert, dann noch lang im Zimmer
geplandert, und vor dem Fortgehen hat er über
Und was meine
der Cagliostrowalzer phantasiert.
Frau auf ihren Spaziergängen mit ihm redet, während ich
nicht dabei bin, dleibt mir so wenig unbekannt, als ich
ihr verschweige, was wir zwei zueinander reden. So
stehen wir zueinander, meine Frau und ich, damit Sie es
doch endlich begreifen, Friederike!
Friederike: Es gibt aber doch Dinge, die man einander
nicht sagen kann.
Amadeus: Zwischen Menschen unserer Art gibt es keine
Geheimnisse.
Friederike: Ja dann . .. dann werden Sie Ihrer Frau
heute mehr gestehen müssen, als sie mir selbst gesagt haben,
Amadeus. Adieu ... (Reicht ihm die Hand.)
Amadeus: Was soll das nun eigentlich werden,
Friederike?
Friederike: Warum wehren Sie sich gegen Ihr Schicksal?
Ist es denn gar so schlimm? Was Sie mir sind, war
mir ja doch noch keiner!
Amadeus: Verlangen Sie, daß ich Ihnen auch das
glaube?
Friederike: Ich würde es nicht zur Bedingung machen.
Aber es ist wahr, Amadeus. Nun leben Sie wohl. Auf
morgen, Amadeus. Das Leben ist wahrhaftig viel leichter,
als Sie denken. ... Es könnte so schön sein — es wird
schön sein. (Sie geht.)
Amadeus (allein. Setzt sich zum Klavier; svielt ein
paar Töne.): Es wird ernst .... oder witd es heiter?
(Schüttelt den Kopf.)
Während Amadeus sich in dieser Stimmung befindet,
die die Frage des „Rechts auf Ehebruch“ eigentlich nur
noch theoretisch verneint, tritt sein Freund Albertus,
seines Zeichens ein Dichter, herein. Amadeus schüttet
dem Freunde sein Herz aus, und klagt ihm seine Not, in
die er durch seine Sehnsucht, bei der Gräfin ein schönes
Liebesahenteuer zu erleben, und doch dabei die Pflicht
der Aufrichtigkeit gegenüber seiner Frau nicht zu ver¬
letzen, geraten ist.
Die Antwort, die Amadeus von seinem Freunde emp¬
fängt, ist so charakteristisch für den Gang und Aufbau
der Schnitzlerschen Komödie, daß wir sie hier wiedergeben
wollen:
Aldertus: Abenteuer ...! Müssen sie denn gerade
erlebt sein? Einem Maler, der über Stümperei erhaben
*) Berlin 1906. Zweite Auflage. Verlag von S. Fischer.
Den Bühnen gegenüber als Manuskript gedruckt.
die offen und ehrlich auch über ihr künftiges Liebesleben
mit einander sprechen, ja mit Fug und Recht darüber
sprechen können, da ja einer den andern von der Pflicht
der ehelichen Treue entbunden hat.
Was Amadeus und Cäcilie hier stipulieren, das ist
das richtige Pendant zur „freien Ehe": Die freie Ehe¬
scheidung! Dort die Ehe ohne Ehe, hier die Scheidung
ohne Scheidung!
Amadeus nützt seine „Ehescheidung ohne Ehescheidung“
nach Kräften aus, natürlich in den Armen der avance¬
lustigen Gräsin!
Und Cäcilie? „Nichts Gewisses weiß man nicht!“ Sie
flaniert mit ihrem Fürsten, ja sie läßt durchblicken, daß
sie den Fürsten bald depossedieren werde, weil ihr Partner
in der Tatjanapartie ihr Blut etwas stark in Wallung
gebracht habe.
Amadeus fühlt sich, nachdem sein Liebesrausch mit der
Gräfin verflogen 1ß, kreuzunglücklich. Er beginnt einzu¬
sehen, daß die Rolle, die er an der Seite Cäciliens spielt,
die vor dem Gesetz doch seine Ehefrau ist, eine unwürdige,
ja erbärmliche ist.
Ganz unerträglich wird ihm sein Zustand, als Cäcilie
von einer Gastsvielreise, wo sie die Tatjana gesungen hat,
in die gemeinschaftliche Wohnung zurückkehrt. Er sieht,
daß Cäcilie sinnlich erregt ist; ja sie macht auch keinerlei
Geheimnis daraus, daß ihr Partner die Ursache ihrer
sinnlichen Erregung ist.
Amadeus liebt dies in der sinnlichen Erregung ihm
doppelt schön erscheinende Weib, das sein Weib ist, ohne
doch sein Weib zu sein.
Und nun kommt die Katastrophe:
Amadeus und Cäcilie haben den Pakt geschlossen,
sich gegenseitig volle Freiheit des Liebeslebens zu garan¬
tieren.
Wie aber, wenn Amadeus jetzt das begehrenswerte
Weib nicht mehr mit den Augen des Ehemannes, sondern
des Liebhabers ansieht?
Ist es nicht die letzte Konsequenz ihres Paktes, wenn
er sich dasselbe Recht, wie jeder andere nimmt, um eine
Schäferstunde bei der durch keinerlei Fesseln gebundenen
Frau zu betteln?
Cäcilie kann jedem beliebigen ihre Liebe schenken?
Warum nicht auch ihm?
Freilich, dann ist er nur einer von vielen! ein infames
Bewußtsein für den Mann, der seinem Eheweibe gegen¬
über steht!
Aber was tut's? seine Pulse hämmern und fliegen vor
wahnfinniger Leidenschaft!
Und auch sie! — sie lebt der Liebe entgegen; vielleicht
der Liebe zu einem andern!
Einerlei, die brennende Sehnsucht nach Liebe läßt sich
nicht durch Vernunftgründe zurückdämmen!
Der Gatte wird — der Geliebte seiner eigenen Frau:
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Und was nun? In Amadeus ist seit jener verhängnis¬
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vollen Nacht eine verzehrende Leidenschaft zu seiner Frau
erwacht.
Der Pakt, den er damals mit ihr geschlossen hat, muß 13zun 3jqmasusjosa#og aplinag gog n
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rückgängig gemacht werden, selbst um den Preis, daß er
die Geliebte eines Fürsten und eines Opernsängers als
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sein Eheweib in die Arme schließen muß.
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Aber Cäcilie will nicht!
Zwar hat sie dem Gatten bisher trotz ihres Freibriefes
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zur Liebe noch nicht die eheliche Treue gebrochen! aber
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auch nur: noch nicht!
In jener Stunde, als sie sich dem eigenen Manne als
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„Geliebte“ hingab, hat sie die Achtung vor sich selber
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verloren; sie weiß nicht mehr, ob sie die moralische Kraft
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haben wird, über jene dunkle Stunde hinwegzukommen.
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Denn dasselbe, was sie in jener Stunde ihrem Manne
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gewährte, das hätte sie auch — einem andern gewährt!
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So ist sie denn innerlich moralisch gefallen, ohne nach der
äußern Moral gefallen zu sein!
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Sie trennt sich von ihrem Gatten, weil sie nicht die
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Kraft hatte, sich ihm als Geliedte zu versagen! —
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Der Leser sieht, daß in dem Schnitzlerschen „Zwischen¬
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sviel“ sehr interessante psychologische Prodleme aufgerollt
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werden.
Nur schabe, daß diese psychologischen Probleme auf dem
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Boden der Unwahrscheinlichkeit aufgebaut werden.
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Zwei Menschen, die einander lieben, deren Liebe aber
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eine vorübergebende Trübung erfahren hat, werden in
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Wirklichkeit nie auf die grandiose „Kateridee“ kommen,
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einen derartigen Pakt miteinander zu schließen, wie
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Amadeus und Cäcilie.
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Dies fühlt der Dichter auch selber selr gut und ver¬
sucht deshalb, noch am Schluß des Stückes die Ehe¬
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scheidung ohne Scheidung“ psychologisch zu motivieren“
9e unrval asat — uung inc : (ush 6u 10
indem er bei der Schlußszene den auseinandergehenden
Gatten die folgenden Worte in den Mun) legt:
un jogusaljaaa gun av e#ilog 910
Amadeus: Und das ist nun der Lohn dafur, daß wir
z### gs uarval aja aun — gnagvüfz u3
gegeneinander immer wahr gewesen sind!
uarpal uuva kusjoscj nl ususbajnogest auf
Cäcilie (sich nach ihm umwendend): Wahr? . .. Sind
zivi) ’ussacpjoß ze#och gut bungsoallles 91
wir's denn immer gewesen?
## nssun urog unajun zqubuss gjbu
Amadeus: Cäcilie!
Cäcilie: Nein, ichglaub es nicht mehr. Wenn alles
andere wahr gewesen ist — daß wir beide uns so schnell
darein gefunden in jener Stunde, da Du mir Deine—
Leidenschaft für die Gräfin und ich Dir meine Neigung
für Sigismund gestand — das ist nicht Wahrheit gewesen.