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19. Der Ruf es Lebens
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des Wiener Walzers hinaus eröffner werdensoll. Horen die Braven, diehergab. Der zweite Akt ist nichts als eine Neuauflage der „Liebelei“
euilleton.
mit verdoppelter Schießerei. Dort Duell, hier Mord und Selbst¬
da für Kaiser und Vaterland hinausziehen im Trompetengeschmetter,
Säbelrasseln und Pferdetrappeln den Ruf des Lebens nicht mehr sind]mord, und das junge Mädchen, nur vom Süßen ins Herbe über¬
ing-Theater.
sie nun wirklich Helden oder bloß Narren? Ein Bernhard Shaw, setzt, um zehn Jehre älter und bitterer gemacht, betrauert gleicher¬
Zum 1. Male: „Der Ruf des der Schnitzler unversehens angeregt haben inag, wäre um die Ant= weise den Geliebten, der mit ihr gemeinsam nicht leben konnte
3 Akten von Arthur Schnitzler.
und nicht sterben wollte. Gistbecher und Pistole sind nichts für
wort nicht verlegen gewesen. Der weiche Wiener Dichter und feine
Schnitzlers zarte Hände. Er kann uns unterhalten, rühren, nach¬
habe ich bereits rzählt, eine tiefereRaisonneur, gewohnt, jedem Recht zu geben und die Relativität
denklich machen wie kaum einer, aber er soll uns mit solchem
ir sonst Schnitzler immer gedankt haben,
der Dinge zu genießen, hat nicht Eigensinn genug, um sich zu be¬
Teufelszeug vom Leibe bleiben und uns nicht tückisch in die Ohren
schränken und zu entscheiden. Er brennt wie häufig das Licht an
nnt noch übrig, sich die kunstlerischen
knallen, besonders nicht, wenn wir noch hinterher die leise schwe¬
ddie dieser dramatischen Mißbildung das 1 beiden Enden an und sagt, daß einige sich selbst betrügen, andere
benden Walzerklänge einer Lebensphilosophie an der schönen blauen
eren Dichtern ist die Naivetät, die den betrogen werden, und die meisten je nach der Beleuchtung wohl
Donau erlauschen sollen. Entweder grob oder fein — beides zu¬
Helden oder Narren scheinen mögen. Ein Betrüger, der Helden¬
t, abhanden gekommen. Schnitzler wollte
sammen geht nicht, wenigstens nicht für ihn. Und wenn er ein¬
ruhm erschleichen möchte, ist der Oberst, der die Legende von dem
und er hat eiwas erfunden, was gar
mal, bis sein Feld nach vielleicht notwendiger Brache, wieder grünt,
durch die Schuld des Regiments verlorenen Feldzug
K mindestens den ersten Akt interessant
sich auf dem der anderen zu grober Arbeit verdingt, dann mag
die Welt und zugleich sich in den Kopf gesetzt hat, bei
ssiere haben sich geschworen, datz keiner
er wenigstens das Handwerk lernen. Da er mühselig konstruiert,
dem allgemeinen Selbstmord das Leben und die Hörner,
Kriege zurückkehren soll, um die Ehre
mechanisch zusammensetzt, kann man auch von Fehlern sprechen,
mit denen ihn seine Frau begabt hat, auf dem Felde der
zustellen, das dreißig Jahre vorher von
von denen ich ihm unter vielen gleich mehrere nachweisen n ll.
Ehre zu lassen. Die ganze Legende ist ein Witz dieses geistreichen
e Flucht getrieben, eine Schlacht und einen
Der Schuß des Obersten, der die Frau trifft, geht dramatisch ge¬
Herrn, aber wie der kluge Arzt bemerkt, der alles versteht, es
andes entschieden hatte. Von den früberen
nommen ins Blaue, nichts als ein unangenehmer Kuall, weil wir
einer, Maries Vater; an jenem Tagekönnte auch etwas daran sein, und man soll nicht fragen, woher
auf die Sache seelisch nicht vorbereitet sind. Die ganze Liaison
das Große kommt. Ehre, Ruhm, Vaterland mögen nur Worte
m Helden zum Feigling geworden, er
Oberstenfrau, Schnitzler zwingt
des Lentnants mit der
sein, aber sie klingen schön. Und Verrat, Buhlerei, Mord, was
und er ist es nun eigentlich, der diese
uns jetzt zu Schulausdrücken, mußte in die Exposition
alles sein Liebling Marie nicht ohne sein Mitwissen begangen hat,
den Tod schickt. Dafür hat er sein
kommen, nicht allein als Andeutung, sondern als an¬
sind häßlich klingende Worte, aber es braucht nichts dahinter zu
er Hekatombe, die da für Ehre, Ruhm,
für Marie schon eine Rolle
geschaute Drohung,
sein, und wir kommen auch darüber wie über alles hinweg, wenn
et er sich gefräßig wie an einem Blut¬
gespielt haben muß. Sie darf nicht mit dem Zuschauer auf etwas
wir nur am Leben bleiben, was Vergessen bedeutet. Wenn der Mann
h paar Jahre seines elenden, qualvollen
ganz Fremdes, Unerwartetes stoßen, Zufälliges, weil nicht als Be¬
noch weiter redete würde er bei der alten Schnitzlerschen Weisheit
MMächten da oben zu erkaufen meint.
dingung mit den anderen vorbereitet, sonst dürfte sie mit dem¬
enden, daß es am schönsten ist, melancholisch in der Abendsonne zu sitzen
ganze Voraussetzung ist aus militärischen
selben Theaterrecht eine andere Situation vorfinden, daß z. B. der
und dabei von fernher die wehmütig süßen Klänge eines Wiener
aber man muß gegen Voraussetzungen
Leutnant in der letzten Nacht mit einem Paar Kameraden Tarock
Walzers zu hören. Schnitzler hat sich also um eine Erfindung be¬
rie nun zu ihrem todgeweihten Leutnant
spielt. Man kann ferner nicht für zwei Akte einen ganz parallelen
müht, die ihn selbst überwältigte um fortzeugend Scheußliches zu
haften Vater, den Mörder ihres Glücks,
Ausgang nehmen. Im ersten sieht man Marie aus ihrem Zimmer
gebären, hat einen Vater durch die Tochter, eine Frau durch ihren
nd unschädlich gemacht hat, so wird diese
fortlaufen, im zweiten das Liebespaar aus der Kammer des
Mann, einen Liebhaber durch sich selbst und dazu ein ganzes Re¬
diese private Herzenssache vor einen
Offiziers. Beide Male heißt es: Fort! Dem Zuschauer mißfällt
giment umbringen lassen, nur um sich einmal um sich selbst zu
grund gestellt, der auf Heroismus weist,
das ohne zu wissen warum, dem Kritiker wird es bewußt, und
le, die uns das Leben verachten heißen.
drehen, um wieder dieselbe Philosophie des Quietismus zu belehren,
er bittet den Dramatiker, es nicht wieder so zu machen. Hoffent¬
die sonst seine Anatoles mit bedächtig geformten Ringeln des
vom Ruf des Lebens“ das bis dahin
lich findet sich für Schnitzler keine Gelegenheit, solche Rechnungen
Zigarettenrauchs von sich bliefen. Vielleicht hat er so viel erfinden
ten Lebemännern, zwischen süßen kleinen
müssen, so weit über die ihm vertraute Welt melancholisch eitten! zu verbessern, und wir wünschen, den Dichter wiederzusehen, der
en Frauen in klugen, sauften, müden
rde, ein weiteres Echo finden in der Selbstgenusses hinausspringen wollen, weil ihm nichts einfiel, weil bisher noch reich genug war, um nicht sich selbst mit den Mitteln
stun eine Vorstellung über die Philosophie das verbrauchte Feld, das immerhin sein eigenes war, nichts mehr der anderen, der Rechner und Macher, nachahmen zu müssen. A. E.